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"Die Bamberger Jugendlichen sind nicht unausgeschlafener als andere"

Im Gespräch mit Wolfgang Reisky

 

Die gaz sprach mit Wolfgang Reisky über Jugendarbeitslosigkeit in Bamberg, über Chancen und Hindernisse von Jugendlichen auf der Suche nach Ausbildungsplatz und Job, und über die Verantwortung der Betriebe

 

gaz: Herr Reisky, noch immer sind viele SchulabgängerInnen in Bamberg ohne Ausbildungsplatz. Warum ist Oberfranken bayerisches Schlusslicht bei der Jugendarbeitslosigkeit?

Wolfgang Reisky: Auf jeden Fall liegt es nicht daran, dass die Bamberger Jugendlichen dümmer oder unausgeschlafener sind als andere. Ganz Nordbayern ist nach der letzten Daten-erhebung gegenüber Südbayern benachteiligt. Das Verhältnis zwischen angebotenen Stellen und Bewerbern hat sich hier in den letzten Jahren flächendeckend ungünstig entwickelt.
Es gibt zwar Bestrebungen, innovative Wirtschaftszweige in Bamberg zu fördern, etwa das "IT-Cluster" oder den Tourismus, aber das ändert leider nichts daran, dass Bamberg von den derzeitig dynamischen Wirtschaftsregionen recht weit entfernt ist.

gaz: Als Ursache für die hohe Jugendarbeitslosigkeit wird häufig angegeben, die Jugendlichen von heute seien nicht ausbildungsfähig…

Wolfgang Reisky: Das Problem ist, dass das Arbeitsangebot für gering Qualifizierte verknappt worden ist. Vor zwanzig Jahren gab es noch einen Arbeitsmarkt für ungelernte Arbeiter, der heute so nicht mehr existiert. Der Einstieg in eine berufliche Tätigkeit funktioniert nur noch über eine Ausbildung.
Ein paar aktuelle Zahlen für den Raum Bamberg-Forchheim: Im Ausbildungsjahr 2004/2005 waren in Bamberg 1247 Ausbildungsstellen bei der Arbeitsagentur gemeldet, im Vergleich zu 1428 im Vorjahr. Das entspricht einem Rückgang von ca. 13 %. Die Zahl der gemeldeten Bewerber ging von 3174 auf 3082 zurück, also um etwa 3 %.

gaz: Welchen Rat geben Sie einem Jugendlichen, der verzweifelt nach einer Lehrstelle sucht?

Wolfgang Reisky: Er soll sich bewerben, er soll sich bewerben, er soll sich bewerben – und dabei nicht mutlos werden. Es ist schon eine frustrierende Geschichte, wenn man jeden zweiten Tag eine Mappe zurückgeschickt bekommt, falls überhaupt.
Mein Appell an die Jugendlichen lautet aber auch, sich nicht auf einen einzigen Ausbildungsberuf zu beschränken. Es gibt insgesamt 350 staatlich anerkannte Lehrberufe, von denen viele nicht bekannt sind. Selbst aktiv werden, sich umhören bei Verwandten, die Ohren offen halten, Praktika wahrnehmen – auch das ist ein guter Einstieg.

gaz: Welches ist aus Ihrer Sicht das größte Hindernis auf dem Weg zu mehr Jobs für Jugendliche in Bamberg?

Wolfgang Reisky: Zu wenige Ausbildungsstellen. Nur 63 % aller Betriebe sind ausbildungsberechtigt, davon bildet nur noch die Hälfte aus.

gaz: Was fehlt den übrigen 37 %? Der Meisterbrief?

Wolfgang Reisky: Zum Teil sind es neue Betriebe, die noch nie ausgebildet haben, vielleicht keine Zeit haben, den bürokratischen Aufwand anzugehen, oder auch Firmen, die sich noch nie um eine Ausbildungsberechtigung bemüht haben und auch nicht realisiert haben, dass sie auch mit einem Kooperationspartner ausbilden können, wenn sie selbst nicht alle Voraussetzungen erfüllen.

gaz: Könnten sich demnach zwei Firmen einen Azubi teilen?

Wolfgang Reisky: Oder auch mehrere. Es gibt historisch gewachsene Verbünde, z. B. zwischen Mälzern und Brauern, aber die Erfahrungen anderer Bundesländer haben gezeigt, dass die Verbünde noch weiter gehen könnten.

gaz: Als Projektmitarbeiter von BRAs beschäftigen Sie sich hauptamtlich mit dem Problem der Jugendarbeitslosigkeit. Was genau tun Sie?

Wolfgang Reisky: Das Bamberger Regionalbüro für Ausbildungsstellen ist ein STARegio-Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Es ist auf drei Jahre angelegt und soll sich um die schon angesprochenen strukturellen Probleme unserer Region kümmern. Wir bieten unterschiedliche Dienstleistungen für Betriebe und Ausbildungsbewerber an, damit Ausbildungen aufgenommen werden und funktionieren.
Um diese Arbeit auch längerfristig zu sichern, haben wir den neuen Ausbildungverein Bamberg-Forchheim auf den Weg gebracht.

gaz: Was versprechen Sie sich von dem Verein?

Wolfgang Reisky: Zusätzliche Ausbildungsverhältnisse. Wir wollen kleinere Unternehmen in der bürokratischen Abwicklung der Ausbildungsverhältnisse entlasten und Verbundausbildungen organisieren. Eine Neuerung dabei ist, dass der Verein selbst Ausbildungsverträge abschließen kann. Für die Jugendlichen organisieren wir überbetriebliche Bildungsangebote – die Ausbildung im Verein soll keine "Billiglösung" sein! Bei Krisen unterstützen wir mit sozialpädagogischer Betreuung.

gaz: Nebenbei arbeiten Sie noch im AK Jugendarbeitslosigkeit des Stadtjugendrings mit. Welchen Beitrag leistet er?

Wolfgang Reisky: Zunächst einmal dient der AK der Vernetzung und dem Austausch. Man erfährt von Initiativen wie z. B. dem Projekt "Gute Seiten, schlechte Seiten" zur Gewaltprävention an Schulen. Praxisklassen an Schulen wurden begleitet und initiiert. Das Bewusstsein für die Problematik wird in die Jugendverbände des SJR hineingetragen.

gaz: Was war für Sie persönlich bisher der größte Erfolg im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit?

Wolfgang Reisky: Um Jugendliche in Arbeit zu bringen, bedarf es vieler kleiner Schritte. Es ist schon ein Erfolgserlebnis, wenn man Betriebe überzeugen kann, dass sich die Berufsausbildung für den Betrieb lohnt, ja längerfristig überlebensnotwendig ist. Und natürlich besonders, wenn man Jugendliche in Ausbildung bringt und sie dadurch eine Perspektive erhalten, in dieser Gesellschaft einen Platz zu finden.

 

Das Interview führte Barbara Göb.

 

 

 

 

 


Wolfgang Reisky ist Projektmitarbeiter
 im Bamberger Regionalbüro für
Ausbildungsstellen (BRAs)