Schizophrenie des kameralen Haushalts
Info-Abend der GAL stellte System des
städtischen Etats dar
800 Seiten und mehr als zwei Kilo Papier standen im
Mittelpunkt des Info-Abends der GAL-Stadtratsfraktion mit dem Titel
"Zwischen Beschwörungsformel und Rechenschieber – Wie
funktioniert eigentlich der Bamberger Haushalt?"
Schon das System der Kameralistik, nach dem
kommunale Haushalte aufgebaut sind, brachte so manchen der
zahlreichen Gäste zum Staunen. Wie GAL-Stadtrat Peter Gack
erläuterte, werden im jährlichen Etat nur Einnahmen und Ausgaben
aufgelistet. Anders als bei Bilanzen in Wirtschaftsunternehmen
erhalte man keinen Überblick über die Vermögenswerte, über deren
Zuwachs und Verlust. "Ein Grundstück zum Beispiel taucht im
Kameralhaushalt erst dann auf, wenn die Stadt es verkauft, denn dann
hat sie daraus Einnahmen", so Gack. Deshalb gingen moderne
Kommunalhaushalte nach und nach dazu über, die doppelte
Buchführung (Doppik) wie in der freien Wirtschaft einzuführen.
Auch für Bamberg erhofft sich der GAL-Stadtrat eine Reform in nicht
allzu ferner Zeit.
Das Verfahren zur Aufstellung des Haushalts beginnt
nach Darstellung Gacks bereits im Sommer des Vorjahres. Die
Kämmerei fordere alle Referate und Ämter auf, ihren Finanzbedarf
anzumelden. Besondere Wünsche würden in den Ausschüssen des
Stadtrats diskutiert. Hier zeigt sich nach der Erfahrung von
GAL-Stadtrat Wolfgang Grader eine gewisse "finanzpolitische
Schizophrenie". Oft würden die Mitglieder z.B. des
Kultursenats oder Bausenats einem Vorhaben zustimmen, Monate später
aber, bei den Haushaltsberatungen im Finanzsenat, würden genau
dieselben Stadträte diese Vorhaben wieder kippen, weil sie die
Finanzierung nicht im Etat unterbringen können. "Wenn wir von
der GAL-Fraktion meist schon im Sommer sagen, dass kein Geld da ist,
erscheinen wir als Neinsager, obwohl wir eigentlich nur ehrlich und
realistisch sind." Fatal sei eine solche inkonsequente
Finanzpolitik auch für die Stadtverwaltung, die dadurch bis zuletzt
keine Planungssicherheit habe.
Ungläubigkeit löste bei den Anwesenden auch das
Umgehen mit den momentanen Finanzproblemen der Stadt aus. Wie Gack
berichtete, wurde bei den Beratungen zum Haushalt 2003 aufgrund der
einbrechenden Gewerbesteuer eine Deckungslücke von insgesamt 28 Mio
Euro festgestellt. Um dieses Loch zu stopfen, habe der Stadtrat aber
nicht die Ausgaben gesenkt oder Projekte gestrichen - "sondern
man geht massiv ans Eingemachte." Die Rücklagen seien bis auf
das gesetzliche Minimum aufgelöst worden, den Stadtwerken habe man
Gewinne entzogen, Wertpapiere habe man verkauft. Bauprojekte wie
Kronacher Straße und Fußgängertunnel habe man, um den Etat 2003
zu entlasten, auf nur noch geringfügige Beträgen reduziert, was
aber nach Gacks Ansicht "das Finanzproblem nur auf das nächste
Jahr verschiebt, wenn wir auch nicht mehr Geld haben". Trotz
all dem habe man dann immer noch Kredite in zweistelliger
Millionenhöhe aufnehmen müssen.
Nachfragen aus dem Publikum betrafen einige
Einzelposten. So erläuterte GAL-Stadtrat Gack, dass von den
gesamten Ausgaben für Kultur in Höhe von 6,9 Mio Euro allein 1,1
Mio Euro an die Bamberger Symphoniker und 2,2 Mio Euro an das
E.T.A.-Hoffmann-Theater gingen. Der Anteil der Sozialhilfe-Kosten
(2,2 Mio Euro) am Etat des Sozialamts (5,2 Mio Euro) fiel hingegen
viel geringer aus, als die Anwesenden vermutet hätten.
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