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Pressemitteilung vom 18. Oktober 2010

Bamberg ist keine kleinstädtische Oase

Kriminalität, Drogen und Obdachlosigkeit gibt es auch in der Bamberger Jugendszene – Grüne fordern mehr Personal für Streetwork

 

Was hat eine Gesellschaft für Jugendliche übrig, die vielleicht obdachlos sind und auf der Straße abhängen, die Schule verweigern oder keine Ausbildungsstelle finden, zur Flasche greifen oder zu schlimmeren Drogen, straffällig werden und auch um Gewalt keinen Bogen machen? Was die Stadt Bamberg für solche Jugendliche übrig hat, lässt sich beziffern und aus dem städtischen Haushalt leicht ablesen: gerade mal 1,5 Arbeitsstellen und 3.500 Euro Jahresbudget unter dem Label „Streetwork“.

Viel zu wenig, meint in ihrer jüngsten Pressemitteilung die Grün-Alternative Liste, denn: „Wo immer sich die Gesellschaft bemüht, Jugendlichen eine Perspektive zu bieten, etwa ihnen von Drogen weg zu helfen oder für eine Ausbildung fit zu machen, spart sie woanders wieder Kosten ein, von Gesundheitskosten über die soziale Fürsorge bis hin zu Kosten im Polizei- und Gerichtswesen. Generell verdient diese Form der Jugendarbeit nach Ansicht der GAL mehr Anerkennung.

Das bestätigen auch die beiden in Bamberg beschäftigten Streetworker, die Diplom-Sozialpädagogen Katharina Kröcker und Thomas Neubert. Sie leisten seit 2009 als Streetworker die so genannte „aufsuchende Jugendarbeit“, und zwar für das ganze Stadtgebiet. Das heißt, sie gehen auf die Jugendlichen zu, und zwar an deren Treffpunkten auf Plätzen, an Straßen, am Fluss oder wo auch immer. „Dabei ist es aber nicht unsere Aufgabe, die Jugendlichen von der Straße zu holen und irgendwo hin zu verfrachten, wo sie das Stadtbild nicht mehr stören“, betont Thomas Neubert. Vielmehr ist das Konzept der Bamberger Streetworker, den Jugendlichen zuzuhören und herauszufinden, wo ihre Probleme und wo ihre Interessen liegen. Dort können die beiden Streetworker dann im besten Falle Hilfe und Unterstützung leisten.

Diese Hilfestellungen sind vielfältig: bei Behördenbesuchen begleiten, bei Problemen mit Schulen und Eltern vermitteln, eine Suchttherapie einleiten, beim Suchen einer Ausbildungsstelle helfen, eine Unterkunft finden. Wie viele Jugendliche können so erreicht werden? „Schwer zu sagen“, meint Thomas Neubert. Er schätzt, dass zu ca. 60 Jugendlichen ein solches Vertrauensverhältnis besteht, dass sie mit ihren Problemen zu den Streetworkern kommen, um sich helfen zu lassen.

Aber nicht nur Einzelfallhilfe leistet das Streetwork-Duo. Sie bieten auch Projekte an, wie etwa Sportveranstaltungen, eine Fahrradwerkstatt oder Konzerte. „Je nachdem, wofür wir die Jugendlichen auf der Straße begeistern und aktivieren können“, berichtet Katharina Kröcker. Und je nachdem, wofür sich ehrenamtliche Helfer finden, wie beispielsweise Stefan Hecksell vom Bamberger Radladen, der regelmäßig Workshops zum Fahrrad-Reparieren im JuZ am Margaretendamm anbietet. „Davon sind die Jugendlichen echt begeistert, und wir sind sehr dankbar für dieses Angebot – einfach unbezahlbar“, sagt die Sozialpädagogin dazu.

Ein größeres Finanzbudget würde gut tun, viel wichtig wäre aber eine personelle Aufstockung, da sind sich die beiden Streetwork-Kollegen einig. Sie sind vor allem in der Innenstadt, am ZOB oder im Bahnhofsbereich unterwegs, aber für Gartenstadt und Gereuth wären dringend noch ein bis zwei Vollzeitkräfte nötig. „Wir erreichen lange nicht alle die, denen man mit dem Streetwork-Konzept weiterhelfen könnte“, sind Kröcker und Neubert überzeugt. Sie haben sich deshalb aktuell vorgenommen, mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung für Steetwork zu gewinnen. „Bamberg ist keine kleinstädtische Oase - fern von Drogen, Obdachlosigkeit und Kriminalität in der Jugendszene. All das gibt es hier genau so wie anderswo. Aber wir können dem nur dann nachhaltig begegnen, wenn Streetwork aufgestockt wird.“