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In der Klemme zwischen alten Aversionen und guten Argumenten

Hü oder Hott? Bayern hat in Sachen Ganztagsschule kein Konzept und zeigt sich orientierungslos

Der Bund ist hoch verschuldet, alle Ausgaben müssen gut abgewogen werden, und die Politik muss Prioritäten setzen. Mit der Auflage des Investitionsprogramms “Bildung und Betreuung“ hat die rot-grüne Bundesregierung eine solche Priorität gesetzt: 10.000 Ganztagsschulen sollen in den Jahren 2003 bis 2007 mit Hilfe von Bundesmitteln eingerichtet werden. Aber das konservative Bayern, das in Sachen Ganztagsschule ohnehin Schlusslicht in Deutschland ist, sträubt sich.

 


Die Luitpoldschule bietet die bislang einzige Ganztagsklasse in der Schulstadt Bamberg - und sogar das steht bayernweit noch an der Spitze des Fortschritts.

 

Mit dem Investitionsprogramm will Rot-Grün das Land kinder- und familienfreundlicher machen, Müttern und Vätern bessere Berufschancen ermöglichen und neue Lernformen fördern. Damit zieht die Bundesregierung auch Konsequenzen aus dem schlechten Abschneiden der Bundesrepublik bei PISA, dem Internationalen Leistungsvergleich von SchülerInnen. Die meisten der besonders erfolgreichen Länder, z.B. Finnland, Australien und Japan, haben bereits Ganztagsschulsysteme – offenbar mit Erfolg.

PISA deutet auch darauf hin, dass die Leistung in der Schule bei uns stark von der sozialen Herkunft abhängt. Ganztagsschulen können solche sozialen Barrieren abbauen, nicht nur zwischen Reich und Arm, auch zwischen deutschen und ausländischen Kindern. "Kindern aus bildungsfernen Familien mehr Zeit im anregungsreichen Kontext einer Ganztagsschule zu bieten", lautet der etwas bürokratisch formulierte löbliche Grundsatz.

Fördern will der Bund ebenso offene Angebote (Teilnahme freiwillig, pädagogisches Angebot, aber kein Pflichtunterricht) wie gebundene Angebote (Teilnahme verpflichtend, Regelunterricht am Nachmittag).

Dass der Bedarf für mehr Schule am Nachmittag da ist, zeigt auch eine Umfrage von infratest dimap im März 2001. Demzufolge wünschen sich ca. 86% der Eltern in Bayern, dass an den Schulen mehr Betreuungsangebote bereit gestellt werden.

4 Mrd Euro in vier Jahren

Ein Engagement des Bundes in Sachen Schulpolitik ist äußerst ungewöhnlich – denn zuständig sind eigentlich die Bundesländer, die auch entsprechend skeptisch jeden beargwöhnen, der sich in ihre Kompetenzen einmischt.

Mit den Zuschüssen in Höhe von insgesamt 4 Mrd Euro in vier Jahren hofft die Bundesregierung jedoch, deutschlandweit die Ganztagsschule anschieben zu können. Fördermittel gibt es für die investiven Kosten, das heißt z.B. dort wo Schulen für einen Ganztagsbetrieb ausgebaut werden (Kücheneinrichtung, Anbau, Ausstattung etc.). Hier übernimmt der Bund 90% der Kosten, den Ländern fallen die restlichen 10% zu. Daneben haben die Länder allerdings noch die zusätzlichen Personalkosten zu tragen.

Der Freistaat Bayern soll rund 600 Mio Euro bekommen. Aber die Begeisterung hierzulande hält sich in Grenzen. Angeführt von zwei bayerischen Abgeordneten startete die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gleich im Mai 2003 eine "kleine Anfrage" an die Bundesregierung. Darin hieß es u.a.: "Auf welche Kompetenznorm des Grundgesetzes stützt Bundeskanzler Gerhard Schröder die Ankündigung, bis 2007 u.a. 10.000 Ganztagesschulen zu finanzieren?" Will heißen, man verwahrt sich gegen jegliche Einmischung in Länderangelegenheiten, auch wenn‘s ein gutes Geld-angebot ist.

Bayern machte auch gleich klar, dass das Land den 10%-Anteil des Investitionsprogramms nicht übernehmen wird, sondern die finanzgebeutelten Kommunen oder privaten Schulträger dafür aufkommen müssen. Und was die Kosten für zusätzliches Personal am Nachmitttag angeht, hat die bayerische Staatsregierung bisher auch nicht eben mit dem Füllhorn geschwenkt.

Ganz anders zum Beispiel Hessen. Nach Auskünften des deutschen Ganztagsschulverbands wurden dort bis Mitte Juni im Rahmen des Bundesprogramms bereits 65 Anträge auf neue Ganztagsschulen bzw. den Ausbau bestehender Schulen gestellt und genehmigt.

Bayern ist Schlusslicht

Was Ganztagsschulen angeht, ist Bayern ohnehin Schlusslicht. Laut Aufstellung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder hat Bayern, gemessen an der Bevölkerungszahl, die schlechteste Bilanz aller Bundesländer: nur 23 Ganztagsschulen gibt es hier im laufenden Schuljahr. Davon übrigens eine in Bamberg: an der Luitpoldschule wurde 2002/2003 erstmals eine fünfte Klasse in Ganztagsversion eingerichtet. Demgegenüber hält Nordrhein-Westfalen 635 Ganztagsschulen vor, Baden-Württemberg 390, und sogar der Stadtstaat Hamburg übertrifft mit 49 noch das bayerische Angebot.

Umso verblüffter ist man, wenn man sich auf den Internetseiten der bayerischen Schulministerin Monika Hohlmeier über Ganztagsschulen informiert. Was dort als offizieller Standpunkt des Ministeriums zu lesen ist, liegt meilenweit entfernt von der bayerischen Realität: "Die Ganztagsschule ist bildungspolitisch begründet. Sie soll besondere Bildungsangebote unterbreiten. Die zusätzlichen unterrichtlichen Angebote und Fördermaßnahmen beinhalten z. B. mehr Unterrichtsstunden in Deutsch und Mathematik, Hausaufgabenhilfen, mehr Zeit für interkulturelles Lernen, spezielles Sozial- und Kommunikationstraining sowie mehr Lernzeit für Schülerinnen und Schüler mit hohen Lerndefiziten. Ganztagsschulen können jedoch auch eingerichtet werden, um z. B. besonders begabte Schülerinnen und Schüler, talentierte Sportler etc. speziell zu fördern."

Eigentlich müsste Frau Hohlmeier doch vom rot-grünen Investitionsprogramm hellauf begeistert sein, oder? Na, also! Dann mal zu!

 

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