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Architektenwettbewerbe künftig mit Schere im Kopf?

Die harsche Kritik an den Siegerentwürfen zu den Unteren Mühlen und zur Kettenbrücke könnte ungewollte Nachwirkungen haben.


Kettenbrücke für alle - Kein Wunsch bleibt mehr offen bei diesem Entwurf, oder?

Karikatur: Maria Sebald

 

Der Neubau der Kettenbrücke und die geplanten Baumaßnahmen an den Unteren Mühlen haben die Bamberger Gemüter bewegt wie schon lange nicht mehr. Beide Male standen Entwürfe im Zentrum der Kritik, die aus Architektenwettbewerben entstanden waren. Beide Male verlangten nicht wenige Stimmen, bei den Neubauten auf historische Bauwerke zurückzugreifen, also historisierend zu bauen. Moderne Architektur scheint geradezu verpönt und wird am Stammtisch bis zur Unkenntlichkeit zerredet.

Kritik gab es auch schon bei bisherigen Wettbewerben mit modernen Ansätzen, wie etwa bei der Konzert-und Kongresshalle und dem benachbarten Hotel, oder bei den Baugebieten Ochsenanger und Mayersche Gärtnerei. Die Abwehr der Sieger-Entwürfe für Kettenbrücke und Untere Mühlen ist dagegen von anderem Kaliber. In Bausch und Bogen werden diese – freilich nicht von allen – als unpassend und unwürdig in einer Weltkulturerbestadt verurteilt. Und das hat möglicherweise nicht nur Nachwirkungen auf diese Bauprojekte, sondern auch auf die zukünftigen Architekturwettbewerbe, die Bamberg hoffentlich noch in Auftrag geben wird. Denn Architekten, die sich daran beteiligen, haben dann – das steht zu befürchten – von vorne-herein die Schere im Kopf. Wer den Eindruck hat, dass eine Stadt allzu moderne Formensprache, allzu gewagte Ideen, allzu außergewöhnliche Perspektiven nicht verträgt, wird pragmatischerweise mehr auf Althergebrachtes, Konventionelles und Stromlinienförmiges setzen.

Das soll nicht heißen, dass man das starke Unbehagen, das modernes Bauen in der Altstadt vielen Menschen bereitet, nicht ernst nehmen sollte. Bamberg hat hier ein Vermittlungsproblem. Dazu der Kommentar von Ursula Sowa.

 

Forum Weltkulturerbe

 

Miteinander von Architekten und Bürgern moderieren

Neues Bauen in Bamberg hat es wirklich nicht leicht. Heftig bekämpft wird das Ergebnis des Architektenwettbewerbes an der Unteren Brücke, und auch die Ergebnisse der Kettenbrücke werden zwar in etwas milderem Licht gesehen, aber auch energisch diskutiert.


Ursula Sowa war von 1990 bis 2002 Stadrätin der GAL, von 2002 bis 2005 Mitglied des Deutschen Bundestags

Woran liegt es, dass die Bamberger so unzufrieden sind? Verstehen die Architekten ihre Bürgerinnen und Bürger nicht mehr – oder umgekehrt? Warum werden die teueren Wettbewerbsergebnisse zum Folterinstrument und nicht zu einem Geschenk an die Bürger und zu einer Trophäe in der Metropolregion? Wie kommt es, dass die Ergebnisse am Stammtisch, auf einer Bürgerversammlung und auf den Internet- und Leserbrief-Seiten des Fränkischen Tages debattiert, kritisiert und demontiert werden?

Was fehlt, ist eine bürgernahe Vermittlung der Wettbewerbsergebnisse, deren Qualität sich nicht von vornherein jedem erschließt. Das ist keiner Bürgerin und keinem Bürger vorzuwerfen. Moderne Werke im Bereich der Musik, des Theaters, der Literatur, des Tanzes lösen ähnliche Verständnisprobleme aus. Und trotzdem kommt keiner auf die Idee, Urteile am Stammtisch als Kulturbarometer zu benutzen.

Bamberg hat also ein gehöriges Vermittlungsproblem. Was ist falsch gelaufen?

Der erste Schritt wäre gewesen, die Bürgerschaft rechtzeitig in die Planungen einzubeziehen – noch bevor die Wettbewerbskriterien abgefasst werden. Unsere Bürger und Bürgerinnen wissen am besten, welche Nutzungen wir auf der Kettenbrücke und an den Unteren Mühlen brauchen, welche Nutzungen eine Bereicherung sind und den Jetztzustand verbessern. Aber die Bürger wurden nicht gefragt. Ihnen wird zugemutet, sich mit den fertigen Ergebnissen abzufinden. Ein Versäumnis, das sich jetzt bitterlich rächt.

Um aus diesem Bamberger Dilemma herauszukommen, bleibt nur ein Weg. Die Stadtspitze muss sich bemühen, die Ergebnisse der Wettbewerbe in moderierten, sorgsam vorbereiteten Veranstaltungen so zu vermitteln, dass die Qualität der Entwürfe klar verständlich wird. Dazu gehört Mut, aber auch Sachkenntnis und Vorstellungsvermögen.

Im Falle der Kettenbrücke ist es noch nicht zu spät, Nutzungsvorstellungen der Bürger und Bürgerinnen für eine Brücke mit hoher Aufenthaltsqualität rund um das Jahr mit einzuplanen. Die drei ersten Preise eignen sich bestens für eine ergänzende Überarbeitung. Die Brückenkonstruktion bleibt unangetastet. Denkbar sind etwa temporäre Podien, Beleuchtungskörper, Materialien und Farbgestaltungen, Wind- und Sonnensegel, Verkaufsmöglichkeiten, Performanceplattformen, akustische Nischen und eine bessere Einbeziehung der Uferzonen.