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Recht auf Bildung: In Bamberg Nebensache?

Sparzwang im Rathaus: Qualität, Angebot und Klassenzahlen der städtischen Schulen werden zusammengestrichen

 


Karikatur: Christiane Pfohlmann


Das Recht vieler Jungen und Mädchen aus Stadt und Landkreis auf eine ihrer Begabung gemäße schulische Ausbildung bleibt auf dem Papier. Zu wenige Klassen und zu wenige Lehrkräfte führen zum Aufnahmestopp an Bamberger Schulen und zu einer Fülle von Vertretungsstunden. Notwendige Bauinvestitionen werden unterlassen, die verlässliche Halbtagsschule ist der Ausnahmefall. An Bambergs Schulen wird gespart. Der Notenschnitt für die Schulpolitik von Verwaltung und Stadtratsmehrheit zu Beginn des Schuljahrs: Mangelhaft!

 

Beispiel 1: Graf-Stauffenberg-Realschule

Die R6, die sechsjährige Langform der Realschule, wurde hier erstmals in diesem Jahr eingerichtet. Klar war von Anfang an: Die Klassenanzahl wird nicht reichen. Der Bedarf ist erheblich höher. Die Schulleitung hatte den Mangel zu managen. Und tatsächlich: Der Realschule gelang eine "Punktlandung". Exakt drei Klassen wurden gebildet, mit genügend Luft, um während des ersten Halbjahres noch SchülerInnen, die das Gymnasium wieder verlassen wollen, auffangen zu können. Aber annähernd 60 Kinder, zum Teil aus Stegaurach oder Memmelsdorf, deren Alltag nach Bamberg orientiert ist, müssen nun viel weiter entfernte Realschulen im Umland besuchen.

Mit der R4 haben HauptschülerInnen die Chance, auch noch nach der 6. Klasse auf eine Realschule zu wechseln. Die Stadtverwaltung plante nur eine 7.Eingangsklasse. Der Schul- und Kultursenat beschloss immerhin, noch eine zweite einzurichten. Die Leitung der Realschule wies aber schon 2000 darauf hin: Viel zu wenig! Und richtig: 16 SchülerInnen aus der Stadt mussten immer noch abgewiesen werden. Im Feriensenat stellte die GAL den dringenden Antrag, drei 7. Klassen anzubieten, aber die Stadträte von CSU, SPD und ÜBG sahen keinen Handlungsbedarf, denn die SchülerInnen, die vor allem vom Gymnasium auf die Realschule wechseln wollten, hatten angegeben, im Falle der Nichtaufnahme am Gymnasium zu bleiben. Zynismus angesichts der Bemühungen von Eltern und Kindern, die nicht mehr als eine angemessene, nicht überfordernde, aber Erfolg versprechende Schulausbildung wollen.

Beispiel 2: Graf-Stauffenberg-Wirtschaftsschule

Seit Jahren sieht sich die Schulleitung mit einer Interessentenzahl konfrontiert, die vorhandene Kapazitäten weit übersteigt. Die Anzahl der Klassen an dieser Schule wurde dennoch in den letzten Jahren verringert und soll noch weiter reduziert werden.

Die Situation 2001: In der vierstufigen Form konnten alle übertrittswilligen SchülerInnen aufgenommen werden. In der zweistufigen Schulform war das eklatant anders: 179 Kinder meldeten ihr Interesse, "nur" 108 meldeten sich effektiv an. Über diese Differenz darf spekuliert werden: Wurden die Übrigen abgeschreckt, weil die Schulleitung mitteilen musste, dass letztlich nur 76 aufgenommen werden würden? Schließlich und endlich: 32 SchülerInnen erfuhren, dass es für sie in der angestrebten Schulform keinen Platz gibt, obwohl sie die Voraussetzungen erfüllt hätten.

Beispiel 3:Haushaltsmisere

Die Personalkosten der städtischen Schulen belasten den ohnehin maroden Haushalt der Stadt. Deshalb muss gespart werden. Bis zum Jahr 2004 sind die Personalkosten um 5% (Maßstab Haushalt 2000) zu verringern. So werden auch LehrerInnen Opfer der Schulpolitik der Stadtratsmehrheit. Aber vor allem trifft‘s die SchülerInnen: Notwendige Fortbildungen, Abwesenheitszeiten aus dienstlichen Gründen, Krankheitszeiten der Lehrkräfte können nicht aufgefangen werden. Am Ende des Schuljahres 1999/2000 wurde es offensichtlich. Nur ein personell höherer Einsatz hätte in einer 8. Klasse der Graf-Stauffenberg-Schule ermöglicht, den höheren Ansprüchen zum Teil schwieriger Jugendlicher gerecht zu werden. Folge: 16 von 33 SchülerInnen erreichten das Klassenziel nicht.

Beispiel 4: Bauinvestitionen

Kein Geheimnis: Die Bauinvestitionen in den Schulen im Stadtgebiet hinken den Erfordernissen hinterher. Seit Jahren schiebt die Stadt einen Sanierungsbedarf in Millionenhöhe vor sich her.

Eine Quittung erhielt die Stadt bei der Bildung des Zweckverbandes Gymnasien mit dem Landkreis. Die Kosten des Schulaufwandes in den Bamberger Gymnasien werden exakt im Verhältnis der SchülerInnen aus Landkreis und Stadt zwischen den Zweckverbandsmitgliedern aufgeteilt. Darüber hinaus aber muss die Stadt acht Jahre lang 500.000 DM jährlich hinblättern, um die Sanierungsrückstände zu beheben.

Beispiel 5: M- und P-Klassen

Um die Hauptschulen zu stärken, initiierte das bayerische Kultusministerium die Konzepte "M-Klasse" (Mittlere Reife an Hauptschulen) und "P-Klasse" (Praxis-Klassen, die Begabungen weniger über abstrakte Inhalte, sondern eher im praktischen Tun entwickeln). Als sich die Einrichtung einer M-Klasse im Landkreis andeutete, protestierten Teile von Stadtrat und Verwaltung: Bamberg sei eine Schulstadt, die M-Klasse gehöre daher in die Stadt. Heute gibt es einen M-Klassen-Zug an der Trimberg-Schule. Der Einsatz für die P-Klasse war weniger engagiert. Hier existiert nicht einmal die notwendige Ausstattung für den praktischen Unterricht.

Beispiel 6:Verlässliche Halbtagsschule: Elternsache

Nicht wenige Eltern und PädagogInnen fordern die Ganztagsschule. Die Staatsregierung will jedoch nicht mehr als die verlässliche Halbtagsschule (Betreuung über die Mittagszeit hinaus) bieten. Dagegen sind wiederum die Städte, denn für die Ganztagsschule wäre finanziell das Land zuständig, für die Mittagsbetreuung sollen die Städte in die Pflicht genommen werden.

Unabhängig vom Finanzierungsstreit: Eine Unterstützung der Familien ist nötig. Der Anteil von Ein-Elternfamilien ist mittlerweile auf 20% gestiegen. Plausibel, dass gerade sie auf Unterstützung angewiesen sind, wenn die Schule schon zu Ende ist, der alleinerziehende Elternteil aber noch arbeitet.

Eine Anfrage der GAL vom 20. Mai 2001 nach der Situation in Bamberg blieb bis heute unbeantwortet. Aber es scheint so zu sein: An den wenigen Schulen mit Mittagsbetreuung gibt es zwei Varianten: Die Eltern übernehmen die Betreuung selbst oder sie zahlen dafür. Städtische Unterstützung: Fehlanzeige. Eltern aus anderen Schulsprengeln, die im kommenden Schuljahr ihre Kinder in der Domschule unterbringen wollten, weil dort die Betreuung gewährleistet wäre, sollen auf Granit gebissen haben. Sprengelgrenzen scheinen wichtiger gewesen zu sein.

Fazit: Wenn das Geld knapp ist, muss mensch den Gürtel nicht gerade um den Kopf enger schnallen.

 

Eine neue Schulpolitik ist nötig.

  1. 1. Das Recht unserer Kinder auf einen Platz in einer ihrer Begabung entsprechenden Schulform muss gewahrt werden. Für Bauinvestitionen und Sachaufwand müssen Mittel zur Verfügung stehen.

  2. 2. Der Region-Gedanke muss weiter entwickelt werden. Alle weiterführenden Schulen sind in den jetzigen Zweckverband "Gymnasien" einzubeziehen.

  3. 3. Solange die städtischen Schulen nicht vom Freistaat übernonmen werden (und das ist nicht absehbar), trägt die Stadt die Verantwortung dafür, dass die Kinder keine Nachteile erleiden. Das schließt auch ein, dass genügend Personal zur Verfügung stehen muss, damit pädagogisch notwendiger Differenzierungsunterricht und Vertretungsstunden durch entsprechende FachlehrerInnen möglich ist.

  4. 4. Sozialplanung muss Schulverwaltung und Schulleitungen in die Lage versetzen, den Bedarf an Eingangsklassen in den Grundschulen frühzeitig und über Jahre im voraus zu überblicken. Sprengelgrenzen müssen flexibel sein und Bedürfnisse von Eltern und Kindern besser berücksichtigen.

  5. 5. Der Bedarf für die verlässliche Halbtagsschule in Bamberg muss schnellstens geklärt werden. Die Finanzierung dieser Unterstützung kann nicht Sache der Eltern sein.

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Bamberg-Kommentar nei gegazd von Wolfgang Budde.