Zwangsarbeit in Bamberg
Auch wenn es bisher kaum öffentlich thematisiert
wurde: Es gab in Bamberg Hunderte von Zwangsarbeitern und
Zwangsarbeiterinnen. Wie anderswo waren viele davon in primitiven
Lager-Baracken untergebracht, bekamen geringen Lohn, unterlagen
einer Ausgangssperre, waren polizeilicher Willkür unterworfen,
litten an Hunger, Krankheiten und starben jung. Sie mussten für
Bamberger Betriebe arbeiten, aber auch für Teile der
Stadtverwaltung wie das Garten- und Friedhofsamt, die Gaswerke
oder im Krankenhaus. Die GAL-Fraktion hat deshalb im Stadtrat
beantragt, dass sich die Stadt Bamberg zumindest mit einem
symbolischen Beitrag am Entschädigungsfond des Bundes und der
deutschen Wirtschaft beteiligt.
Im August 1944 waren 7.615.970 ausländische
Arbeiter und Arbeiterinnen im großdeutschen Reich gemeldet. Das
machte ein Viertel der gesamten Arbeitskräfte aus. Circa 5,7 Mio
dieser Menschen waren sogenannte zivile "Fremdarbeiter",
zumeist aus Polen (1,7 Mio) und der Sowjetunion (2,8 Mio), die mit
mehr oder weniger Zwang nach Deutschland gekommen waren. Ihre
Zwangslage lässt sich beschreiben durch Arbeitslosigkeit,
schlechte Ernährungs- und Wohnsituation in der von der Wehrmacht
besetzten Heimat, was viele in der Hoffnung auf ein besseres Leben
"freiwillig" ins Siegerland trieb. Mit
"Freiwilligkeit" nichts mehr zu tun hatten hingegen die
brutalen Menschenjagd-Kommandos der SS, die aus Schulen und
Gaststätten, von Äckern und Arbeitsstellen weg, massenweise die
Leute aus den unterworfenen osteuropäischen Ländern in die
Arbeitslager im Reich verschleppten. Viele davon waren nicht
älter als 20 Jahre.
Zivilarbeiter und Kriegsgefangene
Mit der akribischen Genauigkeit der NS-Bürokratie
registrierte das Einwohnermeldeamt im{ November 1941, dass 30
Polen und 36 Polinnen als "Zivilarbeiter/innen" in
Bamberger Landwirtschafts- bzw. Industriebetrieben beschäftigt
waren, außerdem 13 Ukrainer und 7 Ukrainerinnen. Dazu kamen noch
mehr als 30 (vermutlich) Kriegsgefangene aus Frankreich, Belgien
und den Niederlanden. Eigentlich waren die
Ausländerpolizeibehörden der Städte laut Anweisung aus Berlin
verpflichtet, sogenannte "Ausländerkarteien" anzulegen,
auch bekam jeder Fremdarbeiter eine "Arbeitskarte" mit
Lichtbild und Fingerabdruck ausgestellt, die er ständig bei sich
tragen musste. Im Bamberger Stadtarchiv ist diese Kartei
allerdings nicht überliefert, und auch sonst ist die Aktenlage
nicht gerade üppig.
Für die Unterbringung der Zwangsarbeiter hatten
deren Arbeitgeber zu sorgen. Die Ostarbeiter waren "in
geschlossenen Lagern (Baracken) mit einer zweckentsprechenden,
möglichst mit Stacheldraht versehenen Umzäunung
unterzubringen." Das Lager durften sie nur zum Arbeitseinsatz
verlassen, die gesamte Freizeit musste im Lager verbracht werden,
wo es sowohl eine Krankenstube als auch eine Haftzelle gab.
Arbeitslager gab es auch in Bamberg, wie aus einer
1945 erstellten Liste hervorgeht. Dort sind die in Bamberg
verstorbenen AusländerInnen mit Beruf und Wohnort verzeichnet.
Bei den Menschen, die unter die Rubrik
"Ostarbeiterinnen" oder "Osthilfsarbeiter"
fallen, tauchen als Unterkunftsbezeichnung unter anderem das
Muna-Lager auf, außerdem Lager in der Annastraße, in der
Hallstadter Straße 39, an der Weide 22 und 28 oder in der
Gaustadter Spinnerei (ERBA). Auch Neugeborene und kleine Babys
sind in dieser Todesliste zu finden: Mehrmals ist in der Spalte
für die Berufsangabe nur "Mutter: Ostarbeiterin"
vermerkt, als Todesursache wird "Lebensschwäche"
angegeben, diese kleinen Kinder wurden gerade mal ein paar Wochen
oder Monate alt.
1944 gab es ein Arbeitslager des Bahnbetriebswerks
in der Schildstraße, das zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr
tragbar war, wie ein Brief der Reichsbahndirektion Nürnberg
belegt: "Das Lager an der Schildstraße ist sehr beschränkt.
Die Baracken sind zu eng beeinander. Die Abort- und
Waschraumbaracken stehen zu nahe an den Wohnbaracken. Diese sind
überbelegt. Die Trennung der im Schichtendienst eingesetzten
Leute ist nicht möglich. Splitterschutzgräben können nicht
angelegt werden." Der Bamberger Oberbürgermeister möge die
Beschlagnahmung eines Ausweich-grundstückes unterstützen.
"Interessengemeinschaft Bamberger
Arbeitslager"
Nicht wenige Bamberger Unternehmen müssen
ZwangsarbeiterInnen beschäftigt haben. Diese Vermutung legt
zumindest der Umstand nahe, dass die Arbeitgeber eigens eine
"Interessengemeinschaft Bamberger Arbeitslager", kurz
IBA, gründeten. Im Dezember 1942 wandte sich ein Betriebsführer
der Firma Wieland als Mitglied der IBA an den OB mit dem Anliegen,
ein Lager für circa 200 Ostarbeiter an der Memmelsdorfer Straße
einrichten zu dürfen. Er klagte, dass 158 von Wieland
beschäftigte Ostarbeiter derzeit in Bischberg untergebracht
seien. Dadurch müsse er hohe Kosten für ihre tägliche Anfahrt
in die Brennerstraße aufbringen, und auch das Mittagessen müsse
eigens aus dem Lager in den Betrieb geschafft werden, all das bei
der sich verschärfenden Treibstoffsituation.
Ein Jahr später bat die IBA Oberbürgermeister
Zahneisen um die Beschlagnahmung eines Grundstücks an der
Zollnerstraße, nachdem direkte Verhandlungen mit dem Besitzer
gescheitert waren. Die Baracken für das "Lager, so der
IBA-Vertreter in dem Schreiben, seien bereits in Berlin bestellt
und würden demnächst geliefert. Zwei Wochen darauf sprach der OB
die Beschlagnahmung aus.
Im November 1943 beantragte das
"Sozial-Gewerk Bamberger Handwerker" in Bayreuth die
Zuweisung von Baracken für 100 Fremdarbeiter und bat das
NS-Stadtoberhaupt um Unterstützung. Tatsächlich bestätigte
Zahneisen die "Dringlichkeit" eines solchen Lagers.
Für die "Lebensführung" der
ausländischen Arbeitskräfte legte das NS-Regime akribisch genaue
Maßregelungen fest. Dabei hatten die Menschen aus Polen die
schlechteste Behandlung und die meisten Diskriminierungen zu
ertragen. Sie durften öffentliche Verkehrsmittel, Fahrräder und
Telefone nicht benutzen, durften kirchliche, kulturelle und
sportliche Einrichtungen nicht besuchen, "näherer
Umgang" mit Deutschen war ihnen verboten, auf sexuelle
Beziehungen zu deutschen Frauen stand sogar die Todesstrafe.
Auf eine deutliche Distanz zwischen Deutschen und
"Fremdvölkischen" legten die NS-Ideologen besonderen
Wert, so in einem Rundschreiben des Reichsführers SS vom Februar
1942: "Es ist daher erforderlich, den deutschen Arbeiter in
seiner Stellung so hervorzuheben, daß er trotz seiner Mitarbeit
als Vorgesetzter und Aufsichtsperson in Erscheinung tritt und bei
ihm ein Solidaritätsgefühl mit diesen Arbeitskräften möglichst
nicht entstehen kann."
Abgrenzung sollte auch durch Stigmatisierung
geschaffen werden: FremdarbeiterInnen aus Polen mussten bereits
seit 1940 ein großes "P" als Abzeichen an jedem
Kleidungsstück tragen. So bestellte die städtische
Ausländerpolizei am 14. Mai 1940 250 Abzeichen für
"polnische Zivilgefangene". Ab 1942 wurden dann die
"Ost"-Kennzeichen eingeführt. Sie waren bei einer
Berliner Fahnenfabrik zu beziehen und sollten gegen eine Gebühr
von 10RM à 5 Stück an die ArbeiterInnen weitergegeben werden.
Anweisungen zum "Ostarbeitereinsatz"
In den Jahren 1941 bis 1943 gab es eine Fülle von
Erlassen, Rundschreiben und Bestimmungen zum
"Ostarbeitereinsatz", die von der Berliner SS-Führung
und Gestapo-Zentrale bei den lokalen Verwaltungen eingingen. Hier
wurden sie dann zum einen über die Ausländerpolizei an die
betreffenden Betriebe, zum anderen aber auch direkt an diejenigen
städtischen Einrichtungen weitergeleitet, die damals
ZwangsarbeiterInnen beschäftigten. In Bamberg gingen
Ostarbeiter-Anweisungen in der Regel an die Krankenhausverwaltung,
die Stadtwerke, die Garten- und Friedhofsverwaltung, das
Tiefbauamt, die Kraftfahrzeugverwaltung, die Schlacht- und
Viehhof-Direktion, den Hafen- und Lagerhausbetrieb. Es ist deshalb
anzunehmen, dass in all diesen städtischen Einrichtungen
zumindest zeitweise ZwangsarbeiterInnen eingesetzt waren.
Für die Berechnung der Löhne gab es exakte
Tabellen aus Berlin. Ein Lohnbeispiel aus der Stadthauptkasse
berechnete im Vergleich zu einem deutschen Arbeiter, der 28,80 RM
in einer 48-Stunden-Woche verdiente, einen Lohn von 17,85 RM für
einen Ostarbeiter; für Verpflegung und Unterkunft wurden diesem
noch 10,50 RM abgezogen, auch Sachleistungen wie Arbeitskleidung
und -schuhe bekam er nur gegen Entgelt gestellt.
Ostarbeiterinnen in St. Getreu
Für die "wirtschaftlichen Hilfskräfte"
in der Nervenklinik St. Getreu – es waren junge Frauen – gab
es einen deutlich geringeren Wochenlohn, wie eine Notiz des
Oberbürgermeisters vom August 1942 festhält: Ostarbeiterinnen
über 18 Jahre erhielten als Wochenlohn 2,80 bis 4,90RM, junge
Mädchen zwischen 16 und 18 bekamen 2,45 bis 4,55RM und jüngere
als 16 Jahren nur 1,40 bis 3,30RM. Die
Mu"Ostarbeiterabgabe", die in der Regel vom Arbeitgeber
an den Staat abzuführen war, betrug in diesen Fällen zwischen
1,05 und 0,70 RM.
Es gab aber auch Prämien für Ostarbeiter, die
längere Zeit zufriedenstellend in einem Betrieb beschäftigt
waren. So beantragten im September 1942 die Gaswerke bei der
städtischen Lohnstelle die "Beförderung" eines
Ostarbeiters von Lohnklasse C nach Lohnklasse B, weil dieser nun
als "Zweiter am Ofen" arbeite.
Aus der wenn auch spärlich erhaltenen
Korrespondenz der Gaswerke mit der Stadtkasse lässt sich
entnehmen, dass beispielsweise im Juni 1942 zwölf Ukrainer
eingestellt wurden. Davon waren sechs unter zwanzig Jahre alt.
Alle, so geht aus den Akten hervor, wurden "im Werk
untergebracht".
Aber nicht nur ausländische
"Fremdarbeiter" kamen in städtischen Betrieben zum
Arbeitseinsatz, seit 1940 verpflichtete man auch jüdische
ortsansässige Bamberger zum Dienst. Das städtische Tiefbauamt
meldete beispielsweise im Mai 1940 die Beschäftigung von "26
Juden".
Sylvia Schaible
Alle Zitate aus Akten des Stadtarchivs Bamberg.
Dank ans Stadtarchiv für die Unterstützung bei
den Recherchen.
|