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Absahnen durch Abmahnen

Das Mütterzentrum Känguruh wird von professionellen Abmahn-Haien in die Zange genommen. Droht wegen Schadensersatzforderungen das Aus?


Känguruh-Kinder finden Abmah-Haie "Bäh". (Foto: Erich Weiß)

In Biberach gibt es zwei findige Herren Namens Jens Endl und David Rackov. Diese beiden haben sich den Begriff "Thai-Do" beim Deutschen Patentamt markenrechtlich schützen lassen. "Thai-Do" bezeichnet, eine Art Mischung aus Aerobic, Kickboxen und Kampfsport, die von Endl und Rackov angeblich "erfunden" wurde und jedenfalls von ihnen vermarktet wird.

Dagegen wäre an sich nichts zu sagen, allerdings scheint die "Vermarktung" vorwiegend darin zu bestehen, dass Endl und Rackov, vertreten durch die Kanzlei Bayh und Fingerle aus Stuttgart, reihenweise jeden abmahnen, der die Worte "Thai-Do" im Zusammenhang mit seinen Sportkursangeboten verwendet – sei es auch nur aus Unkenntnis und nur ein einziges Mal. Weil Abmahnen zugleich Absahnen ist – wer erfolgreich abmahnt, kann vom Abgemahnten nach (noch) geltendem deutschem Recht oft saftige Schadensersatzbeträge kassieren – ist so etwas recht lukrativ. Und in Zeiten des Internet sind ahnungslose Markenrechtsverletzer schnell gefunden.

Genau das ist – wie auch vielen kleinen Sportvereinen überall in Deutschland – dem Mütterzentrum Känguruh e.V. passiert. Das seit 1992 bestehende, in der Nürnberger Straße 108 k ansässige Familienselbsthilfeprojekt hat neben zahlreichen offenen Treffs auch ein vielfältiges Dienstleistungs- und Kurs-angebot. Im Herbst/Winter war im Känguruh-Programm ein "Thai-Do-Aerobic Kickboxing-Kurs" aufgeführt und auch im Internet zu finden. Für den Kurs interessierten sich ganze fünf TeilnehmerInnen – und nun auch die Kanzlei Bayh und Fingerle.

Über 1000 Euro Schadensersatz?

Die Anwälte verlangten mit Schreiben vom 12.05.2004 vom Känguruh wegen Verletzung der Marke "Thai-Do" die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie 1.670,40 Euro Schadensersatz. Als "großzügige" Alternative wurde angeboten, mit Endl und Rackov einen Lizenzvertrag abzuschließen (24 Monate zu je 60 Euro, also 1.440 Euro) und zusätzlich (!) 1.160 Euro Schadensersatz zu bezahlen.

Die Känguruh-Frauen fielen aus allen Wolken, denn das Känguruh hatte nur die Räume zur Verfügung gestellt und außer ein paar Euro Unkostenbeitrag für die Raumnutzung nichts bekommen – die Kursgebühren, insgesamt 200 Euro, waren wie üblich der Kursleiterin zugeflossen. Die Bezeichnung als "Thai-Do-Aerobic Kickboxing-Kurs" hatte die Kursleiterin gewählt – ohne allerdings zu ahnen, was sie damit auslösen würde.

Bundesweite Abmahnwelle

Dass Endl und Rackov offenbar gerade eine bundesweite Abmahnwelle loslassen, lässt sich dem Internet entnehmen. Dort wird unter anderem vom Badischen Sportbund Nord e.V., vom Bayerischen Landes-Sportverband e.V. und vom Landessportbund Niedersachsen e.V. vor der Verwendung des Begriffs "Thai-Do" gewarnt.

Die Känguruh-Vorstandsfrauen schickten die unterzeichnete Unterlassungserklärung zurück; die Zahlung des geforderten Schadensersatzes lehnten sie jedoch ab, schon aus Geldmangel.

Danach herrschte lange Zeit Ruhe, und es kam Hoffnung auf, die Angelegenheit sei ausgestanden – bis Ende Oktober 2006 der nächste Brief aus Stuttgart einging. Endl und Rackov forderten "zur Vermeidung eines Rechtsstreits" einen Betrag von 1.000 Euro als Schadensersatz, zuzüglich 211,25 Euro Rechtsanwaltskosten.

Und als das Känguruh sich wiederum weigerte, weil es ein gemeinnütziges Familienselbsthilfeprojekt ist, das ganz und gar ehrenamtlich organisiert ist, keine Gewinne erzielt und außer gebrauchtem Spielzeug und ein paar Möbeln nichts hat, kam im Januar 2007 der gerichtliche Mahnbescheid: Endl und Rackov wollen insgesamt 1.870,79 Euro geltend machen. Ob sie den Prozess tatsächlich durchziehen, wird sich zeigen.

Existenz gefährdet

Das Mütterzentrum -Känguruh ist entschlossen, nicht klein beizugeben. Es wird allerdings ernsthaft in seinem Bestand gefährdet, falls Endl und Rackov das Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart fortsetzen und gewinnen sollten. Mit Anwalts- und Gerichtskosten kann leicht eine Summe von mehr als 5.000 Euro zusammenkommen. Dann befürchten die Känguruh-Frauen das Ende einer Einrichtung, die jede Menge Raum für Begegnung, Austausch und Kommunikation bietet und dank öffentlicher Zuschüsse, Spenden und dem unermüdlichen Einsatz der Ehrenamtlichen preisgünstige und kostenlose Angebote für Familien macht.