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Wünsch dir was!
oder Finanzpolitik im Bamberger Rathaus

Neues Hallenbad, Landesgartenschau, neue Brücken, Parkleitsystem … – Die Wunschliste des Stadtrats ist ebenso lang wie die Finanzierung der Projekte vage

 

Wir wissen zwar nicht, wieviele Bamberger Stadtratsmitglieder die in den 70er Jahren sehr beliebte Unterhaltungssendung "Wünsch’ dir was!" gesehen haben. (Dem Durchschnittsalter im Rat nach zu schließen: viele) Und wahrscheinlich hat sich noch kaum jemand aus dem Stadtrat mit Ernst Blochs "Das Prinzip Hoffnung" befasst. Dennoch: "Wünsch dir was" und das "Prinzip Hoffnung" scheinen die magischen Worte zu sein, die die Bamberger Finanzpolitik prägen – und das schon seit Jahren.

(Die GAL hat die Wünsche des Stadtrats mal aufgelistet: hier)

Man kann es ja verstehen: Die Wunschliste auch der BürgerInnen ist lang. Und als guter Stadtrat hat man zuvörderst im Sinne, diese Wünsche zu erfüllen. Man will ja auch wiedergewählt werden.

Auf der anderen Seite: Die knappe Kassenlage Bambergs ist nicht nur im Rathaus bekannt. Und spätestens nach seinen ersten Haushaltsberatungen müsste jedes Ratsmitglied wissen: Wundertüten sind was für Kinder, nicht aber für die kommunale Finanzpolitik. Doch allzu lange haben die daraus resultierenden guten (Spar-)Vorsätze nie gehalten. Je näher ein Wahltermin rückt, desto stärker setzt sich das "Wünsch dir was!"-Motto durch.

So ist es auch in diesem Jahr – steht doch die OB-Wahl unmittelbar vor der Tür. Ein neues Hallenbad braucht Bamberg – unbedingt. Die Kronacher Straße muss gebaut werden – endlich. Und Bamberg ohne Landesgartenschau – undenkbar. Dass – ganz nebenbei, versteht sich – die Bamberger Brücken kostspieligst saniert werden müssen, der Maxplatz nach wie vor seiner endgültigen Sanierung harrt und der Fußgängertunnel unter dem Bahnhof eigentlich seit Jahren fertig sein müsste – wer wollte das ernsthaft leugnen. Die Wunschliste (siehe unten!) ist also lang und wird immer länger.

Da will der frischgebackene OB-Kandidat der SPD nicht nachstehen: Ein neues Rathaus muss her, koste es was es wolle. Schlappe 10 bis 20 Millionen Euro – und das bloß für den Kauf des Sparkassengebäudes am Schönleinsplatz, von den notwendigen Umbaumaßnahmen war noch nicht mal die Rede … – müssen da doch drin sein, oder?

Hier endlich kommt das "Prinzip Hoffnung" ins Spiel. "Irgendwie" – so das allgemeine Credo – kriegen wir das schon hin, Staatszuschüsse könnten vielleicht fließen, oder die Gewerbesteuer fällt doch mal wieder unerwartet hoch aus. Das geht dann so lange gut, bis die Bezirksregierung in Bayreuth ein lautes "Veto" ruft und den Bamberger Haushalt nicht genehmigt.

Was tun in einer solch verfahrenen Situation? Die Sünden der Vergangenheit lasten schwer auf den städtischen Kassen. Zum Beispiel: Der Bau der Konzert- und Kongresshalle hat sich – wie erwartet – als Fass ohne Boden erwiesen. Und die Luxussanierung des Theaters erzeugt Folgekosten noch und nöcher. Die Dauermelkkuh Stadtwerke mit ihren Gewinnen wird nicht noch stärker belastet werden können, ohne selbst Schaden zu nehmen.

Für einen verantwortungsvollen Stadtrat müsste das eigentlich bedeuten: Nicht Wünsche wecken und unehrliche Versprechungen machen, sondern sorgsam mit den vorhandenen Mitteln umgehen. Weder ein neues Hallenbad noch gar ein "Technisches Rathaus" am Schönleins-platz sind auch nur annähernd realisierbar. Die Landesgartenschau kann es – wenn überhaupt – nur in einer Ökosparvariante mit viel Eigenbeteiligung der BürgerInnen geben. Bei den Brückensanierungen müssen alle Sonderwünsche hintangestellt und Zeitpläne so weit wie möglich gestreckt werden.

Und: Bei allen Maßnahmen, die Geld kosten, ist auf ihre "Rentierlichkeit" zu achten. Rentierlich sind z.B. alle Planungen im Rahmen der Städtebauförderung oder Förderprogramme wie "Soziale Stadt". Denn jeder Euro, der hier ausgegeben wird, regt private Investitionen in mehrfacher Höhe an.

Und schließlich gilt auch: Gute Politik muss nicht immer die teuerste sein. Zum Beispiel: Ein ökologisch verträgliches Verkehrskonzept lässt sich ohne Millionen-Investitionen umsetzen, ein kostenträchtiges dynamisches Parkleitsystem kann man sich so sparen. Oder allgemeiner gesagt: Wenn das Geld an allen Ecken und Enden fehlt, dann ist um so mehr Phantasie und Ideenreichtum gefragt – bei Planungen, der Verwaltung, den Stadtratsmitgliedern und auch bei den BürgerInnen.

 

 

Wahnsinn mit System

Die Finanzpolitik in Bamberg ist zwar Wahnsinn, sie hat aber zumindest "System". Und das System funktioniert so:

Wenn’s ums Geld geht, reden viele mit. Die Fachreferate stellen jedes Jahr Wunschlisten auf, die man hierzulande "Mittelanforderungen" für den nächsten Haushalt nennt. Die jeweiligen Fachausschüsse des Stadtrats (Senate) "beschließen" diese Wunschlisten meist unverändert – denn sie müssen sich um das notwendige Geld keine Sorgen machen. "Kassenwirksame" Entscheidungen kann erst der Finanzsenat treffen. Da sitzen zwar großteils dieselben Leute wie in den Fachausschüssen. Doch jetzt sind sie plötzlich nicht mehr "Fach"politikerInnen, sondern Finanzfachleute mit Rotstifterfahrung.

Dabei ist aber nicht jedem Referat genau ein Senat zugeordnet, sondern die Zuständigkeiten überschneiden sich, und es gibt noch weitere Gremien, die Empfehlungen für Investitionen aussprechen. Kein Wunder also, dass der Stadtrat im fröhlichen Durcheinander munter Investionsbeschlüsse ansammelt, die mit Finanzierbarkeit nichts zu tun haben.

Andere Städte, andere Sitten: Es gilt mittlerweile als "Stand der Technik", dass einer Verwaltungseinheit, also einem Referat beispielsweise, lediglich ein Beschlussorgan auf Seiten des Stadtrats gegenübersteht. Und dieser Ausschuss oder dieser Senat hat nicht nur die fachliche, sondern auch die finanzielle Zuständigkeit (einschließlich des Personals!). Er verfügt über ein festes Budget, das ihm vorab – per "Eckwertebeschluss des Stadtrats" – zur Verfügung gestellt wird. Der jeweilige Ausschuss legt also die politischen Prioritäten festlegen und stellt die dafür notwendigen Mittel bereit.

 

 

 

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