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Ursula Sowa
Frank U. Frei besuchte die OB-Kandidatin Ursula Sowa
- Ein Portrait
Wir schreiben das Jahr 2020. Oberbürgermeisterin Ursula Sowa, vor zwei
Jahren zum dritten Mal wiedergewählt, legt ihr Amt nieder. Mit 63 Jahren, sagt Sowa vor
dem Stadtrat, sei es an der Zeit, die Verantwortung an eine Jüngere zu übergeben. Ihr
Haus, die Stadt Bamberg, habe sie gut bestellt, ihrer Nachfolgerin könne sie ein
tragfähiges Fundament hinterlassen, gemäß ihrem bei der Wahl 2000 geäußerten
Leitbild, der "nachhaltigen Entwicklung". Die Architektin auf dem OB-Sessel
erhält Beifall von allen Seiten des Hauses.
Eine Spinnerei. Oder etwa doch nicht? Wenn Ursula Sowa demnächst am
Maxplatz den Stuhl Luitpold Weegmanns und Theodor Mathieus einnimmt - wie sieht Bamberg
dann aus in 20 Jahren? Die Kandidatin lacht kurz auf, besinnt sich aber gleich wieder,
scheint den Gedanken als gar nicht so abwegig zu empfinden. Sie lehnt sich zurück und
blickt scheinbar in die Ferne, ins Jahr 2020. Sie sieht: "Bamberg ist eine grüne
Stadt, nach wie vor." Eine Stadt mit ausreichend Arbeitsplätzen, einer vielfältigen
Kulturszene und einer "guten Atmosphäre für kreative Menschen".
Bambergerin mit dem Herzen
"Mich fasziniert diese Stadt immer noch", sagt sie, die in
Würzburg geboren wurde. Bamberger Blut hat sie durch beide Großelternlinien mit auf den
Weg bekommen. In den Schatten des Kaiserdoms zurückgekehrt sind ihre Eltern, als Uschi
Knauer in die Oberstufe des Gymnasiums kam. Schnell wurde sie zur Bambergerin mit dem
Herzen. Nach über einem Vierteljahrhundert - die Stadt hat ihr Gesicht geliftet, hat hier
und da an Charakter verloren, an anderen Stellen ihr Profil geschärft - urteilt Ursula
Sowa ohne Spur des Zweifels in der Stimme: "Die Schönheit ist immer noch da."
Die Schönheit Bambergs das ist das Geheimnis dieser einzigartigen
Mischung aus Alt und Neu, aus radikaler Modernität und konservierender Modernisierung,
aus rückwärts gewandtem Fort-Schritt und der unbeantworteten Frage nach der Zukunft.
Ursula Sowa legt ein Holzscheit nach in ihrem Schwedenofen. Das Gerät ist neu. Es heizt
den eben fertig gestellten, von ihr selbst geplanten Anbau an das von den Großeltern
geerbte Haus. Mehrmals täglich überschreitet sie hier buchstäblich die Schwelle von Alt
zu Neu und zurück. Sie lebt dieses Spannungsfeld.
Auch beruflich: hier baut sie ein ultramodernes Niedrigenergie-Haus
("Wenn schon neu, dann radikal"), dort plant sie die Sanierung uralter
Bausubstanz. Ökologie und Ästhetik haben für die Anhängerin italienischen Designs
denselben Rang: "Es ist mein Ehrgeiz, beides auszubalancieren", sagt Ursula
Sowa. Das Wort von der "nachhaltigen Stadtentwicklung", in gefälligen
Sonntagsreden schon beinahe bis zur Konturenlosigkeit malträtiert, findet in Sowas
Gedankengebäude noch Platz zur Entfaltung: mehr umweltfreundliche Arbeitsplätze - aber
nur solche mit Zukunft; Flächen fürs Gewerbe mobilisieren, nötige Umwelteingriffe aber
angemessen ausgleichen; alte Stadtviertel in ihrer Eigenart sanieren, aber nicht zum
Selbstzweck sondern zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger, die auch Neues schaffen
wollen: "Das Vorhandene qualitätvoll erhalten und weiter anbieten, das Innovative
fördern."
Öffnungen sehen, nicht die Mauern
Eine Frau auf dem Weg. Vor zehn Jahren wurde Ursula Sowa von der GAL
angesprochen: Ob sie nicht Lust hätte, auf der grün-alternativen Liste für den Stadtrat
zu kandidieren "schwupp war ich drin". Die Lust ist ihr bis heute nicht
vergangen. Im Gegenteil: "Ich sehe Öffnungen, nicht nur Mauern." Lamentieren
ist ihre Sache nicht. Die optimistische Grundeinstellung ist Sowa trotz mancher
Enttäuschung nicht abhanden gekommen, sie hat sich weiterentwickelt und "gelernt,
offener zu werden für die Ideen anderer." Kein zweites Mal würde es ihr passieren,
sagt sie, dass sie wie 1994 aus einer Fundamentalposition im Verein mit der CSU ein nicht
ganz optimales Verkehrskonzept ablehnt und so bewirkt, dass die Stadt nun überhaupt
keines hat.
In Bamberg ist es nicht verkehrt, ein Credo zu haben. Das von Ursula Sowa
lautet so: "Ich glaube, es ist erträglicher, in dieser Stadt zu leben, wenn man sich
beteiligt, als wenn man diesen politisch Verantwortlichen ausgeliefert ist." Es habe
sie schon immer interessiert, "wie es zu Entscheidungen kommt". Visionen
durchzusetzen, "auch persönliche", erscheint ihr wichtiger als mächtige Posten
innezuhaben. Im Bausenat und im Senat für Schul- und Kulturangelegenheiten hat sie nur
eine Stimme, aber die gewinnt zunehmend an Gewicht. Und wenn sie nicht auch schon
"Erfolge in der Opposition" gehabt hätte, "wäre ich nicht mehr
dabei."
Stadträtin, Architektin, Mutter
Als Schülersprecherin des Eichendorff-Gymnasiums machte sie ihre ersten
politischen Erfahrungen. Nach dem Abitur folgte, was sie ihre
"Selbstfindungsphase" nennt: Studium der Architektur an der Berliner Hochschule
der Künste, Heirat mit dem Kunsterzieher Hubert Sowa, zwei Kinder. Das dritte Kind,
Gereon, kommt 1990 auf die Welt: Ursula Sowa ist gerade frisch in den Stadtrat gewählt.
Aus der Traum?
Mitnichten: "Ich bin eine Realistin mit Träumen, die ich
verwirklichen will." Gereon hat so manche "ernsthafte" Sitzung bereichert,
ist mit der Politik aufgewachsen. Mutter Sowa lacht heute noch bei der Erinnerung an eine
Zusammenkunft der Konzerthallen-Kommission: "Gereon konnte gerade krabbeln und wollte
immer das Modell sehen." Der OB hieß damals Paul Röhner, und der wurde in solchen
Momenten manchmal ganz schön nervös. Lokalpolitik und Kinder, meint die Kandidatin mit
Blick auf ihren Wahlkampf, "gehören zusammen". Als OB würde sie sich dafür
einsetzen, dass die in der Innenstadt Beschäftigten eine Betreuungsmöglichkeit für ihre
Kinder erhalten.
Die Politik ist beileibe nicht die größte Leidenschaft der
grün-alternativen OB-Kandidatin. Ihr ein und alles, das sagt sie sehr bestimmt, ist die
Architektur. Doch diese Herzensangelegenheit scheint bisher zu kurz gekommen zu sein.
Zuerst widmete sie sich den Kindern, dann auch noch dem politischen Engagement - und jetzt
das Amt der Oberbürgermeisterin?
Managerin im Rathaus
Ursula Sowa würde dafür ihre Vorbereitungen für das eigene
Architekturbüro noch einmal unterbrechen. Denn wenn sie etwas anpackt, "dann voll
und ganz". Süchtig machen lassen will sie sich von der Politik nicht: "Ich
könnte meinen Ehrgeiz auch in anderen Bereichen befriedigen." Aber das Amt der
Managerin im Rathaus traut sie sich durchaus zu: "Drei Kinder groß zu ziehen",
lacht sie, wie nur eine Mutter lachen kann, "das ist eine gute Schulung". In den
ersten drei Monaten am Maxplatz, darauf können sich die städtischen Mitarbeiter schon
mal einstellen, "würde ich erst mal reinen Tisch machen". Und dann die Arbeit
aufteilen, getreu dem Motto: Motivation durch Selbstverantwortung. "Eine
Managerin", sagt Sowa, "muss abgeben können, dabei aber die Fäden in der Hand
behalten". Es scheint, als hätte sie sich schon "voll und ganz" auf ihre
neue Aufgabe eingestellt.
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