GAL BAMBERG

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Gibt’s was zu vertuschen?

Die GAL wollte nachforschen, ob es Unregelmäßigkeiten bei der letzten Kommunalwahl gab – und löste im Rathaus überraschende Aufregung und massive Abwehr aus


Wie viele Hände mischen eigentlich mit, wenn Briefwahlunterlagen ausgefüllt werden? (Footo: Erich Weiß)

 

In Gang gebracht wurde die Sache durch den Anruf eines Bürgers bei der GAL-Stadtratsfraktion. Der Bürger beschwerte sich darüber, dass seine 90-jährige Mutter, Kunigunde S.*, von einer Stadtratskandidatin bei der Kommunalwahl im März 2002 mehr oder weniger beeinflusst worden sei. Konkret stellte er den "Fall" so dar: Kunigunde S., eine rüstige, geistig rege und selbständig lebende Rentnerin, war mit der besagten Kandidatin schon durch deren berufliche Tätigkeit bekannt. Die Stadtratsbewerberin bot ihr dann an, beim Wahlamt ihre Briefwahlunterlagen zu holen und ließ sich von der alten Dame die dazu nötige Vollmacht ausstellen. Bei der Gelegenheit versorgte sie auch gleich die Wohnungsnachbarin mit deren Wahlunterlagen. "Gemeinsam", so vermutete der Beschwerde führende Sohn, füllten die Beteiligten den Stimmzettel aus und die zuvorkommende Stadtratskandidatin konnte alles ordnungsgemäß ins Rathaus zurückbringen. Natürlich war Kundigunde S. von so viel Freundlichkeit herzlich angetan und gab dieser sympathischen Kandidatin und ihrer Partei ihre Stimmen, was denn sonst?

Ob das denn mit rechten Dingen zugehe, fragte der verärgerte Sohn.

Wahl in Dachau für ungültig erklärt

Dass KandidatInnen beim Ausfüllen der Stimmzettel Einfluss nehmen, verstößt gegen den Grundsatz der geheimen und freien Wahl. So geschehen bei den Kommunal- und Oberbürgermeisterwahlen in der Stadt Dachau im März 2002. Das zuständige Landratsamt erklärte die Wahl für ungültig. In der Begründung hieß es: "Wahlwerber haben bei den Wählern Hausbesuche gemacht, um sicher zu gehen, dass diese an der Briefwahl teilnehmen und in ihrem Sinne abstimmen. Sie waren bei der Stimmabgabe anwesend und haben dabei sogar zugesehen." Dies habe überdies in großem Umfang stattgefunden und sei Teil einer Gesamtaktion gewesen.

Ob eine solche Sachlage auch für Bamberg zutrifft, ist unklar, lässt sich wohl jetzt auch nicht mehr beweisen. Zumal im oben geschilderten Fall die erfolgreich umgarnte Wählerin eine Einflussnahme strikt ablehnen würde.

Bleibt der Umstand, dass eine Stadtratskandidatin sich Vollmacht für das Überbringen der Briefwahlunterlagen geben ließ. Dazu kommen noch allgemeine Gerüchte, dass KandidatInnen vor allem in Altersheimen unterwegs sind. Und auch rathausintern wird davon geredet, dass einige BewerberInnen im Wahlamt schon bekannt seien, weil sie auffallend häufig Überbringerdienste für weniger mobile WählerInnen übernehmen.

Gesetzeslücke in Bayern

Darüber kann man sich moralisch empören, laut Bayerischem Wahlgesetz ist es dennoch zulässig – allerdings nur bei Kommunalwahlen. Bei Wahlen zu Bundestag, Landtag oder Bezirkstag ist eine solche Handhabe nicht gestattet. Die Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen bemüht sich seit Jahren um eine Gesetzesänderung, scheiterte aber bisher immer.

Die GAL wollte sich damit jedoch nicht zufrieden geben. Wir baten das städtische Wahlamt um eine Einsichtnahme in die Wahlunterlagen zur Kommunalwahl, um festzustellen, ob sich bei den Bevollmächtigten bestimmte Namen in eklatanter Weise häufen. Damit haben wir wohl in ein Wespennest gestochen.

Zunächst wurde das Ansinnen abgelehnt mit der Begründung, die Zwei-Wochen-Frist für eine Wahlanfechtung sei verstrichen. Als wir darauf beharrten und erklärten, dass es nicht um eine Anfechtung, sondern nur um Einsichtnahme und Recherche gehe, wurde man im Rathaus offenbar unruhig. Der Antrag kam auf den Tisch des Oberbürgermeisters und wurde erneut abgelehnt. Bei einem unerfreulichen Anruf warf der Amtsleiter der GAL "Unverschämtheit" vor, sowie das Verursachen unnötiger Kosten in Höhe von 500 Euro allein schon aufgrund der Bearbeitung dieser Anfrage, und er wies den Vorwurf weit von sich, dass "massenweise" Unterlagen an Kandidaten herausgegeben würden: "Diese Praxis haben wir schon lange abgestellt." Bis heute wurde der GAL keine Rechtsgrundlage für die verweigerte Einsichtnahme genannt.

Bamberger Rathaus in der Defensive?

Bleibt zu fragen, warum unser Anliegen im Rathaus solche Aufregung verursacht hat. Selbst wenn das Wahlamt eine größere Anzahl von Wahlunterlagen an einzelne Bevollmächtigte ausgehändigt hat, ist den Mitarbeitern daraus kein rechtlicher Vorwurf zu machen. Denn bei vorgelegter Vollmacht müssen sie die Unterlagen ja herausgeben. Insofern hätte das Wahlamt von der GAL also nichts zu befürchten.

Wenn man im Rathaus aber solche Wahlwerbungs-Praktiken ebenfalls mit Argwohn sieht und ihnen, wie der Amtsleiter sagte, sogar Einhalt gebietet, müsste man für eine dahingehende Unterstützung von politischer Seite ja eigentlich dankbar sein.

Die GAL berät derzeit, wie sie angesichts der Sachlage nun weiter vorgeht und ist für weitere Hinweise aus der Bevölkerung dankbar. Wir berichten in der nächsten .

--- *persönliche Daten von der Redaktion geändert

Grüne: Dachau darf nicht folgenlos bleiben

Nach der ersten Urteilsverkündung im Dachauer Wahlskandal stellte die kommunalpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, Susanna Tausendfreund, einen Antrag auf ausführliche Berichterstattung der bayerischen Staatsregierung: Sie will Aufklärung über alle Fälle bei den Kommunalwahlen vom 3. und 17. März 2002, in denen Wahlergebnisse aufgrund von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen berichtigt oder für ungültig erklärt wurden, sowie über den Stand noch laufender Verfahren. Die Grünen wollen auf dieser Grundlage eine Gesetzesentwuf vorlegen, der Manipulationsmöglichkeiten bei der Briefwahl weitestmöglich ausschließt.

Dachauer Wahlskandal: Massenweise Manipulation

Ende Januar verurteilte das Landgericht München den ehemaligen CSU-Stadtrat Wolfgang Aechtner zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldbuße von 125.000 Euro; zudem verliert er für vier Jahre sein aktives Wahlrecht und darf fünf Jahre lang kein öffentliches Amt mehr ausüben. Er hatte bei den Kommunalwahlen 2002 im vergangenen März in Dachau 466 Stimmzettel zu Gunsten der CSU manipuliert und außerdem für 75 Wahlberechtigte mit deren Einverständnis die Stimmzettel ausgefüllt. Anhängig ist noch ein Verfahren gegen einen weiteren Dachauer CSU-Stadtrat.

Ungeklärt bleibt wahrscheinlich der Hintergrund von 200 gefälschten Wahlzetteln, die keinem Täter eindeutig zugeordnet werden konnten – die Ermittlungen wurden aber inzwischen eingestellt. Und ebenso dürfte das Verschwinden von rund 3500 Wahlscheinen aus dem Dachauer Rathaus nicht mehr aufgeklärt werden.

Bei dem Wahlfälschungsskandal, der als einer der größten in der Geschichte der Bundesrepublik gilt, war außerdem herausgekommen, dass schon seit 1984 in der Stadt Wahlen manipuliert worden waren. Stadtrat und Kreistag wurden inzwischen im September nachgewählt – mit geringen Verlusten für die CSU.

(Quelle: SZ, taz)