GAL BAMBERG

 zum gaz-Archiv

 

 

Durchblick nach Berlin

Weiterbildung im Strafvollzug

von MdB Ursula Sowa

 

Wie ich bei meinen zahlreichen Gefängnisbesuchen in Bayern und Berlin erfahren habe, ist eines der zentralen Probleme im Strafvollzug das geringe Bildungsniveau der meisten Strafgefangenen. Es hat direkte Konsequenzen für die Beschäftigungschancen der entlassenen Gefangenen. Sie haben unter dem Stigma der Gefängnisstrafe zu leiden. Je geringer qualifiziert sie sind, desto schwieriger ist es allerdings zusätzlich für sie, im ohnehin problematischen Arbeitsmarkt für nicht oder kaum qualifizierte Arbeitskräfte Fuß zu fassen. Damit ist die Gefahr von kriminellen "Rückfällen" deutlich erhöht.

Im Umkehrschluss heißt das: Eine der wichtigsten Maßnahmen, um die Wiedereingliederung von Strafgefangenen und ein künftiges straffreies Leben "draußen" zu erleichtern, ist die Qualifizierung der Strafgefangenen während der Haft. Die Möglichkeit, Schulabschlüsse nachzuholen oder gar erst Rechnen, Schreiben und Lesen zu lernen ist ebenso wichtig wie die Möglichkeit, eine Berufsausbildung abzuschließen oder sich in Kursen beruflich weiterzubilden. Eines meiner politischen Ziele ist es, mich für die Qualifizierungschancen von Strafgefangenen und damit für einen wichtigen Bestandteil der Resozialisierungsarbeit im Strafvollzug einzusetzen.

Im Zuge der – nicht zuletzt auf politischen Druck hin erfolgten – Umstrukturierung der "Bundesagentur für Arbeit" wurde seit dem letzten Jahr bei der Weiterbildungsförderung massiv gekürzt. Betroffen sind davon alle Arbeitslosen: Anspruch auf einen "Bildungsgutschein" hat nur noch derjenige, bei dem eine "realistische Chance" auf Beendigung der Arbeitslosigkeit durch die Weiterbildung besteht. Durch eine interne Vorgabe des Vorstands der Bundesagentur für das Jahr 2004 wurde bestimmt, dass nur noch Maßnahmen gefördert werden, bei denen nach einem halben Jahr 70 Prozent der AbsolventInnen in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden können. Wie man sich unschwer vorstellen kann, ist dieses Kriterium für Strafgefangene praktisch nicht zu erfüllen.

Um besser beurteilen zu können, welche Auswirkungen die geänderte Förderpraxis der Bundesagentur im Strafvollzug konkret hat, habe ich mich von den Landesjustizbehörden in Bayern und Berlin informieren lassen. Anstalten, in denen längere Haftstrafen vollzogen werden berichten von erheblichen Einbrüchen vor allem bei den berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und von Problemen für "Langstrafer", da diese nur mehr gegen Ende ihrer Haftzeit für Qualifizierungsmaßnahmen in Frage kämen.

Ich habe mich in Schreiben mehrmals an Florian Gerster und seinen Nachfolger, Frank-Jürgen Weise, gewandt und auf dieses Problem aufmerksam gemacht. Während bei Florian Gerster überhaupt kein Entgegenkommen festzustellen war, zeigt Herr Weise immerhin Gesprächsbereitschaft: Ich werde mich im Februar nächsten Jahres mit ihm und seinem Fachreferenten in Berlin treffen und die Weiterbildungschancen von Strafgefangenen nochmals zum Thema machen.

 

 

 


MdB Ursula Sowa