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Hochsaison fürs Verfallsdatum

Das Josefslädchen verkauft zu günstigen Preisen Lebensmittel, die nicht mehr lange haltbar sind. Auch in Bamberg gibt es immer mehr Menschen, die darauf angewiesen sind – der zunehmende Andrang muss mitt-lerweile reguliert werden. Doch wer im Josefslädchen einkauft, wird trotzdem nicht als Almosenempfänger, sondern als Kunde oder Kundin -empfangen.

 


Armut kennt in Bamberg viele Schicksale. Einmal täglich bildet sich vor dem Josefslädchen eine Menschentraube.

 

7,90 Euro hat der Wocheneinkauf von Olga Merkel gekostet. Mit zwei randvoll gefüllten Stofftaschen bahnt sie sich den Weg nach draußen. Vorbei an einer Menschentraube, die sich hier jeden Tag bildet. Denn das Josefslädchen in der gleichnamigen Straße öffnet nur für zwei Stunden. Und wer zu spät kommt, den bestrafen leer geräumte Regale.

Weil der Andrang auf die 1999 gegründete Einrichtung der Caritas stetig zunimmt, wurde für die Kunden inzwischen ein Farbsystem eingeführt. So dürfen in dieser Woche die Inhaber von Kundenkarten mit blauem Punkt in der ersten Stunde einkaufen, in der nächsten Woche sind dann die Inhaber von Karten mit rotem Punkt zuerst an der Reihe. Allein im vergangenen Jahr hätten sich 100 Bedürftige neu um eine der begehrten Kundenkarten bemüht, berichtet Jutta Kutnyak, Geschäftsführerin des Caritasverbands Bamberg-Land.

Die inzwischen mehr als 1.000 Kunden müssen nachweisen, dass ihr Einkommen höchstens 30 Prozent über dem Hartz-IV-Regelsatz liegt. Darunter seien viele, die keine staatlichen Sozialleistungen in Anspruch nehmen. "Sie schämen sich, ihre Notlage zu zeigen, aber dem Staat wollen sie nicht zur Last fallen", sagt Kutnyak. Über das Josefslädchen seien diese Menschen leichter zu erreichen als an einem Behördenschreibtisch. "Sie sollen sich bei uns bewusst als Kunden empfinden und nicht als Almosenempfänger", betont Kutnyak. Denn die Waren im Josefslädchen sind günstig, aber nicht gratis.

Das Sortiment enthält alle Artikel des täglichen Bedarfs "mit hoher Sättigung" wie Brot, Brötchen, Butter, Gemüse, Fertiggerichte, Milch, Yoghurts, Obst, Konserven, Anfangsmilch für Erstgeborene, aber auch den beliebten russischen Zupfkuchen und Schulbedarf wie Hefte, Stifte oder einen Malkasten. Die (Auslauf-)Waren stammen aus rund 30 Bäckereien, Supermärkten und Gärtnereien in Bamberg und Umgebung, die das Team des Josefslädchens einmal am Tag anfährt. Kutnyak dankt diesen Firmen ausdrücklich, wünscht sich aber angesichts der steigenden Nachfrage, dass sich weitere Betriebe an dem Projekt beteiligen. "Vielleicht gibt sich der ein oder andere Geschäftsführer einen Ruck und spendet seine Ware vom Vortag oder nahe dem Verfallsdatum."


Fotos: mac

Drei Viertel der Kundschaft sind Frauen – Alleinerziehende, Alte oder mit vielen Kindern, aber ohne ausreichendes Einkommen. Die große Mehrzahl Russlanddeutsche oder Türken, wie Maria Bäuerlein erklärt, die am Eingang die Kundenkarten kontrolliert und dafür sorgt, dass der Verkauf in geordneten Bahnen verläuft.

Die Preise sind niedrig und richten sich nach dem Haltbarkeitsdatum. Je näher dieses rückt, desto billiger die Produkte. Die Brötchen kosten zehn Cent. Was am oder knapp über dem Verfallsdatum liegt, wird gratis abgegeben. "Aber erst, wenn der Kunde seinen Einkauf getätigt hat", betont Bäuerlein.

"Jetzt reicht’s aber!" ruft die Seniorin einer Kundin zu, die in ihren Augen zu viel von der Gratisware in ihre Taschen packt. Manchmal müsse sie resolut durchgreifen, denn es gehe nicht immer zimperlich zu. Auch Hausverbote hätten schon ausgesprochen werden müssen. "Einer hat gestohlen, eine hat andere beleidigt und gegen die Verkäufer gehetzt." Not macht oft auch aggressiv.

mac

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