Die Arbeitsmarkt-reformen
führten zu einer Krise bei den Weiterbildungsträgern
Einsparungen der Bundesagentur für Arbeit sorgen für Kostendruck
bei den Bildungsträgern und für Entlassungen. (Foto: Erich
Weiß)
14 Jahre arbeitete Roswitha Deinhart beim
beruflichen Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft (bfz)
in Bamberg. Als Seminarleiterin unterstützte die Politologin vor
allem benachteiligte Jugendliche bei der Suche nach einem
Ausbildungsplatz, gab Deutschkurse und bereitete sie auf die
Prüfungen bei der Handwerks- oder der Industrie- und
Handelskammer vor. Doch im Herbst 2005 kam für sie selbst das
Aus. Die heute 46-Jährige fiel einer Entlassungswelle zum Opfer
– insgesamt wurden acht MitarbeiterInnen gekündigt, rund zehn
Prozent der Belegschaft.
Noch 20 Jahre bis zur Rente
Deinhart musste sich auf eine unsichere Zukunft in
der Freiberuflichkeit einstellen. Zwar sind es als Mittvierzigerin
noch 20 Jahre bis zur Rente, doch auf dem Arbeitsmarkt gilt
man/frau damit bereits als alt. Während eine ehemalige Kollegin
auf Wiedereinstellung klagt, entschied sie sich für die
Abfindung. "Wenn Du vor Gericht gehst, geht vielleicht das
Mobbing los, das wollte ich mir ersparen", sagt sie.
Ursache für die Entlassungen waren nach
Darstellung des bfz die "drastischen" Mittelkürzungen
für Weiterbildungsmaßnahmen der beruflichen Fortbildung durch
die Bundesagentur für Arbeit und durch die Arbeitsgemeinschaften
(ARGEN), die seit Anfang 2005 für Bezieher von Arbeitslosengeld
II (so genannte "Hartz IV"-Empfänger) zuständig sind.
"Es war damals eine sehr problematische Umbruchszeit, die
Arbeitsgemeinschaften befanden sich im Aufbau und gaben deutlich
weniger Geld aus für Vermittlungs- und
Qualifizierungsmaßnahmen", betont die Sprecherin des bfz
Bamberg, Iris Schlaier.
Nach Angaben der Bundes-agentur für Arbeit (BA)
sanken deren Ausgaben für Maßnahmen der beruflichen Fortbildung
von 653 Millioen Euro im Jahr 2005 auf 527 Millionen im
vergangenen Jahr. BA-Sprecher Ulrich Waschki räumt ein, dass
"der Markt für Bildungsträger durcheinandergewirbelt"
worden sei. Allerdings: "Das war früher einfach ein schöner
Selbstbedienungsladen", betont er auf gaz-Anfrage. Seit
Einführung von Arbeitslosengeld II gebe es eine modulare und
kürzere Förderung. Einzelne Kurse würden nun genauer als
früher auf ihre Effizienz überprüft. Wenn Bildungsträger in
Schieflage gerieten, liege das daran, dass diese sich zu sehr auf
die Agenturen als einzigem Auftraggeber verlassen hätten.
"Unsere Aufgabe ist es aber nicht, Bildungsträger zu
finanzieren, sondern Menschen in Arbeit zu bringen."
Rekordüberschuss bei der Bundesagentur
Während die Einsparungen bei der beruflichen
Fortbildung im Haushalt der BA im vergangenen Jahr zu einem
Rekordüberschuss von elf Milliarden Euro beitrugen, lösten sie
jedenfalls bei den Bildungsträgern einen enormen Kostendruck aus.
Die Folgen sind Entlassungen und "Arbeitsverdichtungen".
So werden die Kurse zeitlich verkürzt oder ihre Teilnehmerzahl
erhöht. Langzeitarbeitslose werden zunehmend von den drei ARGEN
(Stadt Bamberg, Landkreis Bamberg und Forchheim) selbst
vermittelt, Vermittlungsmaßnahmen, die zum Beispiel ein Profil
des Bewerbers und ein Bewerbungstraining beinhalten, werden kaum
noch an Bildungsträger vergeben.
Der Fachreferent für berufliche Weiterbildung bei
der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Peter Weiß,
beklagt einen Preis- und Qualitätsverfall bei den
Weiterbildungsangeboten vor allem seit Einführung von Hartz IV.
Oftmals würden fest angestellte Kursleiter oder Referenten durch
freiberufliche Honorarkräfte ersetzt, für die keine
Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden müssen. Oder ältere
Mitarbeiter, die schon einige Gehaltsrunden drehten, gegen junge
und vor allem billigere Hochschulabgänger ausgetauscht.
Keine Schamgrenzen mehr
Mit 1600 bis 2000 Euro brutto für eine
Vollzeitstelle lägen die Einstiegsgehälter bei den
Fortbildungsträgern inzwischen auf dem Niveau von
Bauhilfskräften, kritisiert Weiß: "Die Arbeitgeber geben
den Druck durch die Politik einfach an die Beschäftigten
weiter." In einigen Betrieben gebe es "überhaupt keine
Schamgrenzen mehr", würden die Beschäftigten geschuriegelt
und die Arbeit oder selbst die Gründung eines Betriebsrats massiv
behindert sowie die Gehälter immer weiter zusammengestrichen.
Entscheidendes Kriterium bei Ausschreibungen von
Bildungsmaßnahmen durch die Arbeits-agenturen oder die
Arbeitsgemeinschaften sei inzwischen der Preis, nicht mehr die
Qualität eines Anbieters oder die Sinnhaftigkeit der Seminare.
"Was der einzelne Arbeitslose wirklich braucht, steht längst
nicht mehr im Mittelpunkt", betont der Gewerkschafter. Die
Forderung der GEW laute: "Wir brauchen nicht mehr
Deregulierung, sondern verbindliche Qualitätsstandards und einen
Branchentarifvertrag mit geregelter Bezahlung."
Doch ein Tarifvertrag für die gesamte Branche
bleibt vorerst ein Wunschtraum der BildungsarbeiterInnen.
Allerdings zumindest für die bfz-MitarbeiterInnen in Bayern
dürfte es nach Weiß’ Worten noch in diesem Jahr einen
einheitlichen Tarifvertrag geben. Zwar habe sich die GEW in den
Verhandlungen mit den Arbeitgebern bei der Begrenzung des
Einsatzes von Honorarkräften auf 20 Prozent des
Unterrichtsvolumens nicht durchsetzen können, doch die Gespräche
seien erfolgsversprechend.
Für Roswitha Deinhart kommt der Tarifvertrag zu
spät. Ihr Resümee zum Bildungstandort Deutschland fällt
deprimierend aus: "Es ist paradox, wie wichtig Bildung in
unserem Land angeblich ist, aber sie soll nix kosten!"
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