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gaz-Kommentar
Von einem grünen
Umweltministerium würde man sich etwas anderes erwarten. Die
Anworten, die aus Berlin kommen – etwa auf Schreiben von
Bürgern und Bürgerinnen, auf Anfragen von seiten des Bundestags,
auf Schreiben der Bamberger MdB Ursula Sowa, auf einen Appell der
GAL-Stadtratsfraktion – lesen sich
"industriegesteuert". Umweltminister Trittin versteckt
sich hinter dem Kenntnisstand der Wissenschaft und verweist auf
noch ausstehende Forschungen. Von einem Moratorium für den
weiteren Ausbau des Mobilfunknetzes will der
Grünen-Spitzenpolitiker nichts wissen. Kein Ruhmesblatt also für
Rot-Grün!
Nun ist nicht gerade anzunehmen,
dass Trittin hinter seinem Ministeriumsschreibtisch sitzt und sich
in hämischer Schadenfreude die Hände reibt, wenn er von
Ängsten, Erkrankungen und möglichen Gefahren für die
Bevölkerung hört. Trittin sind die Hände gebunden. Als es im
Regierungskabinett schon einmal auf seine Initiative um eine
Senkung der Grenzwerte ging, hatte Bundeskanzler Schröder
kurzerhand die Kompetenz dafür vom Umwelt- auf das
Wirtschaftsministerium verlagert. Von dem industriefreundlichen
Wirtschaftsminister Clement sind aber wirtschaftsbeschränkende
Aktionen kaum zu erwarten. Schließlich besserte die Regierung
auch noch die ausgesprochen maroden Staatsfinanzen durch den
Verkauf der UMTS-Lizenzen auf. Da kann man schlecht kurz darauf
"April-April" rufen und die Realisierung der Lizenzen
durch die Betreiber stoppen. Zumal beim großen Koalitionspartner
SPD die Bedenken gegen Mobilfunk ohnehin nicht sonderlich
ausgeprägt sind. Trittin steckt also in der Koalitionsfalle, aber
das soll seinen Umgang mit dem Thema nur erklären, nicht
entschuldigen. Denn besondere Anstrengungen, aus dieser Falle
herauszukommen, legt der grüne Minister auch nicht an den Tag.
Dazu kommt: Die Mobilfunk-Lobby
ist stark. Ihre Wirtschaftskraft vor allem angesichts flauer
Konjunktur ein unentrinnbares Argument. Dass die Branche auch noch
großen Einfluss auf die Forschung in diesem Bereich hat, tut ihr
übriges. Von der Opposition ist auch nichts Industriekritisches
zu erwarten, außer ein paar Feigenblatt-Statements zur Bedienung
von Bürgerängsten. Doch wenn sich die "große Politik"
diesen Strukturen nicht entziehen kann, müssen die Bürger und
Bürgerinnen von unten Druck machen. Der Petitionsausschuss des
Bundestags beschäftigt sich derzeit mit einer ungewohnten
Vielzahl von Petitionen zum gleichen Thema Mobilfunk, die nach
inoffiziellen Informationen die 100 weit übersteigen. Die GAL
Bamberg hat beim letzten Grünen-Parteitag eine Senkung der
Grenzwerte gefordert und ist damit zwar im ersten Anlauf
gescheitert, wird aber weiter dran bleiben. Ärzte beginnen
zunehmend skeptisch zu werden und wollen mehr zum Thema wissen,
was nun dazu führt, dass im Bamberg ein Ärzte-Symposium
stattfindet.
Es scheint, dass sich Mobilfunk zu einem echten
Demokratie-Fallbeispiel entwickelt: Politik von unten nach oben.
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