Was Sie im FT nicht lesen können … ist mitunter
interessanter, als das zu Lesende. Deshalb ist es unverzichtbar,
dass die ab und zu ihre Fußnoten dazu macht. Hier zwei gazeuse-Nachträge zur Wahlkampfberichterstattung des FT im Vorfeld
der Kommunalwahlen vom März 2008.
FT-Fußnote 1)
"Allianz für freien Sonntag" wurde ausgebremst
Im vergangenen Jahr gründete sich in Bamberg eine
"Allianz für den freien Sonntag" – ein
Zusammenschluss von gewerkschaftlichen und kirchlichen
Arbeitnehmerorganisationen. Motivation war die auch im Bamberger
Stadtrat immer wieder diskutierte Forderung nach verkaufsoffenen
Sonntagen, der sich diese Verbände mit gemeinsamen Kräften
widersetzen wollten. Im Wahlkampf stellte die Allianz alle
StadtratskandidatInnen auf den Prüfstand und forderte sie auf,
Stellung zu beziehen. Das Motto "Wer den Sonntag nicht ehrt,
ist unserer Stimme nicht wert!" prangte einige Zeit als
Banner an der Martinskirche und sollte öffentlich Druck machen.
Die Bamberger Lokalzeitung griff die politische
Stellungnahme der Allianz jedoch eher unwillig auf. Über die
aufwändige und von einer beachtlich breiten Front getragene
Aktion (von KAB bis DGB) wurde zwar mit Foto berichtet, allerdings
nahm die Hälfte der textlichen Berichterstattung die
Gegenreaktion der FDP ein, die ihre Argumente in einer spontanen
Pressemitteilung zusammengefasst hatte.
Die Allianz-Mitglieder waren verständlicherweise
enttäuscht über dieses Missverhältnis und bekräftigten ihr
Anliegen daraufhin noch durch zahlreiche Leserbriefe einzelner
VerbandsvertreterInnen. Doch davon druckte die FT-Redaktion keinen
einzigen. Dafür durfte ein anderer
"Leserbriefschreiber" mit harscher Kritik an der Allianz
nachlegen: Er sprach kirchlichen Organisationen das Recht ab, auf
die Politik Einfluss zu nehmen, und verglich die Banner-Aktion an
der Martinskirche mit dem Judenboykott der Nazis und
"Ausländer raus"-Parolen der NPD. Der Leserbrief
stammte (so im FT vom 1.3.08 zu lesen) von einem "Sebastian
Macht, Am Torhaus 15, 96047 Bamberg". Eine solche Adresse
gibt es jedoch in Bamberg nicht, was jedem Ortskundigen auf den
ersten Blick auffällt, und auch ein Mann dieses Namens ist weder
im Adress- noch im Telefonbuch zu finden – ein Lapsus der
Redaktion?
Wiederum waren die Allianz-Aktivisten "not
amused" – zumal auch ein Artikel über die unter den
StadtratskandidatInnen veranstaltete Umfrage zum "freien
Sonntag" erst nach der Wahl erschien. In einem Brief an den
Herausgeber des Fränkischen Tags, der der gaz vorliegt, stellten sie
im März ihre Kritikpunkte dar und baten um ein Gespräch, mit dem
Ziel, die Sache zu klären und eine künftig gute Zusammenarbeit
zu gewährleisten. Der Brief wurde von der FT-Geschäftsleitung
bis dato nicht beantwortet.
FT-Fußnote 2)
FT ignoriert protestantenfreie Zone auf der CSU-Liste
Eine durchaus interessante Nachricht hat der FT
während des Wahlkampf ebenfalls zielsicher umschifft – diesmal
durch komplette Nichtbeachtung. Das Evangelische Bildungswerk EBW
hatte zu einer Diskussion eingeladen: Evangelische
StadtratskandidatInnen sollten sich mit dem Thema
"Evangelische Kirche und Kommunalpolitik"
auseinandersetzen. Bei der Organisation trat – angeblich auch
zur Überraschung des CSU-Kreisvorsitzenden Dr. Helmut Müller –
die Tatsache zutage, dass unter den 44 Stadtratskandidaten auf der
Liste der Christlich(!)-Sozialen Union CSU kein einziges
evangelisches Kirchenmitglied zu finden war.
Diese Peinlichkeit war wohl eine der amüsantesten
"Hast scho g’hört"-Meldungen im ganzen Wahlkampf.
Doch die Nachricht blieb weitgehend auf die politisch aktive Szene
begrenzt, denn der FT ersparte kurzerhand die Neuigkeit seiner
Leserschaft – und damit die Schmach der CSU. Die Diskussion des
EBW fand zwar statt – mit Alt-Stadtrat Dr. Egg als
CSU-Vertreter, der diesmal nicht mehr kandidieren durfte –, aber
der FT schickte keineN MitarbeiterIn zur Berichterstattung.
Daraufhin verfassten die Veranstalter eine eigene
Pressemitteilung, die vom FT jedoch nie abgedruckt wurde. Und auch
sonst erwähnte die Lokalzeitung zu keinem Zeitpunkt die
protestantenfreie Zone auf der Stadtratsliste mit dem
"C" im Namen.
Mit anderen kirchlichen Veranstaltungen war man da
viel großzügiger. Die (katholische) Gemeinde St. Gangolf
veranstaltete ebenfalls eine Diskussionsrunde mit
StadtratskandidatInnen aller Listen. Die ehrenvolle Aufgabe, die
CSU dort zu repräsentieren, hatte Dr. Christian Lange
übernommen. Und diesmal wurde auch im FT ausführlich über den
Diskussionsabend berichtet – halbseitig und mit Bild. Die
Berichterstattung übernahm der FT sogar selbst und schickte eine
eigene Mitarbeiterin zu dem Termin – übrigens die Ehefrau des
CSU-Vertreters.
gaz-Fußnoten-Fazit: FT-Lektüre ist
wie löchriger Käse. Empfehlung: gaz lesen –
Lücken füllen!
sys
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