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Durchblick nach Brüssel

Rückkehr nach Europa

 

Von der "Rückkehr nach Europa" sprach der frühere Dissident und heutige tschechische Staatspräsident Vaclav Havel nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus für Osteuropa und meinte damit das Verlangen, nicht länger von der Entwicklung der liberalen europäischen Demokratien abgeschnitten zu sein. Heute, knapp dreizehn Jahre später, ist immer noch kein osteuropäisches Land Vollmitglied der EU.

Während Polen, Ungarn und Tschechien bereits eingebunden sind in das Militärbündnis der NATO, bemühen sich die Zivilgesellschaften dieser und weiterer Länder nach wie vor, die ökonomischen Auflagen der EU zu erfüllen. Größtenteils erreichen sie nur ein Viertel des durchschnittlichen Brutto-Inlandsprodukts der EU-Staaten.

Die neue politische Klasse der östlichen Länder will den EU-Beitritt so rasch wie möglich, doch in der Gesellschaft macht sich zunehmende Skepsis breit. In Polen etwa radikalisieren sich die Bauern und wehren sich schon jetzt – teilweise gewaltsam – gegen EU-Importe landwirtschaftlicher Produkte. Hier und da droht eine Ablehnung des EU-Beitritts per Volksentscheid.

Auch bei den Alt-Mitgliedern hält sich die Begeisterung über eine EU-Osterweiterung in Grenzen. In Deutschland wird befürchtet, dass Kriminalität zunimmt, dass einerseits Produktionsstätten in die östlichen Niedriglohnländer abwandern, andererseits billige Arbeitskräfte durch Migration zu Lohndumping führen.

Immerhin hat die EU eine so genannte "Kommunikationsstrategie für die Erweiterung" aufgelegt: In den Jahren 2000 bis 2006 sollen rund 147 Mio Euro ausgegeben werden, um in Ost wie West die Öffentlichkeit über Beitritt und Konsequenzen aufzuklären und zum Dialog einzuladen.

Bei allen vorauszusehenden Schwierigkeiten im Detail darf nämlich nicht die Gesamtperspektive aus den Augen verloren werden. Ein geeintes Europa sichert nicht nur den Frieden, sondern bietet den Beitrittsländern auch dringend notwendige wirtschaftliche und kulturelle Perspektiven. Und auch Westeuropa wird profitieren: Denn die absolut notwendige Demokratisierung der EU, die Forderung nach mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung bekommt erfahrene Bündnispartner. Schließlich haben die Bürgerbewegungen in Osteuropa schon einmal gezeigt, dass sie Betonstrukturen quasi über Nacht zum Einsturz bringen können.