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Stirbt Oberfranken aus?

Jedes Jahr verschwindet in Oberfranken eine Kleinstadt

 

Weite Landschaften mit pittoresken Ruinen, Dörfer ohne Autoverkehr, Bänke mit alten Menschen in der Sonne, Spielplätze mit verrosteten Rutschen. Oberfranken in ein paar Jahrzehnten. Ein überzeichnetes Bild? Aber Prognosen besonders für die Grenzregionen legen so etwas nahe …

 

Ein Blick in die oberfränkische Demografiestatistik lehrt uns das Gruseln. Jedes Jahr verschwindet auf der oberfränkischen Landkarte eine Kleinstadt in der Größenordnung von Scheßlitz. Natürlich verschwindet nicht die Kleinstadt selbst, sondern die Bevölkerung von Oberfranken nimmt Jahr für Jahr um etwa 4000 Menschen ab. Manche Regionen kommen mit einem blauen Auge davon und halten ihre Einwohnerzahl, dazu gehören die Regionen Bayreuth und Bamberg. Bis zum Jahr 2024 werden aber in den Regionen Coburg, Hof und Wunsiedel 6,1 % weniger Menschen leben als heute.

Immer mehr wandern ab

Dass sich die Schere zwischen Boom- und Schrumpfregionen immer weiter auftut, beweist auch eine Studie des Lehrstuhls Regionalforschung der Universität Würzburg, die von der Grünen-Landtagsfraktion in Auftrag gegeben wurde. Die Abwanderung in die Metropolen nimmt zu, denn dort lebt sich’s einfach besser. Die SZ fasste das so zusammen: "Wer das Glück hat, in einem der Ballungsräume geboren zu werden, lebt nicht nur länger, findet leichter einen Arbeitsplatz und einen Hortplatz für die Kinder, er hat auch den schnelleren Internetanschluss und mehr Einkaufsmöglichkeiten, keine Probleme bei der Wahl des Arztes und sogar jüngere Nachbarn." Weite Teile Oberfrankens können das nicht von sich behaupten.

Verkehrsprojekte zur Entvölkerung

Manche sehen bis heute das Heil in einer vermeintlich besseren Verkehrsanbindung der Region, etwa durch die Fichtelgebirgsautobahn. Doch gerade die Region um Hof belegt, dass ein Automatismus zwischen Wirtschaftsförderung und Fernverkehrsanbindung ein Mythos ist. Nach der Wende wurde der Landkreis Hof zu einem europäischen Verkehrsknotenpunkt, gesegnet mit einer Anbindung über drei Autobahnen an Dresden, Regensburg und Nürnberg. Mit dem Regionalflughafen Hof-Plauen besteht schon lange eine direkte Verbindung nach Frankfurt am Main. Doch strukturell ist die Region in Bayern dennoch weit abgeschlagen.

Verschiedene Studien zeigen, dass Arbeitslosenquoten nicht zwingend mit der Zahl von Autobahnauffahrten zusammenhängen. Das Gegenteil kann der Fall sein. Die Gefahr, dass man nur als Durchfahrtsregion missbraucht wird, ist weit größer. Schnelle Wege erleichtern die Mitversorgung einer Region durch überregionale Großbetriebe und bedrängen so die regionalen Unternehmen. Wer profitiert, ist nicht die Wirtschaftskraft vor Ort, sondern die der benachbarten Ballungsräume. An die Segenswirkungen einer ICE-Trasse ohne Stopp in Bamberg, Lichtenfels und Coburg kann daher nur glauben, wer allein die großen Metropolen im Auge hat.

Mit den Schulen sterben die Perspektiven

Die Staatsregierung nutzt den demografischen Trend in erster Linie, um Gelder einzusparen. In Bayern wurde seit 2004 ein Drittel aller Hauptschulstandorte komplett geschlossen, d.h. in den betroffenen Gemeinden gibt es seither überhaupt keine Hauptschule mehr. Oberfranken belegte dabei mit 50 aufgelösten Hauptschulstandorten den zweiten Platz in Bayern. So werden die betroffenen Gemeinden und Regionen aufgegeben. Die schwindende Schülerzahl in Oberfranken konzentriert sich auf immer weniger Schulstandorte, die Folge ist ein kostspieliger und klimaschädlicher "Schülerfahrwettbewerb". Um diesem Trend zu begegnen, plädieren die Grünen für kleine, selbständige Schulen, die möglichst in der Region vernetzt wirken sollen. Südtirol hat dies erfolgreich vorgemacht.

Angst vor dem Verlust – Angst vor dem Fremden

Es scheint absurd zu sein: Fremdenangst und Ablehnung sind dort am größten, wo die wenigsten Menschen aus anderen Regionen und Ländern leben. Studien belegen: Hinter fremdenfeindlichen Einstellungen verbergen sich oft Ängste vor der eigenen Zukunft. Es ist weniger der Hass gegen MigrantInnen, der Rechtsradikalismus fördert, es ist eher die Angst, selbst aus der Heimat vertrieben zu werden. Und dennoch brauchen gerade schrumpfende Regionen Zuwanderung. Es ist also auch eine Strategie gegen Rechts, wenn Menschen wieder Zukunftsperspektiven finden. Nur dann können sie Fremde integrieren.

Wie macht man das? Indem die Politik Mut zeigt und in scheinbar verlorenen Regionen massiv investiert, anstatt immer auf die bestehenden Boomregionen zu setzen und von den anderen halt mehr Flexibilität einzufordern. Sonst gilt: Wer weg kann, geht weg. Wer da bleiben muss, verteidigt die Heimat gegen das Fremde.

Veränderungen akzeptieren und gegensteuern

Wir müssen überlegen, was eine Region braucht, die vom demografischen Wandel überrollt wird. Zwei Strategien zugleich gilt es zu verfolgen: Anpassen und Gegensteuern. Wir müssen ebenso unvermeidliche Realitäten akzeptieren wie wir gegen allzu große Bevölkerungsverluste ankämpfen müssen.

Wir brauchen weiterhin attraktive Angebote, die sich durchaus rechnen: eine wohnortnahe, dezentrale Versorgung – vom Arzt über den Lebensmittelladen bis zur Schule – gehören zur soziokulturellen Grundversorgung. Der Mittelstand muss gefördert werden, statt auf ferne Technologiecluster und Hightechzentren – Lieblingsbabys der Staatsregierung – zu setzen.

In Oberfranken gilt es die kulturwirtschaftlichen Potenziale zu bündeln und eine selbstbewusste Standortpolitik zu betreiben, die sich ökologisch und energieeffizient der Zukunft stellt.

us