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In einem Boot im Haifischbecken?

Ein Interview mit der Bamberger Abgeordneten Ursula Sowa über eine halbe Legislaturperiode im Bundestag – Vom Erwartungsdruck der BürgerInnen, einem etwas schwerfälligen Koalitionspartner und vielen Ideen für eine neue Kulturpolitik

 

gaz: Sie sind jetzt zwei Jahre Mitglied im Bundestag. Wie ist es Ihnen im Haifischbecken der großen Politik inzwischen ergangen?

Ursula Sowa: Nach zwölf Jahren Oppositionspolitik im Bamberger Stadtrat, wo regelmäßig alle Anträge von uns abgelehnt wurden, ist es ein tolles Gefühl, gemeinsam mit der SPD die Mehrheit zu haben. Das war neu und ungewohnt für mich. Aber von wegen Haifischbecken. Während in den Medien oft ein harter Ton vorherrscht, geht es hinter den Kulissen sehr höflich und eher freundlich zu – das ist jedenfalls meine Erfahrung. Irgendwie spürt man sogar ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl – so nach dem Motto: Wir sitzen alle im selben Boot.

gaz: Sie sind eine Grünen-Politikerin, die man nicht dreimal die Woche bei den Tagesthemen sieht, wie etwa Renate Künast, Claudia Roth oder Christine Scheel. Wie ist es, Politik zu machen im Schatten der großen grünen Prominenz?

Ursula Sowa: Ich fühle mich als Teil des grünen Teams – halte meine Plenumsreden, bin in den Ausschüssen präsent, gebe meine Pressemitteilungen heraus wie ein alter Hase, bzw. alte Häsin. Es ist richtig, die Medien stürzen sich geradezu auf die Promis. Und bei den Pressemitteilungen ist das ähnlich: Wo ein prominenter Name als Absender drauf steht, haben die Redaktionen automatisch mehr Interesse. Andererseits macht weniger Pressewirbel auch ein Stück weit freier – man kann seiner Arbeit in Ruhe nachgehen. Man muss sich für seinen politischen Bereich einen gewissen Bekanntheitsgrad eben erst erarbeiten und Kontakte zu den entsprechenden Pressevertretern zusammensammeln. Das dauert. Gerade im Bereich Kultur, wo ich seit einem Jahr Sprecherin der Grünen in der Enquete-Kommission bin und viel Zeit investiere, bemerke ich, dass die Medien auch auf mich zukommen und meinen Standpunkt hören wollen.

gaz: Mal in die andere Richtung gefragt: Wie ist Ihr Verhältnis nach "unten", also zu den Bürgern und Bürgerinnen und zu der grünen Parteibasis?

Ursula Sowa: (lacht) Ich fühle mich eigentlich selber als Basis, obwohl ich da unter der "Glaskuppel" in Berlin sitze. Die meisten Leute sehen mich hingegen als Stellvertreterin für alles, was in Berlin geschieht und beschlossen wird, besonders für das, was sie ärgert. Da muss man ganz schön viel Kritik aushalten. Der Kontakt zu den Menschen – ob grün oder nicht grün – ist mir aber sehr wichtig und gehört auch zu meiner Arbeit. Und Kritik ist natürlich auch anregend und bringt einen weiter. Manchmal würde ich mir aber auch mehr Vertrauen in meine Arbeit wünschen. Der Erwartungsdruck kann bisweilen schon sehr belastend sein.

gaz: Welchen Erwartungsdruck meinen Sie?

Ursula Sowa: Zum Beispiel ganz einfach die Tatsache, dass ich nicht überall gleichzeitig sein kann. Immerhin bin ich für die Bezirke Ober-, Mittelfranken und Oberpfalz zuständig, weil es von dort keinen eigenen Grünen-MdB gibt. Das ist ein großes Gebiet, mit allein 100 grünen Kreis- und Ortsverbänden. Und ich werde ja nicht nur von denen eingeladen, sondern bin auch noch die Grünen-Ansprechpartnerin für alle möglichen Verbände, die Tagungen, Podiumsdiskussionen oder irgendwelche Einweihungsfeiern veranstalten. Da heißt es dann: Auswahl treffen. Mein Bamberger Kollege Silberhorn von der CSU hat es hier schon erheblich einfacher, weil er durch sein Direktmandat nur den Wahlkreis Bamberg/Forchheim betreuen muss.

gaz: Haben Sie es in den letzten zwei Jahren schon mal bereut, in den Bundestag gewählt worden zu sein?

Ursula Sowa: (nachdenklich) Hab ich es bereut? Ein paar mal – dann wenn die Bahn versagt hat, wenn ich mutterseelenallein am Bahnhof stand, müde, durstig und hungrig, und irgendwo hat man mit einem Termin oder einer Veranstaltung auf mich gewartet. Da war ich schon mal am Verzweifeln und habe mir gedacht: Was tu ich hier eigentlich? Aber irgendwie bekommt man sogar darin eine gewisse Routine.

gaz: Gab es auch schockierende Erlebnisse in den zwei Jahren Bundestagspolitik für Sie?

Ursula Sowa: Ja, der Bundestag hatte die Immunität von Möllemann aufgehoben, wegen der Ermittlungen zu den von ihm beschafften Parteispendengeldern – also auch ich habe mitgestimmt –, und nur eine Stunde später ereilte uns die Nachricht von seinem Tod.

gaz: Was war denn die schlimmste Entscheidung, die Sie als Abgeordnete der Regierungskoalition mittragen musstest?

Ursula Sowa: Das war ganz klar der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Die Entscheidung fiel ganz am Anfang, kurz nachdem ich nach Berlin gekommen war. Und schon musste ich über einen Bundeswehreinsatz entscheiden und war für das Leben der deutschen Soldaten verantwortlich. Draußen hat man zu solchen Fragen eine politische Meinung, aber drinnen, im Bundestag, muss man das mitverantworten. Die Entscheidung damals war aus meiner Sicht richtig, aber sie fiel mir sehr schwer. Ach, und noch etwas, wo ich aus ganz anderen Gründen meine Hand nur mit Mühe heben konnte: Als es um die Zustimmung für die Steinkohlesubventionen in NRW ging – und ganz klar war, dass es politisch unsinnig ist und nur darum ging, die SPD zu stärken. Das war echter Koalitionszwang.

gaz: Wie gestaltet sich denn überhaupt die Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner?

Ursula Sowa: Naja, schon ein bisschen schwerfällig, das muss man sagen. Allein schon deshalb schwieriger, weil die SPD eben eine große Volkspartei ist, mit durchaus heterogenen Interessen und auch Interessenverbänden im Hintergrund. Ich merke das z.B. in der Kultur-Enquete-Kommission, wenn etwa bei einem Positionspapier ein SPD-Kollege meint, man müsse die Interessen des Handwerks noch verankern. Da ist dann viel Geduld und Diplomatie gefragt. Aber ich denke, das ist eine meiner Stärken in der Politik.

gaz: Ihr wichtigster Schwerpunkt ist die Kultur. Wie geht’s da voran?

Ursula Sowa: Es war schon ein großer persönlicher Erfolg, dass die Enquete-Kommission "Zukunft der Kultur in Deutschland" eingerichtet und ich von meiner Fraktion als Sprecherin benannt wurde. Die Arbeit in der Kommission geht tatsächlich noch recht unbeachtet von der Öffentlichkeit vonstatten, dafür aber umso effektiver. Um vielleicht ein paar Beispiele zu nennen: Wir streben einen Nationalen Aktionsplan für Kultur in Deutschland an, der klare Zielsetzungen für die weitere Entwicklung setzt. In Schottland hat man sich z.B. vorgenommen, in den nächsten Jahren 5% mehr Menschen aus bildungsfernen Schichten mit öffentlichen Kultureinrichtungen zu erreichen. Etwas Ähnliches schwebt mir für Deutschland auch vor. Eine andere Idee, die mir sehr gefällt, ist eine Interrail-Karte (ich nenne sie mal "culture plus"), die Jugendlichen europaweit freien Zugang zu allen Kultureinrichtungen ermöglicht.

Einer meiner persönlichen Schwerpunkte sind die 30 Weltkulturerbestätten, die es in Deutschland gibt – hier spielt Bamberg für mich natürlich eine große Rolle. Mein Ziel ist ein größeres und vor allem systematischeres finanzielles Engagement des Bundes, ein eigener Haushaltstitel also. Außerdem leite ich eine von drei Arbeitsgruppen der Kommission, die sich mit der sozialen Lage der KünstlerInnen beschäftigt.


Ursula Sowa auch im Wahlkreis aktiv: Hier beim Treibhausgespräch mit VertreterInnen der Bamberger Gärtnerschaft. (Foto: Judith Siedersberger)

 

Mehr Infos über die politischen Aktivitäten von Ursula Sowa: www.ursula-sowa.de
Dort zu bestellen: der zwei-monatliche Info-Brief: SOWA-TICKER.

 

 

 

 

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