Beschäftige der städtischen
Altenheime beteiligten sich rege an einer Telefon-Aktion der GAL
und deckten strukturelle Missstände auf – GAL sieht dringenden
Handlungsbedarf
Immer wieder und gehäuft in letzter Zeit
erreichten die GAL Beschwerden und Klagen über die städtischen
Kliniken und Altenheime. Unzufriedene BewohnerInnen und
PatientInnen, besorgte Angestellte und Angehörige machten ihrem
Ärger Luft. Hinzu kam der aktuelle Bericht des Medizinischen
Dienstes der Krankenkassen (MDK) über die Altenheime Antonistift
und Bürgerspital, der aufhorchen ließ und alarmierende Signale
setzte.
Das Antonistift - eines der beiden städtischen Altenheime (Foto:
Erich Weiß)
Von Seiten der Stadt versuchte man abzuwiegeln und
hielt eine Anfrage der GAL vom öffentlich tagenden Stadtrat fern,
um sie in eine nicht öffentliche Sitzung des Stiftungsrates der
Sozialstiftung zu verweisen. Daraufhin wollte die GAL es genauer
wissen und ging im März 2009 mit der Aktion "Sorgen- und
Wünschetelefon für die Sozialstiftung" an die
Öffentlichkeit. Aufgerufen waren alle Betroffenen, anonym und
vertraulich ihre Sorgen und Wünsche bei einer Telefonaktion oder
schriftlich an die GAL zu melden.
Ziel der GAL war es, Missstände aufzudecken, beim
Namen zu nennen und offen auf den Tisch zu legen. Nach eingehender
Analyse sollte es dann Aufgabe der Verantwortlichen in
Sozialstiftung, Politik und Personalrat sein, Abhilfe zu schaffen
und positive Perspektiven zu schaffen.
Zahlreiche Menschen nutzten das Angebot. Insgesamt
34 Eingaben erreichten die GAL, davon enthielten nur vier Eingaben
positive Rückmeldungen, 30 thematisierten zum Teil schwer
wiegende Mängel und Kritik. Insbesondere Beschäftigte der
Altenheime schienen auf dieses Ventil regelrecht gewartet zu
haben. Sie machten mit 18 TeilnehmerInnen das Gros der kritischen
Eingaben aus.
Schlechtes Arbeitsklima in den Heimen
Wie bei der Telefon-Aktion deutlich wurde,
herrschen in den Altenheimen schlechtes Arbeitsklima und ungute
Stimmung vor. 14 der 18 teilnehmenden Beschäftigten fühlten sich
gemobbt, drangsaliert, schikaniert. Es fielen Begriffe wie
Bloßstellung, Einschüchterung und Psychoterror. Geklagt wurde
über unbegründete Versetzungen innerhalb der Heime und
Stationen, welche als Strafmaßnahmen empfunden werden. Von Frust,
Resignation und "innerlicher Kündigung" war die Rede.
Hinzu kommt eine von allen Pflegekräften beklagte
Arbeitsüberlastung, die vor allem durch eine neue
Ablauforganisation zustande gekommen sei. Konkret wird bemängelt,
dass immer mehr Aufgaben zusätzlich erledigt werden müssten,
obwohl ohnehin schon in Mindestbesetzung gearbeitet werde – etwa
Wäsche, Müllentsorgen, hausmeisterliche Tätigkeiten. Kranke
KollegInnen würden kaum mehr ersetzt. Übergabezeiten zwischen
den Schichten seien zu kurz anberaumt. Nicht selten kämen
Engpässe vor, so dass eine Pflegekraft in der Nachtschicht vier
Stockwerke mit 84 HeimbewohnerInnen zu betreuen habe. Viele
schriftliche Berichtstätigkeiten müssten nach Dienstschluss oder
gar zuhause erledigt werden, Ruhepausen fielen völlig weg, zum
Essen komme man gar nicht mehr.
Pflegequalität leidet
Wie die Betroffenen schilderten, leidet die
Pflegequalität unter diesen Umständen. BewohnerInnen würden
"kurz und schmerzlos abgefertigt", für menschliche
Zuwendung sei keine Zeit, Baden sei Luxus, früher übliche
Gruppenbeschäftigungsangebote seien Vergangenheit. Aber nicht nur
das, es birgt auch Gefahren, wenn alte Menschen in ihrer
Individualität nicht mehr ausreichend berücksichtigt werden
können, so dass einige Pflegekräfte vor einer
"fahrlässigen Pflege" warnten. Als erschreckende Folgen
von Arbeitsüberlastung, schlechter Dienstplanung und mangelhaftem
Informationsfluss zwischen den Schichten wurden folgende
Einzelfälle bestätigt: belegtes Zimmer übersehen, Fehler bei
Medikamentengabe, ansteckende Krankheit nicht beachtet.
Dass solche Arbeitsbedingungen nicht ohne Folgen
bleiben, ist zu erwarten. Acht der 18 anrufenden Beschäftigten
gaben an, aufgrund dessen krank geworden zu sein, vier haben
Arbeitsgerichtsprozesse angestrengt bzw. wollen dies tun.
Versuche, hausintern Beschwerden oder Kritik vorzubringen,
führten nach Darstellung der Betroffenen in der Regel zu
Gegendruck, Drohung und Versetzung.
Als Wendepunkt für die Verschlechterung der
Arbeitssituation wird immer wieder das Jahr 2008 genannt, in dem
eine neue Heimleitung zahlreiche Neuerungen in den Heimen
einführte. Der neue Führungsstil sei konzeptlos, jeder Tag
bringe neue überraschende und nicht überzeugende Anordnungen,
die intransparent seien und häufig nicht einmal schriftlich
gegeben würden. Strukturen eines gewachsenen Organismus seien
zerschlagen worden, die Beschäftigten würden heute nicht mehr
wie früher in die Planungen einbezogen. Stattdessen seien
unqualifizierte Personen an Schaltstellen platziert worden, die
der Leitung die Stange halten. "Spione" würden
eingesetzt, um das Personal dazu zu bringen, sich gegenseitig zu
kontrollieren und Kritik zu unterdrücken.
Sozialstiftung und OB spielen auf Zeit
In einem Gespräch der GAL-Fraktion mit dem
Personalrat der Sozialstiftung bezeichneten die
PersonalratsvertreterInnen die Ergebnisse der Telefonaktion als
voll zutreffend. Die GAL bat sowohl den Oberbürgermeister als
auch den Geschäftsführer der Sozialstiftung Frauenknecht um eine
Stellungnahme. Antwort kam lediglich von Xaver Frauenknecht, der
nach Rücksprache mit dem OB die Situation der Altenheime zum
Thema in der nächsten Sitzung des Stiftungsrats (Anfang Juli)
machen will. Von einer Stellungnahme fehlt jede Spur.
Politische Tatkraft sieht anders aus! Dabei wäre
es dringend nötig, auf Beschäftigte und BewohnerInnen der Heime
zuzugehen, ihre Sorgen ernst zu nehmen und Abhilfe zu schaffen.
Die Heime brauchen eine Qualitätsoffensive und keine
Hinhaltetaktik! Die GAL hat mit der Aktion aber hoffentlich etwas
in Bewegung gebracht und bleibt natürlich an dem Thema dran.
Freilich kann die GAL allein das Ruder nicht rumreißen …
sys
"Ich fühle mich wie vergewaltigt, denn
ich muss meine Arbeit so erledigen, wie ich es normalerweise nie
tun würde."
Aus der schriftlichen Eingabe der Pflegekraft eines städtischen
Altenheims
"Wir sollen vergrault werden!"
12 von 18 Beschäftigten äußerten den Verdacht,
man wolle sie durch Mobbing und konstruierte Abmahnungen gezielt
los werden, weil sie langjährige Angestellte mit noch alten
Verträgen nach öffentlichem Tarif sind. Sie sollten, so ihre
Vermutung, "vergrault" werden, um sie durch neue
Angestellte zu ersetzen, deren Arbeitsverträge über die Service
GmbH der Sozialstiftung laufen. Diese werden schlechter bezahlt,
haben nur befristete Verträge, weniger Urlaub und schlechtere
Arbeitsbedingungen.
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