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Auf Weltreise zum Bäcker?

"Ein Leben auf dem Land wird sich in 20 Jahren kaum jemand mehr leisten können." Mit diesen drastischen Worten fasste der Journalist Gerhard Matzig bei einer Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung zusammen, wie sich die demografische Entwicklung auf unsere Städte und Regionen auswirken wird. Ob diese Prognose auch in den Amtsstuben der Rathäuser in und um Bamberg zur Kenntnis genommen wird, ist fraglich. Dort heißt es eher: "business as usual" – sprich: neue Baugebiete ausweisen, koste es, was es wolle.

 

Warum soll das Leben auf dem Land teurer werden, mag manch einer fragen. Wenn die Nachfrage nach Wohnraum abnimmt, wird dieser doch billiger!? Stimmt, aber die Kosten für Infrastrukturmaßnahmen steigen immens: Alle Gebühren, von Abwasser über Müll bis zur Straßenreinigung werden auf weniger Menschen umgelegt, also für jeden einzelnen teurer. Und nicht nur das. Im Raum Brandenburg beispielsweise muss die aufwändig sanierte und für viel mehr Menschen angelegte Kanalisation regelmäßig zusätzlich gespült werden, weil sie sonst schlichtweg unterlastet ist und nicht mehr richtig funktionieren kann – auch das verursacht Zusatzkosten. Zudem werden alltägliche Wege und Bedürfnisse teurer, wenn eine Versorgung vor Ort nicht mehr gewährleistet ist und man lange Strecken zum nächsten Lebensmittelladen oder Bäcker zur Schule, zur Apotheke oder zum Arzt zurücklegen muss.

Region Bamberg braucht Siedlungsmanagement

Dass solche Szenarien nicht unwahrscheinlich sind, ist eigentlich bekannt. Die Bertelsmann-Stiftung hat in ihrem "Wegweiser Demografie" die Bevölkerungsprognosen für alle (!) Gemeinden in der Bundesrepublik mit mehr als 5.000 Einwohnern durchgerechnet und entsprechende Empfehlungen ins Internet gestellt. Auch wenn Stadt und Landkreis Bamberg eher zu den "Gewinnerregionen" gehören, die auf eine einigermaßen stabile Bevölkerungsentwicklung hoffen dürfen, sind doch die Herausforderungen auch hier nicht gering: Der Anteil älterer Menschen steigt, die infrastrukturelle Versorgung muss ebenso angepasst werden wie die Siedlungsentwicklung. Gerade im letzten Punkt hat die Region einen großen Nachholbedarf – das sieht man schon mit einem flüchtigen Blick in die Handlungsempfehlungen der Bertelsmann-Stiftung für die im Bamberger Raum vorherrschenden Siedlungstypen: eine interkommunale Kooperation für das Flächen- und Siedlungsmanagement wird den Kommunen dringend ans Herz gelegt, diese Entwicklung soll in "regionaler Verantwortung" gesteuert werden. Zersiedelung ist zu vermeiden, die Infrastruktur am absehbaren Bedarf zu orientieren. Das liest sich wie ein grünes Wahlprogramm – und ist leider in der Region Bamberg weitgehend uneingelöste Programmatik.

Interessant: Bereits in Kleinstädten wie Ebern oder Hollfeld ist mit einem spürbaren Bevölkerungsrückgang (7,3 bzw. 4,7%) zu rechnen. Und selbst in einer typischen Speckgürtelgemeinde wie Strullendorf wird sich die Einwohnerzahl um fast 5 Prozent reduzieren. Der Flächennutzungsplan der Gemeinde geht dagegen immer noch von einer Zunahme von rund 10 Prozent aus. Das heißt: Die demografische Entwicklung wird in den Rathäusern nach wie vor souverän ignoriert.

Kein Flächenfraß auf der grünen Wiese mehr

Ein Blick in den Osten könnte den Verantwortlichen helfen: Dort nämlich ist heute schon zu sehen, was auch bei uns in 20 bis 30 Jahren vielerorts Normalität sein wird: zu wenige Menschen, um die vorhandenen Infrastrukturen aufrecht zu erhalten. Dort ist aber auch zu lernen, dass man solche Entwicklungen nicht passiv wie das Kaninchen vor der Schlange abwarten muss. Zum Beispiel Ostthüringen: Dort wird – trotz spürbaren Bevölkerungsschwunds – mit vorbildlichen Projekten die schulische und medizinische Versorgung sichergestellt und auch die Grundversorgung im Handel und mit Dienstleistungen vor Ort gewährleistet. Ein den neuen Bedürfnissen angepasster ÖPNV spielt in diesen Konzepten eine tragende Rolle.

Wie so oft sind die Bürger/innen in ihrem Bewusstsein offenbar weiter als die politisch Verantwortlichen. Denn das renommierte "Deutsche Institut für Urbanistik" (DIFU) hat jüngst einen Trend zurück in die Stadt festgestellt. In der Studie "Wohnen in der Innenstadt" hat das DIFU einen umfangreichen Katalog von Handlungsempfehlungen vorgelegt, wie die Städte diesen Trend unterstützen und fördern könnten.

Ob jedoch die Bamberger Stadtspitze an diesen Erkenntnissen teilhaben wird, bleibt fraglich. Sie hat vor Jahren ihre Mitgliedschaft beim DIFU gekündigt, um Geld zu sparen…

Seit 1996 investiert die Stadt Bamberg in das viel zitierte "Jahrhundertprojekt Kanalsanierung". Die gesamte Investitionssumme beträgt 500 Millionen DM und zusätzlich mehrere 100 Millionen DM Zinszahlungen für Kredite. Eine Maßnahme solcher Größe muss sich rentieren, d.h. es müssen genug Menschen das Kanalsystem auch nutzen und auslasten. Ein Siedlungsmanagement ist gefragt.

Foto: Erich Weiß

 

Links und Literatur

• "Wegweiser Demografie" der Bertelsmann-Stiftung:
http://www.wegweiserdemographie.de

• Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung: Öffentliche Daseinsvorsorge und demographischer Wandel. Erprobung von Anpassungs- und Entwicklungsstrategien in Modellvorhaben der Raumordnung, Berlin/Bonn 2005:
http://www.bbr.bund.de/veroeffentlichungen/download/oeff_daseinsvorsorge.pdf

• Hasso Brühl/Claus-Peter Echter/Franciska Frölich von Bodelschwing/Gregor Jekel: Wohnen in der Innenstadt – eine Renaissance? Difu-Beiträge zur Stadtforschung 41, Berlin 2005