GAL BAMBERG

 zum gaz-Archiv

 

 

Mit den Familien geht der Wohlstand

Eine Studie zum demographischen Wandel zeigt: Bamberg ist wirtschaftlich gut positioniert, aber die Familien ziehen weg – Hier sind dringend politische Konzepte gefragt

 

Heiligabend 2020: In Deutschland feiern die Menschen alleine in ihren Single-Wohnungen Weihnachten, viele erreichen bald das Rentenalter. Sehr leise rieselt der Schnee in die Vorgärten und Hinterhöfe. Schneemänner stehen schon lange nicht mehr darin. Es fehlen die Kinder, die sie bauen könnten.

Ein düsteres Bild, das vielen Landstrichen droht – auch Bamberg ist davon nicht ausgenommen. Zumindest, wenn man den Prognosen des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung glaubt und seiner Studie über die demografische Zukunft Deutschlands im Jahr 2020. Die Forscher untersuchten 440 deutsche Landkreise und kreisfreie Städte und kamen zu alarmierenden Ergebnissen: Die Bevölkerung in Deutschland schrumpft und altert. Der so genannte "demografische Wandel" hat längst begonnen.

Die statistische Zahl von 2,1 Kindern pro Frau wäre nötig, um den Bestand einer Bevölkerung stabil zu halten. Heute liegt dieser Wert etwa bei 1,4. In den letzten drei Jahrzehnten ist damit jede Kindergeneration um ein Drittel kleiner als die ihrer Eltern.

Szenario einer Abwärtsspirale

Für Kommunen beginnen die Herausforderungen des Wandels erst: Weniger Kinder bedeuten einen Rückgang an wirtschaftlicher Aktivität. Kinder sind auch Konsumenten und brauchen ihre eigene Infrastruktur – angefangen beim Schulbusfahrer über den Schwimmlehrer bis hin zum Eisverkäufer. Wo es keine Arbeitsplätze gibt, wo die Innenstädte zerfallen, Kneipen und Geschäfte leer stehen und Freibäder und Theater schließen, da ziehen junge Familien nicht hin. Wo aber qualifiziertes Personal und Fachkräfte fehlen und der Bildungsgrad sinkt, da investieren auch größere Industrieunternehmen nur ungern. Alles zusammen bedeutet das weniger Steuereinnahmen für die betroffenen Kommunen. Wenn aber weniger ins kommunale Geldsäckel hineinkommt, dann kann auch nur weniger herauskommen: Es wird weiter gespart, Büchereien und Jugendzentren werden dicht gemacht, Straßen und Brücken nicht repariert. Die Chance sinkt, neue Bürger und Zuwanderer anzulocken. Das Szenario einer Abwärtsspirale droht.

Die Berliner Forscher gaben Schulnoten von 1 bis 6 auf 22 verschiedene Merkmale der Städte. Auffallend ist für Bamberg, dass die Kinderzahl und der Anteil der unter 20-Jährigen in Bamberg sehr schlecht mit 6 und 5 bewertet wurden. Obwohl der Frauenanteil sehr hoch ist und mit 1 benotet wurde. Zum Vergleich: Der Landkreis Bamberg bekommt für die Kinderzahl pro Frau die Note 4 und für den Anteil der unter 20-Jährigen die Note 3. Für Familien mit Kindern scheint das Leben auf dem Land also deutlich attraktiver zu sein als in Bamberg selbst.

Schlechte Noten für Bamberg …

Auch in puncto Familienfreundlichkeit bekommt Bamberg ein mangelhaftes Zeugnis ausgestellt: Viele Single-Haushalte (Note 6) und zu wenig Kindergärten (Note 4) sind ein weiteres Indiz dafür, dass Bamberg derzeit für Familien nicht attraktiver ist. Auch weil die Zahl der über 75-Jährigen sehr hoch ist (Note 6) liegt die Vermutung nahe, dass Bambergs Bevölkerung in Zukunft schrumpfen wird.

Dem gegenüber ist bemerkenswert, dass die Berliner Studie die Zu- und Abwanderung nach Bamberg mit "gut" bewertet: denn es ziehen etwas mehr Menschen nach Bamberg zu als weg. Da Bamberg mit seiner Universität und einigen Unternehmen der IT-Branche auch einen hohen Anteil Hochqualifizierter (Note 2) vorzuweisen hat, bleibt der Eindruck: Bamberg ist Zwischenstation junger Menschen, die für Ausbildung und Studium hierher kommen. Sobald sie eine Familie gründen und Kinder haben, verlassen sie Bamberg wieder. Allenfalls als Lebensendstation wird die Bistumsstadt mit einem dichten Netz an Alters- und Pflegeeinrichtungen wieder attraktiv. Für die Zukunftsfähigkeit keine günstigen Voraussetzungen!

… aber auch gute Bewertungen

Obwohl es auch klare Lichtblicke gibt: Die allgemeinen Wirtschaftsdaten Bambergs wie Kaufkraft (Note 2) und das Bruttoinlandsprodukt (Note 1) belegen wirtschaftliche Prosperität. Das Mittelfeld erreicht Bamberg immerhin mit seiner Gestaltungsquote: Sie beschreibt das Verhältnis von Schulden und Einnahmen einer Kommune und damit den Handlungsspielraum der öffentlichen Haushalte. Hier liegt Bamberg im bayerischen Durchschnitt und bekam die Note 3.

So unerfreulich wie überall in Bayern sieht es mit der Integration von AusländerInnen aus: Die Forscher des Berlin-Instituts sehen eine gelungene Integration von AusländerInnen – gemessen an den Bildungschancen und der Arbeitslosigkeit von AusländerInnen – als ein wichtiges Kriterium für die Zukunftsfähigkeit einer Kommune: Denn AusländerInnen füllen, so die Studie, auch in Zukunft einen Teil der demografischen Lücke. In Bamberg wie in ganz Bayern wird dieses Potenzial zu wenig genutzt: Niedrige Bildungsabschlüsse (Bamberg Note 6) und eine hohe Arbeitslosigkeit (Bamberg Note 4) unter AusländerInnen sind Indizien für eine unzureichende Integrationspolitik der deutschen Mehrheitsgesellschaft.

Botschaft: Familienpolitik ist Standortpolitik

Bamberg liegt mit einer Gesamtnote von 3,68 unter dem Durchschnitt der bayerischen Städte mit 3,39. Im bayern- und bundesweiten Vergleich rangiert die Zukunftsfähigkeit der Oberfrankenmetropole damit im hinteren Mittelfeld.

Was aber sagt uns das? Man kann den Aussagegehalt einer solchen Studie in Zweifel ziehen – in die Zukunft sehen kann letztendlich niemand. Allerdings lässt das empirische Datenmaterial zu, Trends aufzuspüren. Und der Trend geht hin zu einem verstärkten Wettbewerb zwischen den Regionen: Ein Wetteifern um junge Familien, um Hochqualifizierte, um Zuwanderer mit und ohne deutschen Pass. Familienpolitik ist Standortpolitik!

Den ungünstigen Bedingungen für Familien in Bamberg stehen positive wirtschaftliche Eckdaten gegenüber. Das heißt: Aufgabe der Politik und ebenso der Unternehmen und gesellschaftlichen Akteure muss es sein, Bamberg familienfreundlicher zu machen. Instrumente dafür sind viele denkbar: Ausbau der Kinderbetreuung, günstigen Wohnraum für Familien schaffen (was nicht immer das Einfamilienhaus mit Garten und Zaun drumrum sein muss), Arbeitsbedingungen so gestalten, dass Erwerbstätigkeit und Familie keine Entweder-Oder-Entscheidung sind, eine Verkehrspolitik, die Kindern gute Luft und Raum zum Spielen lässt – dies sind nur einige Aspekte.

Aber auch ältere Menschen dürfen nicht als Last gesehen werden! Sie leisten bereits heute ein hohes unentgeltliches Engagement in Vereinen und bei der Betreuung von Enkelkindern und Angehörigen. Auch dies gilt es gesellschaftlich positiv zu nutzen und anzuerkennen.

Antrag der GAL-Fraktion

Die GAL-Fraktion hat inzwischen eine ausführliche Diskussion des demographischen Wandels im Stadtrat beantragt und positive Signale aus dem Rathaus erhalten. Die Stadt versucht, in das Bund-Länder-Programm "Stadtumbau" aufgenommen zu werden und will damit die Probleme konkret angehen.

 

(Die Studie "Deutschland 2020 – die demografische Zukunft der Nation" gibt es kostenfrei zum Herunterladen auf www.berlin-institut.org)