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Bauernopfer in Oberfranken

Was der Zuschauer nicht mitbekommt: Vormachtkämpfe hinter den Kulissen von OberfrankenTV

von Frank Kubus

 

In der oberfränkischen Medienlandschaft wird eine neue Partie gespielt – diesmal geht es um die Zukunft des Lokalfernsehens. Auf dem Brett treffen relativ unbedarfte und erfahrene Investoren sowie regionale Medienkonzerne aufeinander – einige Teilhaber wollen ihr eigenes Fernsehen machen, koste es, was es wolle. Ein Spiel, das unterm Strich keiner gewinnen kann. Bauernopfer hat es trotzdem gegeben.

 


Foto: Erich Weiß

Hofer Eröffnung

Mit der rekordverdächtigen Zahl von 21 Gesellschaftern wurde am 15. November 1996 das Spiel gestartet: Oberfranken bekam sein Lokal-TV. Der Sender selbst nahm seinen Sitz in Hof, aber die Zentrale ist von mehreren, rechtlich selbstständigen Produktionsfirmen abhängig und wird beliefert. Das dauert und kostet, aber Geld ist da – 5 Millionen Mark Stammkapital und die laufenden Zuschüsse von der BLM aus München. Das so genannte Teilnehmerentgelt hält Bayerns lokale TV-Landschaft am Leben. Allein zwischen 1992 und 1999 schüttete die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) über alle bayerischen Lokal-TV-Stationen 216 Millionen Mark aus. Diese Subvention nennt sich "Kabelgroschen", immerhin 24 Mark pro Kabel-Haushalt im Jahr, und versteckt sich in der Gebühr für den Kabelanschluss. Ab 2003 sollen diese Gelder allerdings wegfallen.

Das leiseste Spiel: Giuoco pianissimo

Vier Jahre und zwei Programmchefs nach Gründung von OberfrankenTV haben sich Weiß und Schwarz in der Gesellschaftergruppe herauskristallisiert: Auf der einen Seite die beteiligten Lokalzeitungen: Fränkischer Tag (11,1x%), Nordbayerischer Kurier (5,8%) und Frankenpost (5,6%). Ihnen gegenüber der Nürnberger Medienunternehmer und Telefonbuchverleger Gunther Oschmann mit 9,13%. Bei den kapitalärmeren Mitspielern ist die Farbe egal: sie taugen gleich den Mitarbeitern notfalls zum Bauernopfer.

Bisherige Spielzüge lassen zwei Strategien erkennen: Die lokalen Medienunternehmen wollen ihr jeweiliges (Zeitungs- und/oder Radio-) Monopol schützen und tendieren dazu, einen jeweiligen Stadtsender in Bamberg und Bayreuth dank der Zuschüsse aus München durchzufüttern. Weiteren Konkurrenten auf dem Werbemarkt soll damit der Zutritt verwehrt werden.

Der Medienunternehmer Oschmann hingegen spielt auf Zeit, denn er hat das notwendige Geld dafür und die Erfahrung aus zahlreichen Radio- und TV-Beteiligungen. Ihm ist es bereits beim Lokalradio gelungen, konkurrierende Sender an einem Standort unter einem Dach zu vereinen und so profitabel zu machen. Mit den postulierten Vorstellungen der BLM von Medienvielfalt hat das allerdings nicht mehr viel zu tun.

Mit seinen neun (sichtbaren) Beteiligungen an insgesamt 29 bayerischen Lokal-TV-Sendern dürfte Oschmann eine gleichartige Strategie verfolgen: Ein bayerisches Funkhaus, das aus einem Netzwerk aller bayerischen Stationen mit eigener Sendelizenz besteht. Das könnte letztendlich sogar den Bayerischen Rundfunk ins Mark treffen.

Bamberger Rochade

Was die Situation in Bamberg angeht, so war der Wind aus Hof von Anfang an recht frisch. Die Bamberger Produktionsfirma FrankenTele verlor nach der Euphorie des Startups die redaktionelle Oberhoheit für ihr Revier und wurde zum technischen Dienstleister (Kamera und Schnitt) degradiert – Hof zog es vor, eine eigene Redaktion in der Domstadt zu finanzieren, anstatt einen selbstbewussten Konkurrenten mit Abspaltungstendenzen heranzuziehen. Das war nicht nur für Franken Tele ein schwerer Dämpfer, sondern auch für das FT-Verlagshaus, das die junge, ambitionierte Produktionsfirma auf seinem Gelände an der Gutenbergstraße beherbergt. Insider sprechen von einer maßgeblichen Beteiligung des FTs an Franken Tele – dadurch ist der Verlag in der Lage, als Gesellschafter seine Verluste an OberfrankenTV zu minimieren, indem er über Franken Tele indirekt an dem Sender verdiente. Geschäftspraktiken, die vor allem bei den kleineren Mitgesellschaftern bei OberfrankenTV, die diese Möglichkeit nicht haben, auf wenig Gegenliebe gestoßen sein dürften.

Hof kontrollierte jetzt die Inhalte, die Stimmung wurde gereizt – das Wort von der "Hof-Berichterstattung" machte fortan die Runde und fiel im zersplitterten Oberfranken auf fruchtbaren Boden. Die Plattform für die Debatte lieferte die Tageszeitung "FT" und verfolgte damit die Interessen des eigenen Hauses: ein Stadtsender unter FT-Aufsicht.

Stellungsspiel mit Rückendeckung

Ein neuer Geschäftsführer in Hof ging im Laufe des Jahres 2000 zum Angriff über. Die Mehrheit der Gesellschafter gab ihm Rückendeckung für ein Konzept, das die technischen Zulieferer gänzlich ausschalten sollte. Mit dem Umweg übers Programm finanzierte der millionenschwere Werbeauftrag eines einzigen Gesellschafters (aus Hof) drei neue Redaktionen mit eigener Technik, die im Frühjahr 2001 in der Nähe der Kabeleinspeisepunkte eingerichtet wurden.

Aus Buttenheim sollten fortan die Bamberger Belange übers Kabel in die Haushalte der Domstadt kommen: für ein werktägliches Viertelstündchen wollte Hof jeweils ein Sendefenster für die Oberzentren Bamberg, Bayreuth und Coburg aufmachen und damit den Vorwurf entkräften, nicht über Bayerisch-Sibirien hinauszublicken.

Doch im Frühjahr 2001 platzte der Plan. Denn jetzt stand die Verlängerung der Sendelizenz (für acht Jahre) ins Haus, und damit kam die BLM als Schiedsrichter wieder zum Zug und verlangte nicht nur Einigkeit unter der Gesellschaftern, sondern stellte auch Bedingungen. Sie machte die Lizenzverlängerung u.a. von der verbindlichen Wiedereinbindung der lokalen Zulieferer, darunter Franken-Tele, abhängig. Der Konflikt innerhalb der Gesellschafter-Gruppe wurde härter.

Remis nach Zeitüberschreitung

Bei der Suche nach Kompromissen war die BLM eher bereit, das neue Konzept aus Hof zu zerschlagen, als den gesamten Sender auseinander fliegen zu lassen. Ziel der BLM blieb zwar die Sicherung einer flächendeckenden Berichterstattung, aber eine Zersplitterung in einzelne Stadtsender wollte man keinesfalls hinnehmen. Dabei machte sich die BLM die Argumente der ausgebooteten Produktionsfirmen zueigen, wo Arbeitsplatzverluste drohten. Aber eigentlich ging und geht es um die Existenz des Oberfranken-Senders überhaupt – und nicht nur um diesen: Ein Bericht der BLM an die Staatsregierung über die wirtschaftliche Situation der Lokalsender deutet das Desaster an, sollten die Subventionen aus dem Kabelentgelt wie bisher geplant ab 2003 ausbleiben. Rund 7000 Arbeitsplätze stünden dann in Bayern auf dem Spiel. Bei einem Kostendeckungsgrad von jetzt 46 Prozent wäre auch OberfrankenTV nicht überlebensfähig, noch kleinere Stadtsender hätten schon gar keine Chance.

Der Medienrat der BLM verlängerte am 22. März nach "intensiver Diskussion" die Sendelizenz von OberfrankenTV zunächst um fünf (!) Wochen – ein Schuss vor den Bug für alle Beteiligten. Diese Ausgangslage für das Endspiel führte schnell zum Waffenstillstand. Bereits am 19. April waren sich alle wieder grün. Die Zulieferer kamen wieder ins Spiel und dürfen nun das neue Viertelstunden-Konzept aus Hof umsetzen. Die bereits installierten Außenredaktionen werden wieder aufgelöst und die Technik verkauft, das dafür rekrutierte Personal in die Wüste geschickt oder versetzt. Hier zog das Arbeitsplatzargument offenbar nicht: diese, zum Teil aus anderen Sendern abgeworbenen Mitarbeiter hatten keine Verlegerfreunde vorzuweisen und schon gar keine Investitionen getätigt. Bauernopfer in einem Stellungsspiel, das über die Eröffnung nicht hinaus gekommen ist.

Nächste Partie für acht lange Jahre – vielleicht wäre jetzt eine sizililianische Eröffnung angebracht...