Bamberg als Austragungsort einer der ersten
Umweltkonflikte in Deutschland
von Andreas Becker
Die Weide um 1890, aus: Peter Moser: Bamberg - Ein verlorenes
Stadtbild, 1995
Auseinandersetzungen um die Belastungen von Natur
und Umwelt haben eine längere Tradition als oftmals angenommen.
Ausgerechnet Bamberg liefert hierfür den Beleg. Die Domstadt war
Anfang des 19.Jahrhunderts Schauplatz eines der ersten großen
industriellen Umweltkonflikte in Deutschland.
Streitpunkt war ein Gesuch des Bamberger
Stadtrates Joseph Ernst Strüpf vom 12. Mai 1802 an den
Fürstbischof. Strüpf erbat, unmittelbar vor den Toren der Stadt
eine Glashütte errichten zu dürfen, die mit Kohle befeuert
werden sollte. Der Antrag war zum einen ungewöhnlich, weil bis
dahin Glashütten, die große Mengen an Energie erforderten, in
waldreichen Gegenden lagen, um die dortigen Holzvorräte zu
nutzen. Die neue Glashütte sollte aber an der Weide liegen,
seinerzeit nur durch den Stadtgraben von Bamberg getrennt. Zum
anderen war der anvisierte Standort nur wenige hundert Meter vom
1789 errichteten Krankenhaus (das heutige Hotel Residenzschloss)
entfernt.
Strüpfs Ansinnen rief sowohl massive
Bürgerproteste als auch Wohlwollen bei der Obrigkeit hervor. Da
sich die Stadt aufgrund der napoleonischen Kriege in einer tiefen
wirtschaftlichen Krise befand, befürwortete der Fürstbischof das
Unternehmen. Doch noch im Jahre 1802 kam das Ende des
selbständigen Hochstifts Bamberg. Militär besetzte die Stadt und
Bamberg gehörte seitdem zu Bayern. Nachdem juristische Schritte
nicht recht weiterführten, wandten sich am 29.November 1802 etwa
hundert Bamberger Bürger in einem 50-seitigen Schreiben an den
neuen bayerischen Landesherren. Die Weide wurde als gänzlich
ungeeigneter Ort für die besagte Glashütte angesehen. Sie sei,
so hieß es wörtlich in dem Schreiben, "eines der schönsten
Quartiere in und um die Stadt". Strüpf sei daher geraten
worden, "den Versuch, die schöne Natur zu verhunzen, nicht
zu wagen". Jedoch habe dieser den Rat in den Wind geschlagen.
Unterstützung fanden die betroffenen Nachbarn bei
zwei Medizinern. Sowohl Andreas Röschlaub, Professor an der
Universität Bamberg, als auch Anton Dorn, Professor am
Allgemeinen Krankenhaus, lehnten das Projekt ab. Beide
befürchteten, dass der Steinkohlerauch chronische Erkrankungen
bei Anwohnern und Krankenhauspatienten auslösen würde. Dagegen
vertrat ein anderer medizinischer Gelehrter, der
Universitätsprofessor Ignaz Döllinger, die Ansicht, es sei
"kein besonderer Nachtheil auf Gesundheit" zu erwarten.
Positive Stellungnahmen betonten primär die wirtschaftlichen
Vorteile einer Glashütte für – modern ausgedrückt – den
Standort Bamberg.
Die Regierung in München entschied schließlich
zugunsten Strüpfs. Allerdings wurde ihm nicht mehr der Standort
Weide angeboten, sondern das ehemalige fürstbischöfliche
Jagd-Zeughaus an der Ecke Memmelsdorfer Straße/Siechenstraße
(heute bekannt als Siechenscheune). Somit war auch die Forderung
der einhundert Bürger erfüllt. Die Geschäfte der Glashütte
gingen jedoch nur schlecht und recht, so dass sie wenige Jahre
später nach Stockheim bei Kronach verlegt wurde. Den Ort, den die
Bürger von Anfang an als Alternative vorgeschlagen hatten ...
Ausführlich in: FranzJosef Brüggemeier: Das
unendliche Meer der Lüfte. Luftverschmutzung, Industrialisierung
und Risikodebatten im 19. Jahrhundert. Essen 1996.
Weitere Quelle: Helm Wienkötter: Die Bamberger Industrie,
1949/50.
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