Seit sie im September 2002 überraschend für
Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag einzog, pendelt Ursula
Sowa zwischen Bamberg und Berlin hin und her. Die gaz hat die neue
Bundestagsabgeordnete in ihrem Bamberger Wahlkreisbüro besucht,
ein bisschen in ihrem Terminkalender gestöbert und ihr
lächelnd-distanziertes Fazit mitgenommen: "Der Bundestag ist
schon eine anregende Sache."
Ursula Sowa in ihrem Bamberger Regionalbüro
(Foto: Dietlinde Schunk-Assenmacher)
In der einen Ablage liegen
"aktuelle Gesetzesvorlagen", der daneben stehende Ordner
sammelt laut Aufschrift Anfragen von "Berlin-Besuchern".
Zwischen den vielen Papierstapeln, Briefsammlungen und Drucksachen
befindet sich ein Buch mit dem Titel "Die Stadt im
Quadrat" und auf einem Schreibblock im Bundestags-Design sind
handschriftlich "Joschka-Notizen" vermerkt. Auf den
ersten Blick ergründet sich dem Besucher die höhere Ordnung
dieses Wahlkreisbüros in der Wildensorger Straße 7 nicht, aber
Ursula Sowa gibt sich glaubwürdig als souveräne Büroherrin.
Fax-Fluten und Mail-Massen
Entspannt am kleinen Teetischchen
sitzend berichtet sie von ihrem unerwarteten Start in die große
Bundespolitik, aber auch von weniger glamourösen
Begleiterscheinungen wie etwa den nicht enden wollenden
Komplikationen bei der Technikausstattung des Wahlkreisbüros.
"Als unsere Kommunikationsanlage endlich funktionierte, waren
bereits 400 Mails aufgelaufen, die alle bearbeitet werden
mussten", erinnert sich Sowa. Ganz zu schweigen von den
unzähligen Zuschriften allein von ApothekerInnen und
ZahntechnikerInnen, denen die Faxrollen gleich reihenweise zum
Opfer fielen. Die hat sie allerdings nicht alle selbst
beantwortet. "Zum Glück haben wir für solche Fälle eine
Fraktionsgeschäftsstelle in Berlin, die das gebündelt erledigen
kann." Dabei hat Ursula Sowa durchaus Verständnis für
Kritik von Seiten der Lobby-Verbände: "Oft ließe sich im
Vorfeld Vieles klären und Missverständnisse vermeiden. Da
müssten die Ministerien mal von ihrem hohen Ross herunter
kommen."
Ansonsten bemüht sich Ursula Sowa
mit ihren Mitarbeiterinnen im Wahlkreisbüro, für Anregungen und
Anfragen aus der Bürgerschaft ein offenes Ohr zu haben. Sie hat
einem Förster, der sich über geplante Fördermaßnahmen im
Bereich erneuerbare Energie und Holzheizungen informieren wollte,
ebenso weiter geholfen wie sie sich von einem Pfarrer hat
erklären lassen, dass die seelsorgerische Betreuung der deutschen
Binnenschiffer zu wünschen übrig lässt. In solchen Fällen legt
sie sich zumindest einen Aktenvorgang an – vergessen werden soll
nichts. "Ich komme mit vielen verschiedenen Menschen, Ideen
und Problemen in Kontakt und hoffe, dass ich wenigstens ab und zu
etwas voran bringen kann."
"Halbiert" zwischen Bamberg und
Berlin
Mit Bürgermeistern und Landräten
in Coburg, Neustadt und Kronach hat sie sich zu Arbeitsgesprächen
getroffen, aber auch mit Vertretern von Arbeitsloseninitiativen
und Behindertenwerkstätten, unterstützte bei einer
Pressekonferenz die Ziele des Vereins Besseres Bahnkonzept und war
Gast bei der Einweihung eines Fußgängerstegs in Forchheim. Der
Terminkalender kann ganz schön voll werden, zumal sie jetzt
"halbiert" ist, wie sie es formuliert, und die
hervorragende Zugverbindung zwischen Bamberg und Berlin sehr zu
schätzen weiß.
"Aber der Kontakt zum
Wahlkreis ist mir sehr wichtig", meint Ursula Sowa, und er
beeinflusst auch ihre Politik – "im positiven Sinne"
– davon ist sie überzeugt. Beispiel: geplante Erhöhung der
Mehrwertsteuer auf Blumen von 7% auf 16%. Wenn es Fachkompetenz in
Sachen Gärtnereien gibt, dann in Bamberg. Also hat sich Ursula
Sowa vor Ort informiert und im Gespräch mit Gärtnern die
negativen Auswirkungen einer solchen Regelung kennen gelernt:
Insbesondere aufgrund der EU-Konkurrenz wären die hiesigen
Hersteller sehr benachteiligt. Zusammen mit anderen KollegInnen
aus der Fraktion unterstützt sie jetzt eine Initiative von
grünen Abgeordneten, die eine geplante
Blumen-Mehrwertsteuererhöhung stoppen wollen.
Zapfendorf auf dem Schreibtisch
Auch in ihrer Rolle als Mitglied
des Petitionsausschusses ist sie kurioserweise schon mit der
Region Bamberg konfrontiert: Für eine Petition in Sachen der
Recycling-Anlage in Zapfendorf fungiert sie als
Berichterstatterin, d.h. als zuständige Bearbeiterin des Falls.
Demnächst möchte sie sich
nachhaltig um die Situation von Gefängnisinsassen kümmern:
"Es handelt sich immerhin um rund 80.000 Menschen in
Deutschland, deren Rechte massiv beschnitten sind, die in oft
nicht akzeptablen Unterkünften leben müssen und von denen kaum
jemand Notiz nimmt." Das will sie greifbar erfahren,
Gefängnisse besuchen, mit Gefangenen sprechen, mit deren
Angehörigen, mit Betreuerorganisationen und Seelsorgern – und
auf die Lebenssituation dieser Menschen und ihrer Familien
aufmerksam machen.
Höhenflüge und Elfenbeintürme
können sie nicht besonders reizen, die Bamberger
Bundestagsabgeordnete, sie will am Boden bleiben, dort wo das
"normale Leben" stattfindet. Unter einer Berliner
Käseglocke jedenfalls wird man Ursula Sowa nicht antreffen
können.
Lesen Sie auch Ursula Sowas aktuellen Kommentar
zum Irak-Konflikt in unserer Rubrik Durchblick
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