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Verein der ehemaligen Jugoslawen
bietet zweite Heimat – Konflikte werden außen vor gelassen
Eine eigene kleine Welt existiert im
Hinterhof der Ludwigstraße 22 – dort wo der
"Arbeitnehmerclub des ehemaligen Jugoslawien e.V."
untergekommen ist. Man fühlt sich wie eine große Familie, mit
dem gemeinsamen Bedürfnis nach Geselligkeit, ein bisschen
Heimat-Nostalgie und dem unumstößlichen Konsens, politische
Konflikte gar nicht erst aufkeimen zu lassen. Im letzten November
feierte der Verein sein 25-jähriges Jubiläum.
An einem der ersten sonnig-warmen
Sonntage des Jahres sitzen einige Vereinsmitglieder vor dem Haus
und genießen die Abendstimmung. Es wird gekartet, gestrickt, Bier
und Kaffee getrunken und gelacht. Und wie der Vereinsvorsitzende
Stevan Komlenac erzählt, sind das auch die typischen Aktivitäten
des Vereins: Zu den Öffnungszeiten des Hauses in der
Ludwigstraße, immer am Samstag Abend und am Sonntag Nachmittag,
kommen die 20 bis 30 aktiven Mitglieder hierher und verbringen
ihre Freizeit miteinander.
Geburtstage, Hochzeiten, Taufen
Komlenac lebt seit 1969 in
Deutschland und seit 1972 in Bamberg. Eine ähnliche Biographie
teilen auch seine Vereinsfreunde und -freundinnen, die allesamt
schon sehr lange hier ansässig sind und hier auch bleiben wollen.
Sie haben im Verein eine zweite Familie gefunden, ein Stück
Geborgenheit, das man auch als Besucher spürt und in Form von
außerordentlicher Gastfreundlichkeit genießen kann. "Wir
feiern alle Feste zusammen, zum Beispiel wenn jemand Geburtstag
hat, eine Hochzeit oder Taufe ansteht, wir haben auch schon
Begräbnisfeiern abgehalten", berichtet Renate Pulek, die
Kassiererin des Vereins, selbst keine Jugoslawin, sondern
"angeheiratet".

Mitglieder des "Arbeitnehmerclubs des ehemaligen
Jugoslawien" in ihrem Vereinssal, mit der Pokalsammlung.
Die Aktivitäten des Vereins waren
früher etwas breiter gefächert, aber da war man auch noch
jünger. Die vielen Pokale und Sportdiplome, die im Vereinssaal
ausgestellt sind, zeugen heute noch davon und werden stolz vom
Vorstand präsentiert. Das ist allerdings einige Zeit her,
inzwischen fehlt der Nachwuchs, der noch Wettkampfambitionen
hätte. "Unsere Kinder gehen ihre eigenen Wege, haben andere
Vereine oder sind mit Gleichaltrigen in der Disco, sie kommen nur
zu den großen Familienfesten mit", sagt Stevan Komlenac mit
ein bisschen Bedauern in der Stimme. Aber alle akzeptieren das –
und letztlich ist es ja auch ein Beweis für gelungene Integration
in die bundesrepublikanische Gesellschaft: Die Jungen brauchen das
gemeinsame Band der früheren Heimat nicht mehr, ihr Leben ist in
Deutschland verwurzelt.
Die alte Heimat
"Jugoslawien" findet sich in allen Ecken des
Vereinsheims: Einen Raum ziert ein mehrere Quadratmeter großer
Schautisch mit Folkloreuntensilien, die "Heimatsammlung"
genannt: Strümpfe, bemalte Vasen, Tücher und anderes, "das
von unseren Folkloregruppen übrig geblieben ist". Außerdem
sind Bilder mit Trachten aus allen Regionen Jugoslawiens
aufgehängt. Praktisch sind Kontakte zur Heimat aber im Lauf der
25 Jahre dennoch immer weniger geworden, sicher nicht zuletzt
wegen der politischen Wirren im Ex-Jugoslawien.
Politik außen vor lassen
Machen sich die tiefen Konflikte der
verschiedenen ethnischen Gruppen dort nicht auch hier in Bamberg
bemerkbar? Das weisen alle weit von sich. Im Gegenteil, man ist
sogar stolz darauf, dass der Bamberger Arbeitnehmerclub fast der
einzige Verein in ganz Bayern ist, bei dem alle
Bevölkerungsgruppen zusammengehalten haben, trotz Krieg, Gewalt
und Ungerechtigkeiten in der früheren Heimat. Obwohl das nicht
ganz stimmt, denn die Albaner aus dem Kosovo haben in Bamberg
ihren eigenen Verein, zu dem der Arbeitnehmerclub so gut wie
keinen Kontakt hat. Aber an dem Punkt weichen die
Gesprächspartner aus, wollen darüber nicht gerne reden.
Vorsitzender Komlenac betont: "In unserer Satzung sind wir
politisch und religiös neutral. Wir sprechen schon mal über
Politik, aber nicht viel." Wo Differenzen kein Thema sind,
werden sie auch nicht zum Konflikt – immerhin eine
offensichtlich bewährte Strategie.
Auch von der "Kriegszeit",
wie sie die Mitglieder immer nennen, will man heute nicht mehr
gerne sprechen. Vor zehn Jahren, so erzählt Renate Pulek, habe es
viele Flüchtlinge in Bamberg gegeben – ca. 400 Familien aus dem
damals zerbrechenden Jugoslawien. Die meisten davon seien aber
wieder zurückgekehrt. Geblieben sind die Leute aus dem Verein,
die auch vorher schon in Bamberg heimisch waren. Immerhin führte
der Zerfall des Staates zu einer Namensänderung: Die frühere
Bezeichnung "Jugoslawischer Arbeitnehmerclub" war
offenbar nicht mehr tragbar, ganz korrekt ist jetzt nur noch vom
"ehemaligen Jugoslawien" die Rede. Seither mischen sich
auch staatliche Stellen aus der alten Heimat nicht mehr ins
Vereinsleben ein, man ist unter sich. "Aber die Kriegszeit
ist vorbei", wird dieses Thema kategorisch beendet und zu dem
übergeleitet, was für den Club heute wichtig ist.
Bekannt für gute Küche
Und das ist das greifbare und
alltägliche Vereinsleben vor Ort. Es wird viel gekocht und
gemeinsam gegessen im Verein, man hat sich sogar einen eigenen
großen Spanferkelgrill selbst gebaut. Wer kommt, zahlt zwischen
vier und sechs Euro und kann dann so viel essen, wie er will,
meist jugoslawische Gerichte. Ab und zu hat man mittlerweile sogar
andere Verbände als Gäste, die im Vereinssaal eine Feier
abhalten und sich von der guten Küche des Clubs verköstigen
lassen.

Renate Pulek zeigt die "Heimatsammlung". Fotos: Sylvia
Schaible
Von den Einnahmen, in der Küche
arbeiten alle ehrenamt-lich mit, finanziert man die Miete für die
Räume in der Lud-wig-straße, die die Stadt seit 2000 für einen
angemessenen Preis zur Verfügung stellt. Ansonsten bekommt der
Verein keine städtischen Zuschüsse, Kom-lenac und Pulek zeigen
sich dennoch äußerst zufrieden mit den Kontakten, die sie zur
Stadt und zum Ausländerbeirat haben. Auch OB Lauer dürfte bei
seinem Besuch im Vereinsheim anlässlich des Jubiläums zufrieden
gewesen sein, immerhin hängt sein Bild an der Wand des
Vereinssaals, sogar eine Reihe höher als das von Gerhard
Schröder.
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