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Personaleinsparung auf Kosten der Lebensqualität

Gute Betriebszahlen sind offenbar wichtiger als ein lebenswerter Tagesablauf für alte Menschen. Das belegt die Entwicklung des sozialtherapeutischen Dienstes in den städtischen Altenheimen.

 

Bis 2008 gab es noch 6 MitarbeiterInnen (auf 5 Vollzeitstellen) im Rahmen des sozialtherapeutischen Fachdienstes im Antonistift und im Bürgerspital. Im Jahr 2006 boten diese TherapeutInnen 41 gruppen- und einzeltherapeutische Angebote pro Woche an, 705 BewohnerInnen nahmen daran teil. Sie machten Gymnastik und Gedächtnistraining, Programme zur Aktivierung, zum Erhalt der motorischen Fähigkeiten und zur sozialen Kompetenz. Zudem organisierten sie Geburtstags-, Weihnachtsfeiern und Sommerfeste sowie Veranstaltungen zusammen mit der VHS und anderen ehrenamtlichen Gruppen.

Sozialtherapeuten waschen und füttern

Doch im Jahr 2008 änderte sich das: Diese Angebote gibt es nicht mehr, denn der sozialtherapeutische Dienst wurde aufgelöst und seine MitarbeiterInnen in den normalen Pflegedienst eingegliedert. Andreas F.*, Susanne H.* und ihre KollegInnen arbeiteten seit diesem Zeitpunkt nicht mehr eigenständig, sondern wurden im Rahmen des Pflegeschichtplans eingesetzt und hatten das zu tun, was andere Pflegekräfte in den Heimen auch tun: morgens beim Anziehen helfen, Zähne versorgen, waschen, Toilette, Essen eingeben – Grundpflege eben.

Das Einzige, was die Arbeit der Sozial- und Ergotherapeuten von der Arbeit der Pflegekräfte unterscheidet, ist, dass ihre Tätigkeit anders heißt: Nach der Lesart der Sozialstiftung ist es nicht so, dass sie waschen und füttern, nein, sie machen Esstraining und Waschtraining – das gilt dann als eine ergotherapeutische Maßnahme. Und die wird – so ist zu vermuten – mit der Pflegeversicherung auch entsprechend anders (nämlich höher) abgerechnet.

Andreas F. ist mittlerweile nicht mehr bei der Sozialstiftung beschäftigt, er wurde nach seinen eigenen Worten "gezielt rausgemobbt" und hat schließlich gekündigt. Ähnlich erging es anderen KollegInnen aus dem ehemaligen Sozialtherapeutischen Dienst, von dem inzwischen nur noch zwei Beschäftigte (auf 1,5 Vollzeitstellen) übrig geblieben sind. Susanne H. hingegen ist vors Gericht gezogen.

"Therapie"-Tarnung für Grundpflege

Bei der ersten Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Bamberg spitzte der Vorsitzende Richter den Streitfall auf die Frage zu: Leistet Susanne H. nun Therapie oder Pflege? Deren Antwort – und zugleich ihr Grund, vor Gericht zu ziehen – ist eindeutig: Von Therapie kann hier nicht mehr die Rede sein. Zum einen, so Susanne H., fehle bei den ihr übertragenen BewohnerInnen das Therapieziel. Ein Esstraining oder Waschtraining sei nur bei Menschen sinnvoll, die beispielsweise nach einem Schlaganfall oder einer Operation noch das Potential haben, eine solche Selbständigkeit wieder zu erlernen – nicht aber bei Menschen, die einfach zu alt, zu unbeweglich und zu unsicher sind, um dies jemals wieder selbst zu tun.

Therapie im Schichtplan -unmöglich

Zum anderen beweise auch ihre Aufnahme in den Pflegeschichtplan, dass sie künftig schlichtweg eine andere Pflegekraft ersetzen soll. Die bisher gewohnten und aus Susanne H.s Sicht für die HeimbewohnerInnen wertvollen Beschäftigungsangebote im Alltag finden nur noch sporadisch statt, da sie hauptsächlich mit Grundpflege beschäftigt ist und aufgrund der Schichtarbeit keine regelmäßigen Angebote mehr machen kann. Im Rahmen ihres Frühdienstplanes hat sie derzeit gerade mal sechs Menschen zu versorgen, früher richteten sich ihre Gruppenangebote an alle BewohnerInnen.

Die Idee der Heimleitung, dass die Pflegekräfte die Gruppen- und Einzelangebote übernehmen könnten, scheitert in der Praxis an der Überlastung des Pflegepersonals und dem fehlenden Betreuungskonzept. Obwohl die MitarbeiterInnen dies immer wieder an die Leitung weiter geben, wird daran festgehalten.

Ob Susanne H. wieder in ihrem alten Arbeitsbereich eingesetzt wird und ob die alten Menschen in den städtischen Altenheimen dann wieder von ihr Gymnastik, Spiele und Nikolausfeiern angeboten bekommen, entscheidet sich im Hauptsacheverfahren am Arbeitsgericht Bamberg (nach gaz-redaktionsschluß).

sys

*Name geändert. Der richtige Name ist der Redaktion bekannt.


Karikatur: Christiane Pfohlmann