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Gastkommentar

von Bernd Franze

 

Missachtetes Recht und missbrauchte Religion

"Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. Immer ist er eine Niederlage der Menschheit. […] wir sehen keine ethische oder völkerrechtliche Rechtfertigung für ihn." Diese scharfen Formulierungen fanden sich in einer gemeinsamen Erklärung u.a. von Kardinal Lehmann und dem EKD-Präses Kock vom 20.3.2003, sie konkretisierten das imposante "Nein zum Krieg" des Papstes. Zweifellos wollten diese Stellungnahmen deutlich machen, dass es in der Politik stets auch verbindliche Verhaltensgrundsätze zu respektieren gilt. Ihre Relativierung ist nur um den Preis eines zynischen Pragmatismus zu haben, der auch für die transatlantischen Exportperspektiven der deutschen Autoindustrie stillhält.

Auf den ersten Blick war es daher unverständlich, dass ausgerechnet die Pastorentochter Angela Merkel keine Lächerlichkeit scheute, um den Krieg des US-Präsidenten schönzureden. Von einem theologisch verantwortlichen Glaubensverständnis her erschien es wie indiskutables, ja blasphemisches Sadduzäertum: Einst hatte sich ja diese religiöse Macht- und Geldelite Jerusalems an die imperiale Militärmaschine Roms angebiedert.

Bei genauerem Zusehen kommt jedoch ein Moment der Ideologisierung von Religion hinzu, wie man sie bei anderer Gelegenheit Muslimen gerne vorwirft. Der Weltkirchenrat hatte Bush den "Missbrauch religiöser Sprache" vorgeworfen und eine wachsende Tendenz, "sich auf eine religiöse, ja sogar göttliche Legitimation für seine Absicht zu berufen, den Irak mit Gewalt zu entwaffnen". Heiner Geißler hatte ihn als "christlichen Ayatollah" apostrophiert. Die gesamte Führungsriege der Union focht das nicht an: Schäuble, ZdK-Vize Annette Schavan, Glos, Goppel, den Ex-CVJM-Aktivisten Günther Beckstein, Pastor Hinze und natürlich den apokalyptisch orakelnden Friedbert Pflüger.

"Es gibt in der Politik keine objektiven, sondern immer nur definierte, also bearbeitete Bedrohungsanalysen", schreibt der Politologe Ernst-Otto Czempiel. Folglich suggeriert man den christlich-abendländischen Kaninchen, immer nur auf die islamistische Schlange zu starren, die gestern eine afghanische war und morgen eine iranische sein kann. Akademische Fußnoten wie der säkulare Charakter von Saddams arabischem Nationalismus waren kein Problem mehr, sobald man einen Außenminister gefunden hatte, der vor dem Sicherheitsrat ein paar schreckliche Massenvernichtungswaffen und Al-Kaida-Verbindungen zusammenlog. So ließ man sich in diesen fundamentalistischen Wahrnehmungstunnel schicken. Ein besonders drastischer Fall war die Aufschrift "The allmighty", immerhin einer der 99 schönen Namen Allahs, auf einer amerikanischen Panzerkanone. Wer in solch Orwell’scher Okkupation von Sprache der Abfeuerung des todbringenden Geschützes auf irakische Muslime höhere Weihen verleiht, kann als Hoherpriester der Gewalt mindestens christlich-soziale Freundschaft und Treue erwarten, vielleicht sogar ein paar religiöse Gefühlsschauer.

 

 

 

 


Bernd Franze, Germanist und Theologe, arbeitet als Studienrat an einem Bamberger Gymnasium und engagiert sich bei den “Bamberger BŸrgern fŸr den Frieden“