GAL BAMBERG

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Das "Bamberg" hinter dem NATO-Zaun

Zugleich unzeitgemäß und doch hochaktuell, gleichermaßen altgewohnt und doch immer wieder verunsichernd – sie löst kein Gefühl der Normalität aus, die US-Army, die Bamberg zu einer der größten Garnisonsstädte Deutschlands macht. An die 8500 US-amerikanische StaatsbürgerInnen – SoldatInnen und ihre Familien – leben hier. Aber das "279th Base Support Battalion" bildet eine kleine Stadt in der Stadt, schottet und grenzt sich ab, und wird zwangsläufig von den BambergerInnen als Fremdkörper wahrgenommen – nicht immer mit einem Lächeln.

 

Bei vielen hat es erst vor kurzem große Verärgerung ausgelöst, dass der US-Standort seinen Ausbau massiv auf Kosten des Naturschutzgebietes Hauptsmoorwald betreibt. Da wird ein Einkaufszentrum gebaut, das allein von der Fläche her schon so groß ist wie das Bamberger Forum – aber einstöckig, so als könnte man in Oberfranken auf die ausgedehnten Naturreserven in den Vereinigten Staaten zurückgreifen. Dass es sich um ein gesetzlich geschütztes Naturschutzgebiet handelt, scheint die verantwortlichen Army-Leute nicht sonderlich interessiert zu haben: Die Unterlagen, so beklagte das städtische Umweltamt, waren total lückenhaft, über flächenmäßige und qualitative Ausmaße der Natureingriffe gab es so gut wie keine Angaben.

Schließlich wurde mit den Rodungen auch noch begonnen, ohne dass die nötige naturschutzrechtliche Genehmigung des bayerischen Umweltministeriums vorlag. Aber die wird nachgereicht – kein Zweifel – die alten Besatzungsmechanismen funktionieren noch. Wenn "die Amis" was wollen, dann steht man hierzulande stramm und hält die Luft an. Normalität zwischen zwei souveränen, befreundeten und verbündeten Staaten?

US-Army als Wirtschaftsfaktor

Da wird oft von höheren Politikebenen (zuletzt der OB) darauf hingewiesen, dass der US-Standort die Bamberger Wirtschaftskraft beträchtlich stützt. Doch was ist dran an dieser Behauptung? Zugegeben, ca. 400 deutsche Beschäftigte haben ihren Arbeitsplatz in dem "Stadtgebiet", das Normalsterbliche nicht betreten dürfen. Auch die Bamberger Taxi-FahrerInnen wissen die amerikanischen GIs als Kunden zu schätzen, und in der einen oder anderen Disko wären ohne sie die Barhocker und Tanzflächen ziemlich leer.

Aber der große Wirtschaftsmotor ist die Army trotzdem nicht. Aktuell beklagt sich die Kreishandwerkerschaft Bamberg darüber, dass bei oben genanntem Bauvorhaben die Bamberger Betriebe gerade nicht zum Zuge kommen werden, weil sie die Ausschreibungskriterien nicht erfüllen können. Ohnehin werden die meisten Bautätigkeiten in den Warner-Barracks von US-eigenen Bautrupps erledigt – finanziell ohne jede Berührung mit der Bamberger Wirtschaft oder der Bamberger Steuerkasse. Was den Wirtschaftsstandort angeht, müsste man das US-Areal sogar eher als Hemmschuh ansehen, weil es wertvolle Entwicklungsflächen für Gewerbe im Osten der Stadt blockiert. Man erinnere sich nur an die jammervollen Wehklagen der Stadtspitze und des OB über Bambergs Mangel an Gewerbeflächen.

Nur eigene Produkte

Die US-SoldatInnen leben mit ihren Familien zumeist in eigenen "housing areas", es gibt eine eigene Schule und einen eigenen Kindergarten, alles streng bewacht und umgeben von NATO-Zaun mit Stacheldraht. In ihren Supermärkten sind ausschließlich aus den USA eingeführte Produkte im Angebot, ebenso wie man in die Kasernen-Postkästen Briefe mit amerikanischem Porto einwerfen kann, und wie die amerikanische Bevölkerung noch bis vor zwei Jahren nur aus den Staaten importierte Kohle verfeuerte.

Es ist schlechterdings erklärtes Ziel der Standort-Spitze, in Bamberg ein kleines Amerika aufzubauen. Liest man die Homepage des hiesigen Standorts, findet man von der oberfränkischen Stadt mit ihren 70.000 EinwohnerInnen keine Silbe. "Bamberg" ist lediglich das Synonym für den US-Standort, nicht für das Drumherum, und wird stolz mit dem Titel "community of excellence" angepriesen.

Freilich gab und gibt es hie und da Berührungspunkte über den Stacheldrahtzaun hinweg: der Amerikaner Jim Wade hat in der Kennedy-Halle auf US-Gelände unter dem Jubel der Bamberger Sportfans Basketball-Geschichte geschrieben. Alt-68er schwärmen noch heute davon, dass man kaum leichter an Hasch und Marihuana kam als über gute "Ami-Relationships". Und an die laschen Sandwiches von Substop hat man sich ebenso gewöhnt wie an die GI-Gruppen, die ihre morgendlichen Jogging-Runden durch die Bamberger City drehen. Darüber hinaus gehende Kontakte hinterlassen sogar ihre Spuren im städtischen Heirats- und Geburtenregister, sind aber doch eher die Ausnahme.

Verordnete Freundschaft

Auf offiziell-organisatorischer Ebene wird immerhin eine Begegnungs-Kultur gepflegt. Theateraufführungen gibt es im Stützpunkt und das deutsch-amerikanische Freundschaftsfest. Und ab und zu spielt die "Big Red One"-Band Swing und Jazz auch zur Freude deutscher Ohren. Doch wiederum ist es irgendwie bedrückend, dass Bühne und Volksfest eben auf Militärgelände stattfinden, mit Bewachung und Ausweiskontrolle – und dass die "Big Red One" explizit als Militärkapelle ihre Musik macht.

So bekommen die BesucherInnen der Veranstaltung "Bambergs Partnerstädte musizieren" neben dem Johann-Strauß-Ensemble aus Feldkirchen auch jene "Big Red One"-Band zu hören (als Vertreterin welcher Partnerstadt eigentlich?). Und im Begleitprogramm werden die Verdienste des Orchesters als Heeresmusikkorps seit 1943 gepriesen – angefangen bei der "Sturmlandung in der Normandie 1944", über den Einsatz in Vietnam zur "musikalischen Unterhaltung", bis hin zur Operation Desert Storm, wo die Band "erneut mit musikalischen Darbietungen erster Güte und großer Hingabe zum Einsatz kam".

Eine Partnerstädte-Veranstaltung als Plattform für Kriegspropaganda? Angemessen ist das vermutlich aus Sicht einer US-Militäreinheit, die aktuell einen Angriffskrieg vorbereitet. Eher geschmacklos aus Sicht argloser Bürger und Bürgerinnen, die sich auf eine Musikveranstaltung freuen.

Viele Relikte sind übrig geblieben aus der Besatzungszeit nach 1945 – sie sind historisch nachvollziehbar und teilweise auch verständlich. Dass sich all das bis heute so starr halten konnte, hat aber einen bitteren Beigeschmack und erinnert daran, dass das alles doch irgendwie nicht "normal" sein kann.