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Mobilfunk – "die Eisenbahnkrankheit des 21. Jahrhunderts"?

Rund vier Monate nach Inbetriebnahme einer neuen Mobilfunkstation auf dem Anwesen Schwarzenbergstraße 50 scheinen sich die Fronten zwischen dem Hauseigentümer und seinen besorgten NachbarInnen weiter zu verhärten. Während die AnwohnerInnen verstärkt über die typischen Symptome wie Bluthochdruck, Schlaflosigkeit und Übelkeit klagen und davon sprechen, dass die Strahlungsleistung der Anlage zur Nutzung der UMTS-Technologie kontinuierlich hochgefahren worden sei, versucht die Familie Keiling mögliche Gesundheitsgefahren zu verharmlosen und eine weitere Berichterstattung in der gaz rechtlich zu verhindern.


Der Streit um die Mobilfunkanlage in der Schwarzenbergstraße spitzt sich weiter zu. Foto: Herbert Mackert

Nach Veröffentlichung der letzten gaz-Ausgabe (Nr. 66 vom Februar/März 2006 - hier der direkte Link) erhielt die gaz-Redaktion Post von Heinz Keiling, dessen Sohn Thomas die Firma "Keiling electronic" im Haus Schwarzenbergstr. 50 betreibt. Er monierte insbesondere ein Foto in der gaz 66 von dem Gebäude, auf dem zugleich das Dach mit Mobilfunkantenne und die Firmenaufschrift auf der Hauswand zu sehen war, und forderte eine Richtigstellung. Denn die Firma "Keiling electronic" habe mit der Antenne nichts zu tun. Die gaz-Redaktion lehnte dies ab.

Monate später kam ein neues Schreiben, diesmal von einer Rechtsanwaltskanzlei, die die Vertretung von Thomas Keiling als Firmeninhaber übernommen hatte. Darin wurde die Homepage der GAL beanstandet, auf der auch alle gaz-Artikel veröffentlicht sind, und gefordert, das strittige Foto innerhalb von drei Tagen von der Internetseite zu entfernen.

Begründung: Da das Haus Schwarzenbergstraße 50 nicht Eigentum der Firma "Keiling electronic" sei, habe das gaz-Foto und die kritische Berichterstattung "einen rechtswidrigen Eingriff in den Gewerbebereich unseres Mandanten" verübt, somit dessen Schutzbereich verletzt. Und weiter: Es sei "offensichtlich (...), dass potentielle Kunden, die – wie Sie – gegen die Errichtung von Mobilfunkmasten im Stadtgebiet eingestellt sind, abgeschreckt werden und wegbleiben. Der Umsatzrückgang ist bereits signifikant." Abschließend wurde noch mit gerichtlichen Maßnahmen gedroht und die Zahlung einer Rechtsanwaltsgebühr in Höhe von 555 Euro verlangt. Selbstverständlich ist die gaz dem Keilingschen Verlangen nicht nachgekommen.

"Signifikante Umsatzrückgänge"

Denn die Argumentation der Familie Keiling ist mehr als spitzfindig. In der Tat hat die auf dem Bild in der gaz 66 abgebildete Unterhaltungselektronikfirma Keiling insoweit nichts mit der Mobilfunkantenne zu tun, als sie nicht Eigentümerin des betreffenden Grundstücks ist. Diese Behauptung wurde in der gaz auch nie aufgestellt. Nach unseren Recherchen und dem aktuellen Grundbuchauszug ist das Anwesen im Eigentum von Agnes Keiling – sie ist die Ehefrau des ehemaligen Firmenchefs Heinz Keiling und Mutter des jetzigen Firmenchefs Thomas Keiling.

Interessant ist immerhin, dass die Firma Keiling selbst von "signifikanten Umsatzrückgängen" spricht, die sie offenbar eindeutig auf die Mobilfunkanlage zurückführt. Die Familie Keiling sollte sich deshalb eher fragen, ob die Vermietung ihres Daches an einen Mobilfunkanbieter diese Geschäftsschädigung wert war. Aber vielleicht rechnet es sich ja auch finanziell. Über ihre Mieteinnahmen hat sich die Familie Keiling in der Öffentlichkeit bisher ausgeschwiegen.

"Angst machende Propaganda"

In Flugblättern und einem Leserbrief wehrt sich Keiling sen. jedoch vehement gegen die in seinen Augen "Angst machende Propaganda" seiner Nach-bar-Innen, der MobilfunkgegnerInnen im allgemeinen und der "grünen Bewerberin um den Bürgermeisterposten" (gemeint ist Ursula Sowa) im besonderen. Den Mobilfunk vergleicht er mit der Einführung der Eisenbahn im 19. Jahrhundert. Auch damals hätten Ärzte vor der "rasenden" Geschwindigkeit der ersten Lokomotiven von rund 40 Stundenkilometern gewarnt. "Doch mit der Zeit verschwand das Misstrauen gegenüber der Geschwindigkeit, und die Passagiere genossen das Reisen", heißt es in dem Flugblatt, das mit dem Satz endet: "Die Angst vor dem Mobilfunk ist die Eisenbahnkrankheit des 21. Jahrhunderts."

NachbarInnen fordern Netzplan

Die NachbarInnen und Mobilfunk-SkeptikerInnen fühlen sich dagegen eher wie David gegen Goliath. "Die Dinge beim Namen zu nennen, gilt schon als Propaganda", sagt Mechthild Westiner, die Sprecherin der mittlerweile 20 Mobilfunk-Initiativen in Bamberg-Stadt und -Land. Gegenüber den Bürgergruppen verfügten doch die Mobilfunkanbieter über ein Vielfaches an Propaganda- und Werbemöglichkeiten, kritisiert sie.

Der Dachverband der Bamberger Mobilfunkinitiativen fordert weiter einen Netzplan wenigstens für das Stadtgebiet, in dem die Mobilfunkanbieter verpflichtet werden, ihre inzwischen über 40 Sendeanlagen so abzustimmen, dass die geringstmögliche Strahlungsbelastung entsteht.

Weil sich aber die Betreiber einer Mitarbeit an einem Netzplan verweigern, und die Stadt keine rechtliche Handhabe hat, eine Netzplanung durchzusetzen, bleibt dies vorerst Wunschdenken.

Zuhause im Strahlungskegel

Kein Trost für die AnwohnerInnen entlang der Schwarzenberg-, Nürnberger- und Strickerstraße. Einige zogen die Konsequenzen und kündigten ihre Mietwohnungen. Andere aber haben ihre vier Wände erst vor wenigen Jahren gekauft und viele tausend Euro in ihr Zuhause investiert. Wie eine Frau, die in ihrer im direkten Strahlungskegel der Anlage gelegenen Wohnung inzwischen eine Belastung von über 3000 Mikrowatt pro Quadratmeter misst. Seither klagt ihr Sohn auffallend häufig über Nasenbluten.

Das Argument der Mobilfunkindustrie, viele Sendeanlagen mit geringerer Leistung seien weniger gesundheitsgefährdend als wenige Antennen, von denen aber jede stärker strahlt, hält Initiative-Sprecherin Westiner für eine Milchmädchenrechnung. Elektromagnetische Leistungen könne man nicht einfach addieren. Es komme vielmehr auf die Reflexionssituation vor Ort an. Und da gebe es oftmals einen verdichteten Wellensalat, der die Belastung um ein Vielfaches erhöhe. Der Vergleich Mobilfunk – Eisenbahn ist für Westiner absurd: "Die biologische Wirkung von elektromagnetischen Strahlen auf menschliche Zellen ist eindeutig nachgewiesen."