Die Strategie der Mobilfunkfirmen
ist zynisch: Man gaukelt Transparenz vor und feilscht um Risiken
Auflage aus stadtgestalterischen Gründen: Die Mobilfunkanlage auf
dem haus Hainstraße 2 musste in einer eigens neu gebauten
Schornsteinattrappe versteckt werden. Foto: Erich Weiß
Im April führte Prof. Dr. Matthias
Wuschek, beauftragt von der Firma T-Mobile, Messungen von
möglichen Strahlenbelastungen durch. Und zwar an den drei
Standorten, die derzeit für neue UMTS-Sender geplant sind und die
von engagierten Anwohnern und Anwohnerinnen massiv bekämpft
werden: Michaelsberg, Konzerthalle und Staatsarchiv. Auch einige
Anwohner und Anwohnerinnen, der Mitarbeiter der Umweltamts,
Herbert Schütz, und natürlich Vertreter der Mobilfunkbetreiber
waren zeitweise dabei.
GAL-Stadträtin Dr. med. Cor-nelia
Waldmann-Selsam begleitete die Messtechniker während des ganzen
Tages. An den drei geplanten Standorten bauten sie eine tragbare
Sendeanlage auf, die jeweils mit einer Frequenz von 2162 MHz und
einer Leistung von 20 Watt sendete.
Der Auftrag von Prof. Wuschek war
allerdings nur, das von dieser einen Probeanlage ausgehende
elektromagnetische Feld zu messen. Bis auf wenige Ausnahmen (auf
Wunsch von zwei Anliegern) wurde also nur diese Frequenz gemessen.
Auf Menschen, die in der Nähe der Konzerthalle wohnen, wirken
jedoch auch die elektromagnetischen Felder der Sendeanlagen vom
Michaelsberg und auf den Stadtwerken, die BewohnerInnen im
Haingebiet sind gleichermaßen von mehreren Mobilfunkanlagen
betroffen. "Eine Kompletterfassung wäre sinnvoll", war
daher auch die Einschätzung, die Prof. Wuschek äußerte.
Doch: Wenn die Messergebnisse nicht
wirklich aussagekräftig sind, warum dann die große Mühe? Ganz
offensichtlich eine vertrauensbildende Maßnahme, die Transparenz
schaffen oder vielmehr vorgaukeln soll.
Denn mittlerweile haben die
Mobilfunkfirmen die Strategie gewechselt. Nicht mehr als völlig
unschädlich stellen sie die Strahlenbelastung dar, sondern
vielmehr als tragbar und von eingrenzbarem Risiko. Da
argumentieren die Firmenleute beim Messtermin schon mal damit,
dass man ja auch im Autoverkehr Gefahren auf sich nehme, oder dass
die Luftverschmutzung ebenfalls gesundheitsgefährdend sei. Oder
eine Ärztin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin lässt lapidar den Hinweis einfließen, dass man
wegen Pollenallergien ja auch nicht alle Blumenwiesen abschaffen
könne (so bei einem Telefonat mit GAL-StR Waldmann-Selsam). Ein
Zynismus, der kaum zu überbieten ist. Tatsache ist, dass aus
kommerziellen Interessen mit der flächendeckenden Mobilfunk- und
UMTS-Technik ausnahmslos allen Menschen etwas aufgezwungen wird,
gegen das sie sich nicht schützen können und dessen Ausmaß an
gesundheitlichen Risiken noch überhaupt nicht abschätzbar ist.
Dass da einige Gefährdungen und
Auswirkungen zu erwarten sind, wird immer deutlicher: Bei einem
Hearing der Grünen-Landtagsfraktion in München berichtete Prof.
Adlkofer von einer europaweiten Studie, die er zusammen mit zwölf
Universitäten erarbeitete. Dabei wurden menschliche Blutzellen
elektromagnetischen Strahlungen ausgesetzt – gezeigt haben sich
bedenkliche Zellkernveränderungen und Chromosomenbrüche.
Doch die Mobilfunkfirmen, deren
Interesse ganz klar maximaler Profit aus teuer erkauften Lizenzen
ist, spielen auf Zeit. Und Gesellschaft und Politik lassen sich
darauf ein. Auf die Frage, was denn sei, wenn möglicherweise in
ein paar Jahren Gesundheitsschäden eindeutig belegt sind,
antwortete Prof. Dr. Wuschek: Dann müsse man eine
gesellschaftliche Diskussion darüber führen, wie viel Risiko man
in Kauf nehmen wolle.
Aber dann ist es zu spät!
Sendeanlagen sind dann bereits gebaut, elektrosensible Menschen
vielleicht nachhaltig geschädigt. Es gilt, jetzt die Entwicklung
zu stoppen und sich erst Klarheit zu verschaffen. Alle
Bürgerinitiativen und Betroffenen (und es kann jeden von uns
treffen!) müssen gemeinsam Druck ausüben und damit auch jene
kritischen PolitikerInnen unterstützen, die ein Moratorium in
diesem Sinne fordern.
Und es gilt natürlich auch, bei uns
selbst anzufangen: Mit jedem Handy-Telefonat schaffen wir
Nachfrage und Grund für neue Masten, wir müssen uns auf einen
bewussten und sorgsamen Umgang mit dieser Technologie besinnen.
Buchempfehlung: Das
große Strahlen – Handy & Co, Die neuen Gefahren des
Elektrosmogs, Hg.: Katalyse-Institut für angewandte
Umweltforschung, KiWi 2002
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