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"Die Symphoniker müssen ein Spitzenorchester bleiben"

Die gaz sprach mit Martin Thimpus über die Finanzkrise der Bamberger Symphoniker, über die Lehren daraus und über die Zukunft angesichts der ab 2004 wegfallenden Bundeszuschüsse.

 

gaz: Wann erfuhren Sie als Orchestervorstand von der Finanzkrise?

Timphus: Seit dem Amtsantritt von Herrn Weigmann wurde Geld sehr großzügig ausgegeben. Der Orchestervorstand hat im Herbst 2000 dem Intendanten die Frage nach der Finanzlage gestellt. Noch im November 2000 sagte Weigmann vor dem ganzen Orchester, dass alles punktgenau in Ordnung sei. Sechs Wochen später fehlte offiziell eine Million, ein paar Wochen später dann noch viel mehr. Wir haben natürlich nachgefragt, was die Gründe für diese Finanzkrise sind: Ob er falsch beraten wurde, ob er sich verrechnet hat, ob er gar nicht gerechnet hat oder ob er uns einfach belogen hat.

 

gaz: Welche Antwort haben Sie bekommen?

Timphus: Keine. Diese Frage hat Herr Weigmann uns nie beantwortet. Es wäre selbst mit zusätzlichen Finanzmitteln zweifelhaft gewesen, ob er es geschafft hätte, aus der verfahrenen Situation wieder herauszukommen. Irgendwann hat man das Vertrauen auch mal verspielt.

 

gaz: Wie ist die jetzige Situation der Symphoniker?

Timphus: Seit Mitte März, seit der fristlosen Kündigung, ist Weigmann nicht mehr im Amt. Er hatte zwar auch gute Ideen, konnte sie aber nicht in Beziehung zum vorhandenen Geld setzen. Dadurch sind die Rücklagen von 3,1 Mio DM aufgebraucht. Wir sind aber nicht zahlungsunfähig, diese Gerüchte sind falsch. Zahlungsunfähig wären wir geworden, wenn die Gurrelieder-Tournee wie geplant stattgefunden hätte. Sie wurde nun abgesagt – das ist künstlerisch traurig, aber unausweichlich.

 

gaz: Hat der Ruf der Bamberger Symphoniker gelitten durch diese Krise?

Timphus: Nein, ganz klar nein. Denn die "Bamberger Symphoniker" als Klangkörper waren ja nicht betroffen. Es war eine Intendantenkrise, keine Orchesterkrise. Jonathan Nott ist ein sehr engagierter Chefdirigent und alle Musiker haben ein sehr professionelles Selbstverständnis. Alle halten jetzt zusammen.

 

gaz: Wie sehen Sie die Zukunft der Bamberger Symphoniker angesichts der ab 2004 wegfallenden Bundeszuschüsse. So einfach lässt sich das Finanzloch ja nicht auf die übrigen Zuschussgeber (Stadt, Land Bayern und Bezirk) verteilen. Bekommt man die Symphoniker nicht auch billiger?

Timphus: Nein, die Bamberger Symphoniker sind nur als Spitzenorchester denkbar. Wir sind regelmäßig auf Tourneen, im Rundfunk und auf CD vertreten. Auf niedrigerem Niveau wäre die Wirkung gar nicht mehr da. Wir versorgen ja nicht nur Bamberg mit 34 Abo-Konzerten pro Jahr, sondern sind auch in Bayreuth, Erlangen, Fürth, Kissingen, Würzburg und Schweinfurt regelmäßig zu hören. Für Bamberg als Touristen-, Kultur- und Musikstadt sind wir in dieser Form unentbehrlich.

gaz: Gäbe es nicht die Möglichkeit, die Bezahlung der Musiker zu senken, gleichzeitig aber auch die Verpflichtungen für die Symphoniker zu reduzieren, so dass mehr Zeit für freischaffende Tätigkeit bleibt.

Timphus: Dafür ist unser Terminkalender einfach zu voll! Bei weniger Auftritten würden die Einnahmen ja auch sinken. Ich denke: Wir müssen uns offensiv auf einem hart umkämpften Markt behaupten. Auf Tourneen und CD-Produktionen dürfen wir deshalb nicht verzichten, auf die Konzerte in Bayern sowieso nicht. Ein gutes Orchester muss so oft wie möglich auf die Bühne. Das bringt auch musikalisch die besten Resultate.

 

gaz: Was ist Ihr Rezept für die Neuordnung der Finanzen ab 2004?

Timphus: In Bayern gibt es vier hochrangige Orchester, wo_von alle außer den Bamberger Symphonikern in München ansässig sind. Ich sehe schon eine besondere Verantwortung der bayerischen Zuschussgeber. Wir als Musiker möchten mit erstklassigen Konzerten das beste Argument für den Erhalt des Orchesters liefern. Konkrete Verhandlungen sind aber Sache des Kuratoriums unter Vorsitz von Herrn Kunstminister Zehetmair.

 

gaz: Ist Sponsoring eine Möglichkeit, wie es bereits mit Siemens begonnen wurde?

Timphus: Sponsoring ist nur dann gut, wenn es die künstlerische Leistung nicht beeinträchtigt. Die Abmachung mit Siemens – Laptops statt Notenblätter –t war in der Praxis hinderlich und wird auch nicht mehr praktiziert. Die Kontakte zu Siemens bestehen noch, aber ein Sponsoring muss völlig neu gestaltet werden. Von dem Verein "Freunde der Bamberger Symphoniker" kommt jetzt ein Ansatz, der mir gut gefällt. Es soll einen regionalen Sponsorenkreis geben, in dem viele kleinere Beiträge gesammelt werden. Dann ist man auch nicht mehr so abhängig von einem einzelnen Haupt-Sponsor. Aber ich betone nochmals: Die Grundversorgung auf hohem Niveau muss gewährleistet sein. Sponsoring sehe ich eher als Möglichkeit, Zusatz-Highlights zu finanzieren, wie z.B. einen besonderen Gastkünstler oder eine außer/gewöhnliche Tournee.

 

gaz: Vielleicht muss auch noch mehr neugeordnet werden als die Finanzen. Wie sehen Sie als Orchestervorstand das?

Timphus: Aus der Krise kann man natürlich auch lernen. Das Kuratorium sollte meines Erachtens öfter tagen. Und der Orchestervorstand sollte zumindest Rederecht bekommen. Immerhin erwirtschaften wir ja ca. 23% der Einnahmen selbst. Bisher mussten wir uns schon darum bemühen, überhaupt eine Einladung zu Kuratoriumssitzungen zu bekommen. Außer_ˇdem darf man nicht nur das Finanzielle betrachten, das ist nur ein Teil, auch künstlerisch, organisatorisch und menschlich muss die Atmosphäre stimmen – das ist mir sehr wichtig.

 

gaz: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, wie würden die lauten?

Timphus: Dass Jonathan Nott lange bleibt, dass wir viele und wunderschöne Konzerte für unsere Hörer geben und dass wir im Herbst einen fähigen und ehrgeizigen Intendanten bekommen.

 

 

 

 

 


Martin Timphus ist seit 1985
bei den Bamberger Symphonikern
und seit einem Jahr Vorsitzender
des dreiköpfigen Orchestervorstands.
(Foto: privat)

 

"Wir sind nicht zahlungsunfähig,
diese Gerüchte sind falsch.!

 

Es war eine Intendantenkrise,
keine Orchesterkrise."

 

"Der Orchestervorstand
sollte Rederecht im
Kuratorium bekommen."