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Im Gespräch mit Gisela Filkorn

Familie – gar nicht "weihnachtsheilig"

Die gaz sprach mit Gisela Filkorn, der neuen Familienbeauftragten der Stadt Bamberg, über konkrete Ziele, Visionen und ihren Arbeitsalltag.

gaz: Die Familie ist derzeit in aller Munde und führt gewissermaßen die Hitliste der gesellschaftspolitischen Themen an. Seit dem letzten Sommer hat sogar die Stadt Bamberg eine Familienbeauftragte. Will man damit nicht einfach nur chic sein?

Filkorn: Nein, die Familienbeauftragte ist kein Feigenblatt – sonst würde ich das nicht machen. Im Übrigen gibt es dazu ja eine Vorgeschichte. Vor einigen Jahren hat die Stadt Bamberg an einem Projekt des Freistaats Bayern teilgenommen – übrigens auf Antrag der GAL: Es wurde ein "Kommunaler Familientisch" eingerichtet, der sich aus interessierten Bürgern und Bürgerinnen und örtlichen Akteuren, die sich mit dem Thema Familie befassen, zusammensetzte. Daraus entstand dann der Familienbeirat als heute fest etabliertes Gremium, das den Stadtrat berät und Sprachrohr der Bamberger Familien ist. Und hier wiederum wurde die Idee geboren, eine Familienbeauftragte zu benennen.

gaz: Was sind Ihre Ziele als Familienbeauftragte?

Filkorn: Ich möchte die Bedeutung von Familie in die Köpfe der Leute bringen. Insofern finde ich die politische Diskussion nicht chic, sondern überlebensnotwendig. Denn Familie ist die Basis unserer Gesellschaft, hier wachsen die zukünftigen Arbeitnehmer, Beitragszahler und Konsumenten heran. Nur leider ist es in unserer Gesellschaft so, dass Kinderlosigkeit belohnt wird und dass Leute, die viel Zeit und Geld in Kinder investieren, abgestraft werden. Aber ich möchte Familie auch aus so einem gewissen "weihnachtsheiligen Dunstkreis" herausbringen. Mir geht es um die Anerkennung ganz konkreter und praktischer Bedürfnisse. Unternehmen z.B realisieren das zunehmend: Sie erkennen, dass sie gute Arbeitskräfte dann bekommen, wenn ihr Betrieb und auch der Ort ihres Betriebes familienfreundlich ist.

gaz: Wie sieht ihr Arbeitsalltag aus?

Filkorn: Ich unterstütze die Arbeit des Familienbeirats, gebe Anregungen, greife Impulse auf und vernetze diese mit städtischen Stellen und anderen Institutionen. Ich erledige Bürgeranfragen und halte Kontakt zum Bündnis für Familie in Berlin und in der Metropolregion Nürnberg. Konkrete Projekte, an denen ich derzeit arbeite sind z.B. der gerade neu erschienene Familienratgeber, den ich mit anderen zusammengestellt habe. Dann bin ich dabei, mit vielen anderen Akteuren aus der Region eine "Bamberger Allianz Familien und Unternehmen" ins Leben zu rufen, bei der es um mehr Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz geht. Ich beteilige mich daran, die Familienfreundlichkeitsprüfung in der Stadt Bamberg konkret umzusetzen. Zudem biete ich neben meinen regelmäßigen Bürgersprechstunden eine Willkommensberatung für neu zugezogene Familien an.

gaz: Das klingt eigentlich nach Fulltimejob.

Filkorn: Stimmt. Doch auch wenn es viel Arbeit ist und ich ehrenamtlich tätig bin, macht es mir sehr großen Spaß – mehr als ich erwartet hätte.

gaz: Das hört sich an, als hätten Sie im Rathaus offene Türen eingerannt.

Filkorn: Mein erster Eindruck war tatsächlich überaus positiv. Alle Leute haben mich sehr aufgeschlossen empfangen. Sobald ich meine Anliegen dann konkret mache, wird es hie und da schon etwas schwieriger. Aber mit Nachdruck geht dann vieles, und bisher hat die Kooperation dann immer gut geklappt.

gaz: Stellen Sie sich das Jahr 2008 vor. Was wünschen Sie, dass sich bis dahin konkret verändert hat?

Filkorn: Dass die Bedürfnisse der Familien in der städtischen Verwaltung und bei allen anderen Institutionen automatisch immer mitgedacht werden. Dass die "Allianz Familien und Unternehmen" zustande gekommen ist und funktioniert. Und dass es mehr Krippen, Ganztagsbetreuung und mehr Ferienbetreuungsangebote gibt.

gaz: Und was sind Ihre längerfristigen Visionen? Bitte auch konkret.

Filkorn: Ich würde mir für jeden Stadtteil ein Familienzentrum wünschen, das niederschwellige Unterstützungsangebote macht: beispielsweise von der Krabbelgruppe über ein Frauencafé bis hin zum Stadtteilflohmarkt. Das kann ganz einfach mal ein Raum bei einem Kindergarten oder in der jeweiligen Kirchengemeinde sein. Einfach eine Stelle, wo Familien jederzeit unverbindlich hin können.

gaz: Ist Familie damit nicht auch ausgrenzend? Wer keine Kinder hat, hätte in so einem Zentrum nichts zu suchen, oder?

Filkorn: Überhaupt nicht. Das ist oft ein Missverständnis, dass die Interessen von Familien den Interessen von z.B. Senioren oder Jugendlichen entgegenstehen. Das Familienzentrum ist hier sogar ein gutes Beispiel. Als Stadtteilzentrum könnte es natürlich auch Raum für einen Senioren-Treff anbieten oder Hiphop-Tanzkurse für Jugendliche. Außerdem gibt es ohnehin Überschneidungen: Senioren suchen Familienanschluss als "Leihopa oder Leihoma" und Jugendliche möchten gerne mal als Baby-Sitter einspringen. Ein solches Zentrum könnte auch gut genutzt werden, um Menschen mit Migrationshintergrund zu integrieren. Ich hoffe, dass mit der Zeit eine gute Vernetzung mit den anderen Beauftragten und Beiräten der Stadt Bamberg entsteht. Dann könnten alle ihre Interessen in solche Konzepte einbringen.

gaz: Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

 

 

 

 

 


Gisela Filkorn, 54 Jahre, Mutter von zwei Söhnen, ist seit Juli 2006 Familienbeauftragte der Stadt Bamberg und wurde vom Stadtrat für ein Jahr gewählt. Außerdem ist sie Mitglied des Vorstands der Grün-Alterntiven Liste GAL.