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Geh-Übungen für die Stadtverwaltung

Entwicklungshilfe in Afrika bedeutet heute vor allem: Strukturen schaffen, um auf eigenen Füßen zu stehen

 

So stellen sich wahrscheinlich die wenigsten einen "Entwicklungshelfer" vor. Die bauen doch Brunnen oder so und gehen nicht jeden Tag von 8 bis 17 Uhr im Jacket ins Büro und sitzen vor dem Computer! Doch in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) gibt es seit einigen Jahren eine Verschiebung – weg von der Projektförderung hin zur Institutionenförderung.

von Frank Holtmeier

 

Oft scheiterten bisher Entwicklungsprojekte, weil es vor Ort an entsprechenden Strukturen und Institutionen fehlt, um sie am Laufen zu halten. Deshalb werden heute nicht in erster Linie Straßen oder Kläranlagen finanziert, sondern die Kommunen werden in die Lage versetzt, dies selbst zu tun. Oftmals fehlt es nämlich weniger am Geld als am Know How und an Managementfähigkeiten.

Motivationsschub PC

In meinem Projektort Karatina wurde ich sehr freundlich aufgenommen, weil die Leute in der hiesigen Kommunalverwaltung mit mir zusammen wirklich etwas voran bringen wollen. Im Grunde ist der Verwaltungsaufbau in Kenia dem sehr ähnlich, was wir in Deutschland kennen.


Verwaltung in Kenia, gestern und heute: Tagelanges Suchen nach Daten soll durch moderne Computertechnik Vergangenheit sein.

Bis vor einem Jahr allerdings hat man bei der Stadt Karatina noch alles manuell gemacht. Dementsprechend lange dauerten viele Vorgänge, und viele Akten waren oft nicht auf dem neuesten Stand, was sich insbesondere negativ auf die Finanzverwaltung auswirkte. Der DED und die Stadt entschlossen sich, die Kosten für ein kleines Computernetzwerk zu teilen, die Schulung des Personals übernahm ich.

Mit Computern zu arbeiten war für die Kollegen und Kolleginnen hier ein enormer Motivationsschub, und für Dinge, die früher eine Woche gedauert haben, brauchen wir jetzt nur noch eine Stunde. Die frei werdenden Ressourcen können so für andere Arbeiten verwendet werden. Inzwischen wird Karatina von anderen Verwaltungen bereits als Vorbild angesehen.

Realistische Planung

Auch im Planungsbereich wurden Fortschritte erzielt. Finanz- und Haushaltspläne hatten bisher so gut wie nichts mit der Realität zu tun. Im Local Authority Development Program 1996, einem örtlichen Entwicklungsplan für jeweils fünf Jahre, waren elf ambitiöse Bauprojekte geplant. Verwirklicht wurde davon keines, die meisten noch nicht mal angefangen. Der Grund: Man hatte einfach nicht berücksichtigt, dass man für all die schönen Projekte gar kein Geld hatte.

Bei der Erstellung des Plans 2001 bis 2005 haben wir uns jetzt erst mal zusammengesetzt und abgeschätzt, wie viel Geld wir in den nächsten fünf Jahren für Kapitalprojekte übrig haben und was wir wann finanzieren können. Wichtig war dabei, dass die Stadt sich auf die Steigerung ihrer eigenen Einnahmen konzentriert und nicht auf eine Projektfinanzierung von außen baut.

Dezentralisierung in Kenia

Die Probleme der Kommunalverwaltungen sind grundlegend: Durch Vetternwirtschaft aufgeblähte Verwaltungsapparate, immens hohe Personalkosten (60 bis 100 Prozent Anteil am Gesamthaushalt sind keine Seltenheit), Korruption und politische Machtkämpfe. Trotzdem schecht bezahlte und entsprechend minderqualifizierte Beschäftigte. Dazu noch eine starke Einflussnahme der kenianischen Zentralregierung, die den Kommunen das Leben schwer macht.


Karibu in Karatina heißt seine BesucherInnen willkommen. Die ostafrikanische Kleinstadt liegt rund 125 Kilometer nördlich der hauptstadt Nairobi, direkt am Fuß des Mount Kenya und besitzt einen der größten Märkte Kenias.

Eine funktionierende lokale Verwaltung ist aber unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung einer modernen oder sich modernisierenden Gesellschaft. Der DED unterstützt seit rund zwei Jahren die Dezentralisierung in Kenia und ist momentan in fünf Kommunen mit BeraterInnen tätig. Zielgruppe sind dabei sowohl die Beschäftigten der Kommunen als auch die gewählten GemeindevertreterInnen und die Bürger und Bürgerinnen. Deren Beteiligung an den Planungs- und Entscheidungsprozessen will man fördern, um so die Demokratisierung von unten zu stärken. Das Programm soll ausgebaut werden, und man hofft, dass ein positiver Einfluss von den Partnerstädten auf andere Gemeinden ausgeht.

Karatina ist eine von vier kenianischen Pilotstädten, in denen ein neu entwickeltes "Integriertes Finanzmanagement System" getestet werden soll. Mit diesem computergestützten Informationssystem sollen zukünftig alle finanziellen Transaktionen erfasst und mit den Planungen abgeglichen werden. Vorteile: mehr Kontrolle bei den Einnahmen und Ausgaben, Probleme können schneller erkannt und angegangen werden, Daten für eine realistischere Finanz- und Projektplanung sind direkt verfügbar.

Kommunaler Nord-Süd-Dialog

Wünschenswert wäre es, wenn es im Rahmen der Agenda-21 auch zu einem verstärkten Austausch zwischen Kommunen im Norden und im Süden kommen würde. Nord-Süd-Städtepartnerschaften könnten eine wichtige Quelle gegenseitigen Lernens und Austau-schens von Know-How sein, die Probleme – leere Stadtsäckel – sind ja hier und da oftmals die gleichen. Vielleicht wäre das ja auch mal eine Überlegung für die Bamberger Stadtväter und –mütter, ob sie nicht ein wenig mehr Verantwortung für diese Eine Welt übernehmen wollen...


Frank Holtmeier (rechts, zusammen mit seinem kenianischen Kollegen Patrick Ngetha) ist Verwaltungswirt und Politologe. Er arbeitet seit Oktober 2000 als Berater für den Deutschen Entwicklungsdienst (DED) in Kenia im Bereich "Förderung der Kommunalen Selbstverwaltung". Von 1992 bis 1997 war er Fraktionsgeschäftsführer der GAL. Er ist erreichbar unter FrankHoltmeier@web.de

 

Grenzen und Möglichkeiten

Entwicklungszusammenarbeit (EZ) kann einen wichtigen Beitrag für eine gerechtere Welt leisten. Sie alleine kann die Verteilungsprobleme auf dieser Welt aber nicht lösen. Hier wären vor allem Veränderungen in den Welthandelsbeziehungen gefragt.

Für die EU würde dies eine weit reichende Reform der heutigen Agrarsubventionen bedeuten, deren Höhe die Mittel für die EZ übigens bei weitem übersteigt.

Produktionsüberschüsse in der EU machen Märkte im Süden kaputt, während sich die europäschen Märkte über Zölle abschotten. Nicht zu viel Liberalisierung ist hier das Problem, sondern zu wenig.

Aber auch hier dienen die herrschenden Spielregeln in erster Linie den Mächtigen. Denn sonst gäbe es den echten Freihandel, den wir dem Süden immer predigen. Damit wäre der Dritten Welt weit mehr geholfen, als mit Entwicklungshilfegeldern, die in der augenblicklichen Situation kaum mehr als ein Reparaturbetrieb sein können.

 

Fotos: Frank Holtmeier