GAL BAMBERG

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GALliges

Mea maxima culpa!

Kennen Sie jemanden, dem der "neue" FT gefällt? Ich auch nicht. Und das bereitet mir allmählich schlaflose Nächte. Nicht etwa, weil ich ihn gut fände. Sondern weil es vielleicht meine Schuld ist, dass er so geworden ist, wie er eben jetzt ist.

Ich bekenne: Ich bin einer jener Teilnehmer, die beim ominösen "Reader Scan" mitgemacht haben. Und die Ergebnisse dieser Untersuchung sind ja, wenn man dem Fränkischen Tag glauben darf, ursächlich für den "Relaunch" des Blattes. Ich verstehe zwar nicht ganz, wie aus dem Anstreichen von bestimmten Textstellen geschlossen werden kann, dass man genau das auch lesen will. Ich interessiere mich nun mal z.B. für Kommunalpolitik. Und da quäle ich mich dann auch durch einen ganzseitigen Erguss des Herausgebers zur Lage der Bamberger Dinge – es könnte ja doch etwas Interessantes drinstehen. Aber der Wunsch auf solcherart Lektüre hält sich bei mir doch in engen Grenzen.

Noch weniger begreife ich, dass die Reader-Scan-Auswerter in der Lage sind, aus dieser ausschließlich quantitativen Erhebung qualitative Schlüsse zu ziehen. Wenn ich die 143. Glosse des Chefreporters zur Brückenfrage pflichtbewusst zur Kenntnis genommen habe (und allenfalls mit "4-" und einem "schlicht überflüssig" bewertet hätte), dann wird dieser Leseakt von den flotten Scan-Auswertern offenbar zu einem "Bitte mehr von dieser Sorte!" umgedeutet und der journalistische Hans Dampf mit einer weiteren regelmäßigen Kolumne in der Wochenendbeilage belohnt…

Völlig undurchschaubar wird die Auswertung aber dann, wenn auf ihrer Basis plötzlich völlig neue Rubriken und Inhalte auftauchen. Ein dröges Leser-Foto habe ich mir ebenso wenig gewünscht wie die Häufung "sinnreicher" Sprüche oder gar Top-/Flop-Hitparaden und ähnliche Platzfüller. Ebenso wenig hätte ich dafür plädiert, Artikel zu ein und demselben Sachverhalt in mehr oder minder langen Versionen auf der Titelseite, im Lokalteil und womöglich auch noch im Wirtschaftsteil zu lesen.

Nie, ich betone: nie, sind die Reader-Scan-Teilnehmer gefragt worden, wie sie denn die journalistische Qualität der gelesenen Artikel beurteilen. Und was sie denn eventuell im alten bzw. im neuen FT vermissen, das werden sie erst nach Abschluss der letzten Reader-Scan-Welle und nach der Umgestaltung des Blattes gefragt.

Mir schwant deshalb: Ich bin vielleicht doch nicht schuld daran, dass der FT heute so aussieht, wie er eben aussieht. Könnte es sein, dass die Reader-Scanner letztlich nur die probate Legitimation für ohnehin geplante Veränderungen geliefert haben?

Gerd Rudel