Wer in Bamberg am Pfisterberg,
bei der Luitpoldkreuzung oder in der Hallstadter Straße wohnt,
lebt gefährlich. Denn dort ist es laut, und Lärm kann krank
machen. Das hat die Europäische Union erkannt und vor fünf
Jahren die "Richtlinie zur Bewertung und Bekämpfung von
Umgebungslärm" erlassen. Da Verkehrslärm als Lärmquelle
Nummer Eins gilt, wird das vor allem Auswirkungen auf das Wohnen
an viel befahrenen Straßen haben. Auch einige in Bamberg gehören
dazu.
Der Pfisterberg - hoher Lärmpegel und erhöhte Rußwerte (Foto:
Erich Weiß)
66 Prozent der BundesbürgerInnen in den alten und
79 Prozent in den neuen Bundesländern fühlen sich laut einer
Umfrage des Bundesumweltministeriums durch Verkehrslärm
belästigt.
Und dabei ist der Krach von der Straße nicht nur
eine Last, sondern auch eine Gefahr. Eine Untersuchung des
Bundesumweltministeriums von 4000 Infarkt-PatientInnen hat
ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts um 30%
höher liegt, wenn man in Gebieten mit hoher Verkehrsbelastung (65
dB) wohnt. Andere Risikofaktoren wurden dabei mit berücksichtigt.
Auch eine epidemiologische Studie der Stadt
München ergab ein erhöhtes Erkrankungsrisiko bei lautem
Straßenverkehrslärm ab 65 dB.
2700 Lärmtote im Jahr
Wissenschaftler rechnen so mit 2700 Lärmtoten in
Deutschland pro Jahr. Der interdisziplinäre Forschungsverbund
Lärm und Gesundheit an der Technischen Universität Berlin
schätzt, dass das Risiko, im Laufe des Lebens aufgrund von Lärm
einen Herzinfarkt zu erleiden, zehn mal so hoch ist wie das, an
krebsauslösenden Luftschadstoffen zu erkranken. Ein Vergleich,
der Gänsehaut verursachen kann – denn wer an einer
Hauptverkehrsstraße leben muss, hat so gesehen die makabre
Chance, Herzinfarkt und Lungenkrebs effizient miteinander zu
kombinieren.
Gesetz schreibt Lärmminderung vor
Problem erkannt – Gefahr gebannt? Naja, so
schnell funktioniert Bürokratie nicht. Nach Inkrafttreten der
EU-Umgebungslärmrichtlinie im Jahr 2002 musste diese erst in
bundesdeutsches Recht umgesetzt werden. Dies geschah mit einer
Ergänzung des Bundesimmissionsschutzgesetzes und einer
entsprechenden Durchführungsverordnung, die seit 2005 bzw. 2006
in Kraft sind.
Demnach gelten alle Straßen mit mehr als 6
Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr (entspricht 16.400 pro Tag) als
belastet und müssen bis zum 30. Juni 2007 kartiert werden. Das
heißt: Vor Ort sind Lärmmessungen durchzuführen, um die exakte
Lärmbelastung nachzuweisen. Ergeben diese Messungen einen
Handlungsbedarf, müssen im folgenden Jahr laut Gesetz
Lärmaktionspläne mit geeigneten Maßnahmen zur Lärmminderung
erarbeitet werden.
Zuständig hierfür sind die Bundesländer.
Allerdings ist man sich bisher nicht einig darüber, ab welchem
Lärmpegel Aktionspläne nötig sind. Das Bundesumweltministerium
schlägt Tageswerte von 65 dB und Nachtwerte von 55 dB als
Grenzwerte vor. Viele Bundesländer wollen die Notwendigkeit von
Lärmminderungsmaßnahmen aber erst ab 75 dB bzw. 65 dB
anerkennen, denn Lärmschutz kostet Geld und da sagen sich die
meisten Finanzminister: Lieber laut als teuer.
In Bayern ist das Landesamt für Umweltschutz
derzeit dabei, Lärmkarten für 3000 Kilometer
Hauptverkehrsstraßen in rund 500 bayerischen Kommunen zu
erstellen. In Bamberg kann das LfU dabei auf eine
Verkehrslärmkarte aus dem Jahr 1997 zurückgreifen, die
allerdings nicht auf akustischen Messungen, sondern auf Zählung
des Kfz-Aufkommens beruht.
Aufgrund dieser Daten stehen an einigen Bamberger
Straßen in den nächsten Jahren Maßnahmen zur Minderung des
Verkehrslärms an – und es sind nicht gerade
Überraschungskandidaten darunter, sondern altbekannte Ecken, die
seit langem unter der Last des Durchgangsverkehrs stöhnen: etwa
die Königstraße, die Memmelsdorfer Straße oder die
Luitpoldstraße. Bei vielen von Ihnen wurden vor Jahren bereits
Grenzüberschreitungen bei der Ruß- und Benzol-Belastung
festgestellt. (Siehe Tabelle unten)
Maßnahmen von Tempo 30 bis City-Logistik
Um die Lärmbelastung für AnwohnerInnen viel
befahrener Straßen zu mindern, kann man an zwei Hebeln ansetzen:
an den Häusern oder an der Straße. Wo Lärmschutzwände
unmöglich sind, wie bei den meisten Innenstadt-Straßen, bleibt
beim baulichen Lärmschutz nur noch die Möglichkeit,
Lärmschutzfenster nachzurüsten. Solche Lärmschutzprogramme
werden hie und da in Kommunen aufgelegt, in Bamberg hat sich der
Umweltsenat zuletzt 1996 damit befasst – und ein solches Projekt
abgelehnt, aus Kostengründen.
Beim Verkehr kann man hingegen vielfältiger
ansetzen: Einen Unterschied macht schon der Straßenbelag: Eine
Pflasterdecke ist bei Tempo 50 um 6 dB geräuschvoller als eine
Asphaltdecke. Nur kann man freilich in einer Weltkulturerbestadt
wie Bamberg historisches Kopfsteinpflaster nicht so einfach mit
einer Teerschicht überdecken.
Da beim Verkehr gilt, je größer, desto lauter,
bringt eine Tonnage-Beschränkung für den Schwerlastverkehr
ebenfalls etwas Erleichterung. Im Jahr 2001 hat die Stadt Bamberg
ihr Schwerverkehrsnetz zuletzt überarbeitet und entsprechend neue
Ausschilderungen vorgenommen. Was jedoch bisher nie forciert wurde
– obwohl von der GAL immer angemahnt – ist die Einführung
eines City-Logistik-Systems zur Belieferung der innerstädtischen
Geschäfte und Betriebe. Bis heute fährt jeder einzelne Lkw jeden
einzelnen Laden in der Stadt an. Über ein City-Logistik-System
würden diese vielen Fahrten gebündelt und Lieferungen
zusammengefasst – der Schwerlastverkehr in der Innenstadt würde
weniger.
Kommunen können in belasteten Straßen die
zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 auf 30 Stundenkilometer
reduzieren. Auf der durchschnittlichen Lärmpegel-Skala bringt das
zwar nur 2 dB, aber weitaus mehr beeinflusst es das individuelle
Lärmempfinden, weil dieses auch vom Momentanpegel der vorbei
fahrenden einzelnen Fahrzeuge abhängt. Den letzten Vorstoß
hierzu gab es in Bamberg im Jahr 2000 im Zuge der Diskussion über
erhöhte Ruß- und Benzolwerte in einigen Straßenzügen. Die
vorgeschlagenen Tempo-30-Limits fanden damals aber keine Mehrheit
im Stadtrat.
Neuer Drive für Verkehrspolitik?
Und schließlich gibt es natürlich noch die
verkehrslenkenden und -reduzierenden Maßnahmen, mit denen sich
Bamberg ja bekanntlich besonders schwer tut. Ob von dem
Verkehrsentwicklungsplan, der vom Stadtrat im Jahr 2000
beschlossen wurde und seither tröpfchenweise umgesetzt wird,
allerdings viel in Sachen Lärm zu erwarten ist, lässt sich
bezweifeln. Denn das Ziel des Plans ist nicht eine
Verkehrsreduzierung, sondern es nennt sich
"Plafondierung". Hier heißt das: Die Anteile der
Verkehrsträger an den Gesamtwegebeziehungen (Modal-split) sollen
unverändert bleiben. Insgesamt wird der Verkehr aber laut
Prognose um ca. 20 % zunehmen, also – weil sich ja am Modalsplit
nichts ändern soll – wird auch der Autoverkehr und damit auch
die Lärm- und Schadstoffbelastung um 20 % zunehmen. Die GAL hatte
sich bei Beschluss des Verkehrsentwicklungsplans mit der
Zielvariante "Umverteilung" nicht durchsetzen können.
Das hätte bedeutet, dass die prognostizierte Verkehrszunahme auf
den Umweltverbund (Bus, Radfahren und zu Fuß gehen) zu verlagern
wäre. Vielleicht aber schaffen es ja auch die neuen
Lärmvorschriften, neuen Drive in Richtung einer echten
Verkehrsberuhigung zu bringen.
mehr als 16.000 Fahrzeuge: |
mehr als 20.000 Fahrzeuge: |
Memmelsdorfer Straße
Friedrichstraße
Richard-Wagner-Straße ***
Regensburger Ring
Teile der Starkenfeldstraße |
Memmelsdorfer Straße zwischen
Siechenkreuzung und Brennerstraße *
Hallstadter Straße zwischen
Lichtenhaidestraße und Laubanger *
Königstraße zwischen Löwenbrücke und
-Luitpoldkreuzung *
Ludwigstraße zwischen Zollnerunterführung
und Bahnhof
Pfisterstraße (Pfisterberg) **
Luitpoldstraße zwischen Luitpoldkreuzung
und Luitpoldbrücke
Hainstraße zwischen Schönleinsplatz und
Richard-Wagner-Straße
Berliner Ring
Münchner Ring |
* auch erhöhte Werte bei Ruß
** erhöhte Ruß-Werte in der Pfisterstraße und umliegenden
Straßen (Nürnberger Straße, Steinweg, Peuntstraße)
*** erhöhte Ruß- und Benzol-Werte an der Nonnenbrücke |
Kfz-Aufkommen pro Tag, Stand 1997
(Quelle: Verkehrsentwicklungsplan Stadt Bamberg)
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