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Geschlechterkampf ums Geld?

Wenn Männer lieber Straßen bauen und Frauen mehr VHS-Kurse besuchen, sind das Fälle für "Gender Budgeting"

Im postemanzipatorischen Zeitalter steht Gender Mainstreaming auf dem Programm. Das ist nicht etwas "anderes" als Frauenpolitik, sondern etwas "mehr". Denn im Mittelpunkt steht nicht (nur) Frauenförderung, sondern die Gleichstellung der Geschlechter. Mit Reformbemühungen um modernere Haushalte kommt nun auch das Gender Budgeting auf die Tagesordnungen der PolitikerInnen – und damit Fragen wie: Welche Folgen haben Geldausgaben der öffentlichen Hand für Frauen und Männer? Auch in Bamberg – zumindest sollte das so sein …

 

Was haben der Bau der Kronacher Straße und Fahrpreiserhöhungen bei den Bamberger Verkehrsbetrieben eigentlich mit Gleichstellung zu tun? Es handelt sich doch eindeutig um verkehrs- und allenfalls umweltpolitisch relevante Entscheidungen.

Klar, aber man kann sich schon auch überlegen, welche Auswirkungen auf Männer und Frauen sich daraus ergeben. Statistisch gesehen nutzen Männer das Auto mehr als Frauen, profitieren deshalb auch mehr vom Straßenbau, sprich der Kronacher Straße. Demgegenüber machen Frauen zum weitaus größeren Teil die NutzerInnen des ÖPNV aus und haben hier zwangsläufig auch die Nachteile von höheren Fahrpreisen zu tragen. Diese Erkenntnis spricht zwar noch nicht automatisch für oder gegen die Kronacher Straße oder Fahrpreiserhöhungen, aber sie wirft doch immerhin einen interessanten Blickwinkel auf fiskalische Entscheidungen einer Kommune.


Die Stadt Wien hat Verkehrsschilder "gegendert".


Umsetzung + Fotos: Chrigel Ott

Der Blickwinkel hat einen Namen: Gender Budgeting. Die Methode des Gender Budgeting will aus der Geschlechterper-spektive dafür sorgen, dass Gelder gerechter verteilt werden, und die damit verbundenen unterschiedlichen Auswirkungen auf Männer und Frauen analysieren. Gender Budgeting stellt Fragen wie: Wie verteilen sich Ausgaben und Einnahmen eines Haushalts auf die Geschlechter? Ziehen eher Männer oder Frauen daraus einen Nutzen? Treffen Einsparungen eher Männer oder Frauen? Werden Diskriminierungen vergrößert oder verkleinert? Wie beeinflusst Haushaltspolitik die Geschlechterrollen?

Beim Gender-Budgeting werden solche Fragen konsequent bei der Aufstellung des Haushalts mitgedacht und Haushaltsausgaben nach diesem Prinzip analysiert. Sollten sich Schräglagen zwischen den Geschlechtern geben, so sind angemessene Reaktionen darauf zu suchen. Die wiederum müssen jedoch nicht unbedingt haushaltspolitisch sein.

Mehr Männer beim Sport – mehr Frauen in der VHS

Wenn beispielsweise in Volkshochschulen der Frauenanteil unter den KursbesucherInnen regelmäßig wesentlich höher liegt als der Männeranteil, so heißt das freilich nicht, dass man schleunigst die Zuschüsse der Volkshochschule kürzen sollte. Aber möglicherweise ist es an der Zeit, Angebot, Außendarstellung und Werbung dieser Bildungseinrichtung grundsätzlich vor diesem Hintergrund zu überdenken. Ähnliches gilt für die Bezuschussung von Sportvereinen, wo männer- und jungendominierte Sportarten wie Basketball, Fußball oder Leichtathletik am meisten Gelder abgrasen. Eine Antwort wäre, über Sportförderrichtlinien mehr frauen- und mädchengerechte Angebote in diesen Sportarten zu fördern. Es könnten aber schlichtweg auch mehr Zuschüsse auf Bau und Unterhalt von Reitwegen oder Tanz- und Gymnastikhallen (eben Frauen-Sportarten) verlagert werden.

Insbesondere bei Ausgabenkürzungen ermöglicht Gender Budgeting eine wichtige Per-spektive. In der Regel geht es dabei darum, dass Dienstleistungen oder Unterstützungen des Staates oder der Kommune heruntergefahren und von der Gesellschaft aufgefangen werden – in aller Regel in Familienarbeit und ehrenamtlicher Arbeit. Studien machen deutlich, dass hier tatsächlich die deutlichsten Ungerechtigkeiten zuungunsten von Frauen festzustellen sind, da sie die meiste unbezahlte Arbeit übernehmen. Sparmaßnahmen bei Kindertagesstätten führen etwa zu engeren Öffnungszeiten, so dass Eltern mehr Betreuungszeit selbst übernehmen müssen – und dies sind zumeist die Mütter. Wenn dadurch zum Beispiel eine allein erziehende Mutter schlechtere Möglichkeiten hat, ihren Beruf auszuüben, so ist sie in höchstem Maße benachteiligt. Natürlich gilt das ebenso für den allein erziehenden Vater – davon gibt’s nur einfach viel weniger.

Frauen leisten mehr unbezahlte Arbeit

Auch die umgekehrte Betrachtungsweise hilft weiter: Es sind vor allem Frauen, die sich um alte und pflegebedürftige Menschen kümmern. In ihrer Ehe sind sie meist die jüngeren, die ohnehin noch eine höhere Lebenserwartung haben als ihre Männer. Und auch als Witwen, die noch in den eigenen vier Wänden leben, werden sie zum größten Teil von Töchtern und Schwiegertöchtern versorgt, bekocht und mit Hilfen wie Saubermachen, Waschen usw. unterstützt. So gesehen kommt ein möglichst flexibles und bedarfsorientiertes Hilfesystem aus ambulanten Pflegedienstleistungen und Haushaltshilfen insbesondere Frauen zugute – sowohl den pflegebedürftigen als auch den pflegenden. Jede staatliche Förderung für so ein Hilfesystem trägt also dazu bei, geschlechterspezifisch einseitig verteilte Belastungen auszugleichen.

Oft ist der Nutzen auch vielfältig zu betrachten. Es sind z. B. mehr Jungen als Mädchen, die von Schulsozialarbeit profitieren, weil sie den größeren Teil der "problematischen" SchülerInnen ausmachen. Doch wenn ihnen geholfen wird, mit ihrem Alltag und in der Schule besser zurecht zu kommen, werden auch Familien entlastet – und hier vor allem die Mütter, die am meisten Erziehungsarbeit leisten.

Dass die Frage nach der Geschlechtergerechtigkeit meistens zuungunsten der Frauen ausfällt, liegt natürlich auch daran, dass in den entscheidungsbefugten und Gelder verteilenden politischen Gremien vor allem Männer sitzen. So dominiert fast automatisch ein eher an männlichen Bedürfnissen ausgerichteter Blickwinkel. Der Ansatz des Gender Budgeting verlangt deshalb auch eine ausgeprägte Information und Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bei der Haushaltsaufstellung – auch mit dem Ziel, so wichtige Entscheidungen wie die Ausgaben des Staates transparent für alle zu gestalten und möglichst vielen Bevölkerungsgruppen eine Teilnahme zu ermöglichen.

Gender Budgeting von Europa bis Bamberg

Gender Budgeting ist theoretisch weit gedacht, steckt aber in der Praxis noch in den Kinderschuhen. Mittlerweile enspricht es auf allen politischen Ebenen der aktuellen Beschlusslage – zumindest auf dem Papier. Im Koalitionsvertrag von Rot-Grün im Jahr 2002 wurde Gender Budgeting als Teil des Gender Mainstreaming ausdrücklich festgelegt. Zuständig ist seither das Bundesfamilienministerium. Zwei Ministerratsbeschlüsse der Bayerischen Staatsregierung aus demselben Jahr legten eine "geschlechtersensible Sichtweise" für alle landespolitischen Entscheidungen fest. Und auch die EU hat sich Gender Budgeting seit 2002 auf die Fahnen geschrieben.

Und in Bamberg?

Die GAL hat im Jahr 2005 einen ersten behutsamen Vorstoß in diese Richtung unternommen, wohl wissend, dass Gleichstellung im Rathaus eher unter dem Motto "Feigenblattpolitik" läuft. Die Grünen beantragten zunächst einmal nur, dass die Gleichstellungsbeauftragte den Stadtrat über das Konzept des Gender Budgeting informiert. Der damals noch amtierende Oberbürgermeister Herbert Lauer musste dies jedoch ablehnen: Die Gleichstellungsbeauftragte fühle sich damit überfordert. Daraufhin schlug die GAL-Fraktion (nicht wirklich verwundert über diese Antwort) vor, eine/n externe/n Fachmann/frau dafür zu engagieren – seither wartet der Antrag auf weitere Behandlung. Als schwungvoll kann man das Gender-Bewusstsein des neuen Oberbürgermeisters Andreas Starke also auch nicht gerade bezeichnen. Aber oft gehen die Uhren in Bamberg ja etwas langsamer als anderswo …

sys

 

 

 

Zusammensetzung des Bamberger Stadtrates:

10 Frauen, 34 Männer, davon:

CSU 4 Frauen, 15 Männer

SPD 3 Frauen, 6 Männer

GAL 3 Frauen, 3 Männer

FW/BR: keine Frau, 4 Männer

Die Bamberger: keine Frau, 4 Männer

außerem zwei fraktionslose Männer (BBB, Rep)

Finanzsenat:

2 Frauen, 16 Männer

 

 

Begriff

Gender (engl.) bezieht sich auf die gesellschaftlich, sozial und kulturell geprägten Geschlechtsrollen von Frauen und Männern. Unter Gender Mainstreaming versteht man, dass bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen sind, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt. Gender Budgeting betrachtet und gestaltet in diesem Rahmen vor allem die finanzpolitischen Auswirkungen.