Die Schule ist kein reines
Vergnügen, besonders wenn die bayerische Schulreform droht.
Eine Schulreform nach der anderen "beglückt" die Bamberger
Schullandschaft. Doch was die Schreibtische des Kultusminiseriums verlässt, ist oftmals
unausgegoren und kurzsichtig: sechsstufige Realschule, verlässliche Halbtagsschule,
Praxis-Klassen. Die Stadt dagegen legt - mangels Zuständigkeit - die Hände in den Schoß
und versäumt es, die berechtigten Interessen von Kindern, Eltern und Schulen ausreichend
zu unterstützen
R 6: gesteigerter Leistungsdruck
Vergleicht man das Selbstbild deutscher und dänischer SchülerInnen, so
lässt sich bei deutschen Kindern ein Einbruch im Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten in
der 4. Klasse feststellen, der bei den dänischen Kindern, die keine Übertrittsauslese
kennen, nicht vorhanden ist. Durch die Einführung der sechsstufigen Realschule wird
dieser Druck noch verstärkt. Nach einer Untersuchung aus dem Jahr 1997/98 nehmen
Schulunlust, Konkurrenzverhalten und Leistungsdruck bei GrundschülerInnen in Gegenden zu,
in denen bereits die sechsstufige Realschule eingeführt wurde.
Unter diesem Gesichtspunkt ist die Entscheidung des Stadtrats im Schuljahr
2000/2001 an der Graf-Stauffenberg-Schule die R6 einzuführen, in Frage zu stellen: Sind
die 600.000 DM Personalmehrkosten, die die Stadt dafür zu
tragen hat, sinnvoll eingesetzt?
Das Volksbegehren "Das bessere Schulkonzept" fordert dagegen
eine Schulreform, die den "Auslesestress" verringern soll:
Die Kinder können nach der 4. Klasse in das Gymnasium oder in eine
gemeinsame Aufbaustufe gehen. Danach haben sie eine zweite Chance, aufs Gymnasium zu
wechseln, die Möglichkeit, auf die Realschule zu gehen oder die Hauptschule zu besuchen.
Die wohnortnahe Hauptschule soll zur Haupt- und Mittelschule ausgebaut
werden, an der auch der Realschulabschluss erworben werden kann.
Die Eltern entscheiden nach eingehender Beratung mit den LehrerInnen in
eigener Verantwortung über die Schullaufbahn ihrer Kinder.
Halbtagsgrundschule: lähmendes Behördengerangel
Ein weiterer schulpolitischer Schnellschuss der bayerischen
Staatsregierung war die Einführung der kind- und familiengerechten Halbtagsgrundschule.
Was sich auf den ersten Blick vielversprechend ausmachten - eine durchgehende Betreuung
der Grundschulkinder von 7 bis 13 bzw. 14 Uhr -, geriet in der Realität zum
Verantwortungswirrwarr und Behördenklinch. Das Kultusministerium schlug u.a. die
Mittagsbetreuung in den Kindergärten vor, das Sozialministerium lehnte es hingegen ab,
Grundschulkinder auf noch freien Kindergartenplätzen aufzunehmen oder Räume und Personal
zur Verfügung zu stellen. Die Schulen konnten Raum- und Personalbedarf ebenso wenig
decken, und die Eltern waren verständlicherweise auch nicht davon begeistert, die von
oben verordnete Betreuungspflicht nun doch wieder eigenorganisatorisch zu schultern.
Ebenso wenig wie die Organisation war auch die Finanzierung geregelt, bis
auf magere Zuschüsse versprach die Münchner Ministerin Monika Hohlmeier nichts. Die
Stadt fühlte sich schon gar nicht zuständig, was Finanzreferent Heinz Faust deutlich
machte: "Das ist ein staatliches Problem - da sind wir bockbeinig..." Damit
hatte Faust zwar im Prinzip Recht, den Familien hilft solches Zuständigkeitsgezanke
jedoch kaum weiter.
Die Stadt Bamberg machte in dem ganzen Chaos keine gute Figur: Eigentlich am
direktesten mit den Problemen konfrontiert hätte die Stadtverwaltung die Partei der
Kinder, Eltern und Schulen ergreifen müssen und gegenüber dem Freistaat eine ordentliche
Finanzierung und Organisation einfordern müssen. Stattdessen wies man gerne die
Verantwortung weit von sich und war möglichst darauf bedacht, sich mit dem leidigen Thema
erst gar nicht befassen zu müssen.
Praxis-Klassen: verspielte Chancen
Unausgereift war auch die Einführung von so genannten Praxis-Klassen mit
dem Schuljahr 1999/2000. Der Grundgedanke, Jungen und Mädchen mit schlechten Aussichten
auf den normalen Hauptschulabschluss, über eine mehr praxisbezogene Schulausbildung
besonders zu fördern, ist ja ansprechend. Auf Skepsis stößt allerdings die Ausführung,
die diese Jungen und Mädchen in extra "P-Klassen" zusammenfasst, also eine
deutliche Ausgrenzung vornimmt. Immerhin - es wäre ein Anfang gewesen, neue Chancen für
die Zukunft dieser Jugendlichen zu finden. Aber nicht einmal eine einzige Praxis-Klasse
kam in Bamberg zustande. Und wieder das gleiche Spiel: Zum einen unausgegorene Vorgaben
aus München - zum anderen allenfalls halbherziges Engagement bei der Stadt. Auf der
Strecke bleiben wieder die Jugendlichen.
Gelungenes Beispiel für die Schule als Lebensraum: Bei der Neugestaltung des
Schulhofes der Gangolfschule wurden Kinder und Eltern miteinbezogen. Gemeinsam mit dem
Baumobil (ein Zusammenschluss aus Spielmobil, Gartenamt und Lebenshilfe) entwarfen und
bauten Kinder und Eltern ihren "Spielhof" und bekamen sogar eine in Bamberg noch
einzigartige Wippe.
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