Kultur-Peanuts
"Der empfohlene
Beschlussvorschlag verursacht Kosten in Höhe bis zu 16,50
e." Das war in einer Sitzungsunterlage des Senates für
Bildung, Kultur und Sport im Juli zu lesen. Nein, kein Tippfehler:
tatsächlich "16,50 e"!
Studierende der Bamberger
Universität hatten eine interkulturelle Amateur-Theatergruppe
gegründet und baten nun die Stadt, das Kostendefizit für eine
einmalige Aufführung zu übernehmen – und das war nun mal so
bescheiden.
Dennoch: bürokratische Mühlen
mahlen gnadenlos. Die Theatergruppe musste sicherlich ebenso einen
schriftlichen Antrag mit Kostennachweis stellen, wie die
Mitglieder des Kultursenats mit einem eigenen Tagesordnungspunkt
plus einseitigem Sitzungsvortrag beglückt wurden und hochformell
bei der Abstimmung ihr Hände heben durften.
Es wurde bei dieser Gelegenheit
allerdings weitblickenderweise vereinbart, dass das Kulturreferat
Zuschussanträge in diesen Peanuts-Ausmaßen künftig ohne
Behandlung im Senat genehmigen kann.
Achja, die Bamberger
Kleinkunstszene bekam die 16,50 e übrigens bewilligt –
Ehrensache...
Frisierte Agenda-Bilanz
Im Juni 2002 kam Bamberg zusammen
mit sieben weiteren Kommunen auf den dritten Platz beim Wettbewerb
"Zukunftsfähige Kommune", den die Deutsche Umwelthilfe
unter der Schirmherrschaft des Bundesverkehrsministers
ausgeschrieben hatte. Ein durchaus beachtliches Ergebnis, bei
immerhin 52 Konkurrenz-Städten in der Kategorie zwischen 10.000
und 80.000 Einwohnenden. Maßgeblich war dabei auch die Bewertung
des Bamberger Agenda-Prozesses, weil dessen "entwickelte
Projekte nach Möglichkeit sofort umgesetzt werden"– so
jedenfalls wörtlich die Jury.
Besonders kritisch scheint die
Jury das aber nicht hinterfragt zu haben, denn die von der Stadt
Bamberg vorgelegte Agenda-Bilanz wirkt einigermaßen frisiert. Von
81 im Stadtrat gefassten Agenda-Beschlüssen sind laut
Umweltreferat 58 "umgesetzt", 23 stehen noch aus. Doch
was heißt "umgesetzt"?
Da wird in einer Sitzung des
Umweltsenats zum Beispiel angeregt, eine Zukunftswerkstatt in
Gaustadt durchzuführen. Der Senat nimmt von dieser Anregung
Kenntnis = erster umgesetzter Beschluss. Er beauftragt die
Verwaltung, in Gaustadt eine Zukunftswerkstatt abzuhalten, was
diese auch tut = zweiter umgesetzter Beschluss. Darüber erstattet
die Verwaltung wiederum Bericht = dritter umgesetzter Beschluss.
Dass bisher noch kein einziger während der Zukunftswerkstatt
erarbeiteter Vorschlag realisiert ist – für die Bilanz
unwichtig.
Ein weiteres Agenda-Projekt war
die Idee, am P&R-Platz Heinrichsdamm verschließbare
Fahrradstellplätze einzurichten, um auch "Park &
Bike" zu ermöglichen. Die Stadtwerke sahen sich
wirtschaftlich nicht dazu in der Lage und lehnten ab. Jedoch: die
offizielle Beschlusslage im Umweltsenat lautete: Vom
Verwaltungsbericht und der (negativen!) Stellungnahme der
Stadtwerke wurde Kenntnis genommen. Bilanz also: Nichts
verwirklicht, aber zwei umgesetzte Beschlüsse.
Und sogar der im September 1999
dem Umweltsenat vorgelegte Zwischenbericht zur Lokalen Agenda, der
einfach nur einen Überblick auflistet, zählt als ein umgesetzter
Beschluss, denn auch er wurde ja bilanzrelevant zu Kenntnis
genommen.
Zukunftsfähig scheint da nur die
Kompetenz der Verwaltung, ihren BürgerInnen etwas vorzugaukeln...
Raffinierte Finanztaktik
Manchmal ist Demokratie auch ein
bisschen schizophren. Da stellte die Leiterin des Historischen
Museums, Regina Hanemann, im Juli 2002 einen Antrag auf mehr Geld,
um im darauf folgenden Jahr eine Ausstellung zum Thema "200
Jahre Säkularisation" finanzieren zu können. Dafür hatte
sie schon einige Sponsoren gewonnen und wollte nun von der Stadt
noch einen weiteren Zuschuss von 70.000 Euro. Die Mitglieder des
Kultursenats lobten zwar die Idee, unterstützten auch den
Finanzantrag, machten aber die Museumsdirektorin sogleich darauf
aufmerksam, dass dieser Posten angesichts der knappen städtischen
Mittel bei den Haushaltsberatungen unter den Tisch fallen könnte.
Das störte Frau Hanemann aber
offensichtlich nicht, denn ihren Aussagen zufolge arbeitete man zu
diesem Zeitpunkt bereits an der Ausstellung. Im Dezember entschied
der Stadtrat dann tatsächlich, dass für das
Säkularisationsprojekt keine zusätzlichen Mittel bereit gestellt
werden.
Aber: die Ausstellung findet
trotzdem statt, von September bis November, und augenscheinlich
reichen die im Museumsetat vorhandenen Mittel nun doch dafür aus.
Was war das also für ein Unterfangen im Stadtrat? Taktische
Finanzplanung einer gewitzten Museumsdirektorin – Motto:
"Man kann‘s ja mal probieren"?
Jedenfalls dürfen sich die
Bamberger StadträtInnen wieder mal über die Tragweite ihrer
Entscheidungen wundern.
Abstimmung nach dem Zufallsprinzip?
Wenn man einen Preis für
politische Kapriolen vergeben wollte, wäre die
ÜBG-Stadtratsfraktion dafür die allererste Anwärterin.
Beispiel: kommunale Geschwindigkeitsüberwachung.
Jahrelang sprach sich die ÜBG
strikt gegen den (zuerst von der GAL gemachten) Vorschlag aus,
dass in Bamberg nicht mehr die Polizei, sondern städtische
Bedienstete die Kontrolle von Geschwindigkeitsbegrenzungen
übernehmen sollten. Plötzlich, im Februar 2001, kam dann von
Fraktionschef Dieter Weinsheimer höchstpersönlich ein Antrag
genau in dieser Richtung. Doch als das Ganze entscheidungsreif
war, nämlich im November 2001, hatte es sich die ÜBG schon
wieder ein bisschen anders überlegt und fasste zusammen mit der
CSU den Beschluss, dass die Stadtverwaltung erst mal die
Vorbereitungen treffen solle und man sich danach endgültig
entscheide.
Damit war wiederum die
Stadtverwaltung verständlicherweise unzufrieden. Nach den
Kommunalwahlen forderte sie deshalb im November 2002 den Stadtrat
auf, sich endlich grundsätzlich für oder gegen die kommunale
Geschwindigkeitsüberwachung zu entscheiden, weil sonst die
arbeitsaufwändigen Vorbereitungen für die Katz wären. Und nun
stimmte die ÜBG (zwei "altgediente" und ein neuer
Stadtrat) wieder stramm dagegen.
Die empfiehlt: ein O statt dem Ü
– Orientiertungslose Bürger-Gemeinschaft.
Sprüch ausm Stadtrat:
OB Herbert Lauer: "Ich
glaube diesen Investoren kein Wort mehr – ich glaube keinem
Menschen was."
Stadtrat Wolfgang Budde (GAL) bei
einer Fraktionssitzung: "Der Kämmerer frisst ohnehin
jeden Morgen eine soziale Einrichtung zum Frühstück."
Stadtradt Alfred Fenn (SPD) im
Finanz- und Wirtschaftssenat, als es um die künftige Aufsicht in
der St. Michaels-Kirche ging: "Die Schwestern da oben, die
waren doch schon so lidschäftig – die hätten eh nichts mehr
beschützen können."
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