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Bunte Rechenspiele im Stadtrat?

Bamberg hat einen "roten" Oberbürgermeister! Der Ausgang der OB-Wahl im März hört sich revolutionär für das schwarz-konservative Bamberg an. Doch kommt es wirklich zu politischen Umwälzungen? Wird nun alles anders? Findet GAL-Politik nun unter anderen Vorzeichen statt? Erste Eindrücke nach zwei Monaten Amtszeit und eine Standortbestimmung der GAL.

 

Dass Bamberg am 12. März 2006 "rot" gewählt hat, erfuhr man gewissermaßen als Nachtrag erst nach der Wahl. Geworben hatte der Kandidat Andreas Starke bei allen öffentlichen Auftritten und in allen Wahlkampfinformationen mit seinem clever organisierten bürgerlich-überparteilichen Bündnis aus SPD, FDP, Bamberger Realisten und Freien Wählern. Und als alter "Sozi" präsentierte sich der selbständige Rechtsanwalt schon gar nicht. Vielmehr trat er als der smarte, aber durchsetzungskräftige und klar berechnende Manager-Typ auf, der für das oft als verstaubt geltende Rathaus einen modernen Führungsstil versprach. Gespannt sein darf man also darauf, inwieweit dieses im Wahlkampf aufgebaute Image auch der politischen Realität standhält.

Die von Starke bei Presse-Interviews propagierte neue "Dialogbereitschaft" manifestiert sich nach Beobachtung der GAL-StadträtInnen in einer Gesprächsführung bei Stadtratsdebatten, die weniger rigide, dafür offener und sachlicher ist als zuvor. Auch die Einführung einer Bürgersprechstunde, die vorgesehene Verlegung der Stadtratssitzungen auf 16 Uhr (bisher 14/14.30 Uhr), um mehr BürgerInnen eine Teilnahme zu ermöglichen, und die geplante "Aktuelle Stunde" vor jeder Vollsitzung gehen in Richtung von mehr Bürgerbeteiligung, wie sie von der GAL seit langem angemahnt wurde. Doch auf einen echten Prüfstand kommt Starkes postulierte Offenheit erst wenn es ums Eingemachte geht – etwa bei der von der GAL schon mehrfach thematisierten Frage, wie künftig mit den Aufsichtsratssitzungen und -entscheidungen der städtischen GmbHs und Stiftungen umgegangen wird. Dürfen BürgerInnen und Medien künftig an solchen Sitzungen teilnehmen und die Entscheidungsprozesse verfolgen, oder bleiben sie weiterhin außen vor, ohne zu erfahren, warum die von ihnen gewählten MandatstragerInnen wie entscheiden?

Weitere Knackpunkte aus Sicht der GAL sind die künftigen Ausgaben für den Bauunterhalt und die Ausstattung der Schulen, insbesondere auch die Klassenzahl an den städtischen Schulen. Interessant wird die Zusammenarbeit mit dem Landkreis, die sich Starke ebenfalls schon im Wahlkampf auf die Fahnen geschrieben hat. Schafft er es, die Politik aus eingefahrenem Konkurrenzgebaren herauszuführen und regionales Denken zu verankern? Welche Akzente setzt der Sozialdemokrat Starke in der Sozialpolitik, stemmt er die selbst postulierte "Ausbildungsoffensive", wie wird mit Hartz-IV-EmpfängerInnen umgegangen, werden im Klinikum auch weiterhin Gewinne eingefahren und gleichzeitig Stellen abgebaut? Und wie soll die in die Sackgasse geratene Verkehrspolitik wieder in Gang kommen?

Die GAL hat zu all diesen Themen eine klare Position, von der aus sie dem neuen Oberbürgermeister eine sachliche Zusammenarbeit anbietet. Der GAL wird es in erster Linie um politische Inhalte und nicht um parteitaktische Spielereien gehen. Jeder Vorschlag Starkes ist sorgsam zu prüfen, ob er den Zielen der GAL – zumindest teilweise – entspricht oder nicht. Die sechs grün-alternativen Stimmen im Stadtrat wollen redlich verdient sein – durch inhaltlich überzeugende Konzepte. Für rechtzeitige und vertrauensvolle Gespräche, wie dies im Einzelfall aussehen kann, ist die GAL offen.

Doch wo Andreas Starke seine Mehrheiten tatsächlich sucht, wird sich zeigen. Denn die Rechnung ist einfach: Zusammen mit der CSU-Fraktion (18 Sitze) und seinen eigenen SPD-StadträtInnen (9) würde Starke über eine zumindest rechnerisch "bequeme" Mehrheit in dem 44-köpfigen Gremium verfügen. Wollte er hingegen Mehrheiten anderswo im Stadtrat suchen, müsste er so unterschiedliche Gruppierungen wie die GAL, "Die Bamberger" und die Fraktion aus Freien Wählern, Bamberger Realisten und Liberalen Bürgern unter einen Hut bekommen – zugegebenermaßen nicht gerade eine verlockende Aussicht. Zumal Starke mit der Variante "Schwarz-Rot" als langjähriger SPD-Fraktionsvorsitzender ja bereits sattsam Erfahrung sammeln konnte.

 


Sitzverteilung im Bamberger Stadtrat - Stand: 12. Juli 2006.

 

So stimmte er denn auch seine erste Verwaltungsvorlage zum heiß diskutierten Bau der Forum-Parkplätze ausschließlich mit dem damals neu gewählten Fraktionsvorsitzenden der CSU, Dr. Wilhelm Heller, ab. Sein Pech, dass Heller diese Abmachung in seiner inzwischen offenbar heillos zerstrittenen Fraktion nicht durchsetzen konnte. Starke brachte dies die erste, auch noch öffentlichkeitswirksame Abstimmungsniederlage als OB ein. Auch wenn die CSU dann wieder auf Starkes Linie umschwenkte, weil ihr Verhalten in der Öffentlichkeit als peinlich parteitaktisch wahrgenommen wurde – die größte Fraktion im Bamberger Stadtrat bleibt ein ausgesprochen unsicherer Kantonist für den Oberbürgermeister.

Erfolgreicher präsentieren konnte sich Starke da schon bei der Landesgartenschau, die er innerhalb von zwei Monaten unter Dach und Fach brachte, und damit demonstrieren konnte, wie eine schleppend arbeitende Verwaltung in Schwung zu bringen ist.

Überhaupt war es Starke erste Amtshandlung – sogar schon vor Amtsantritt –, der Verwaltung seinen Stempel aufzudrücken: Mit der Installation eines Bürgermeisteramtes an seinem ersten Arbeitstag siedelte er das Beteiligungscontrolling für sämtliche städtischen Betriebe, GmbHs und Stiftungen direkt bei sich an und gestaltete nach eigenen Worten ein "zentrales und effizientes Steuerungsinstrument für den Konzern Stadt" – sicher ein kluger Schachzug, um nach allen Seiten straffe Zügel zu demonstrieren.

Bis zur nächsten Stadtratswahl bleibt es in jedem Fall spannend und eine genaue Beobachtung des politischen Treibens lohnt sich allemal. Daran, wie ein Oberbürgermeister ohne eigene Mehrheit mit wertvollen Vorschlägen von Stadtratsfraktionen umgeht, die er in der Regel nicht als Mehrheitsbeschaffer nutzen kann, wird sich zeigen, ob die neue Konstellation an der Spitze der Stadt Chancen bietet oder doch nur politische Bremswirkung bis zur nächsten Kommunalwahl entfaltet.

 

Die auf elf Standorte verteilte Stadtverwaltung wollte OB-Kandidat Starke im Wahlkampf noch in einem Technischen Rathaus im Sparkassengebäude am Schönleinsplatz konzentrieren – es war eine seiner Hauptforderungen. Von diesem Vorhaben war in der programmatischen Antrittsrede von Oberbürgermeister Starke allerdings nichts mehr zu hören. Amt und Würden führen wohl auch zu mehr Realitätssinn. Ein solches Großprojekt wäre nicht finanzierbar. Foto: Erich Weiß