Pressemitteilung vom 21.7.2003 Schizophrenie des kameralen Haushalts Info-Abend der GAL stellte System des städtischen Etats dar 800 Seiten und mehr als zwei Kilo Papier standen im Mittelpunkt des Info-Abends der GAL- Stadtratsfraktion mit dem Titel "Zwischen Beschwörungsformel und Rechenschieber – Wie funktioniert eigentlich der Bamberger Haushalt?" Schon das System der Kameralistik, nach dem kommunale Haushalte aufgebaut sind, brachte so manchen der zahlreichen Gäste zum Staunen. Wie GAL-Stadtrat Peter Gack erläuterte, werden im jährlichen Etat nur Einnahmen und Ausgaben aufgelistet. Anders als bei Bilanzen in Wirtschaftsunternehmen erhalte man keinen Überblick über die Vermögenswerte, über deren Zuwachs und Verlust. "Ein Grundstück zum Beispiel taucht im Kameralhaushalt erst dann auf, wenn die Stadt es verkauft, denn dann hat sie daraus Einnahmen", so Gack. Deshalb gingen moderne Kommunalhaushalte nach und nach dazu über, die doppelte Buchführung (Doppik) wie in der freien Wirtschaft einzuführen. Auch für Bamberg erhofft sich der GAL-Stadtrat eine Reform in nicht allzu ferner Zeit. Das Verfahren zur Aufstellung des Haushalts beginnt nach Darstellung Gacks bereits im Sommer des Vorjahres. Die Kämmerei fordere alle Referate und Ämter auf, ihren Finanzbedarf anzumelden. Besondere Wünsche würden in den Ausschüssen des Stadtrats diskutiert. Hier zeigt sich nach der Erfahrung von GAL-Stadtrat Wolfgang Grader eine gewisse "finanzpolitische Schizophrenie". Oft würden die Mitglieder z.B. des Kultursenats oder Bausenats einem Vorhaben zustimmen, Monate später aber, bei den Haushaltsberatungen im Finanzsenat, würden genau dieselben Stadträte diese Vorhaben wieder kippen, weil sie die Finanzierung nicht im Etat unterbringen können. "Wenn wir von der GAL-Fraktion meist schon im Sommer sagen, dass kein Geld da ist, erscheinen wir als Neinsager, obwohl wir eigentlich nur ehrlich und realistisch sind." Fatal sei eine solche inkonsequente Finanzpolitik auch für die Stadtverwaltung, die dadurch bis zuletzt keine Planungssicherheit habe. Ungläubigkeit löste bei den Anwesenden auch das Umgehen mit den momentanen Finanzproblemen der Stadt aus. Wie Gack berichtete, wurde bei den Beratungen zum Haushalt 2003 aufgrund der einbrechenden Gewerbesteuer eine Deckungslücke von insgesamt 28 Mio Euro festgestellt. Um dieses Loch zu stopfen, habe der Stadtrat aber nicht die Ausgaben gesenkt oder Projekte gestrichen - "sondern man geht massiv ans Eingemachte." Die Rücklagen seien bis auf das gesetzliche Minimum aufgelöst worden, den Stadtwerken habe man Gewinne entzogen, Wertpapiere habe man verkauft. Bauprojekte wie Kronacher Straße und Fußgängertunnel habe man, um den Etat 2003 zu entlasten, auf nur noch geringfügige Beträgen reduziert, was aber nach Gacks Ansicht "das Finanzproblem nur auf das nächste Jahr verschiebt, wenn wir auch nicht mehr Geld haben". Trotz all dem habe man dann immer noch Kredite in zweistelliger Millionenhöhe aufnehmen müssen. Nachfragen aus dem Publikum betrafen einige Einzelposten. So erläuterte GAL-Stadtrat Gack, dass von den gesamten Ausgaben für Kultur in Höhe von 6,9 Mio Euro allein 1,1 Mio Euro an die Bamberger Symphoniker und 2,2 Mio Euro an das E.T.A.-Hoffmann-Theater gingen. Der Anteil der Sozialhilfe-Kosten (2,2 Mio Euro) am Etat des Sozialamts (5,2 Mio Euro) fiel hingegen viel geringer aus, als die Anwesenden vermutet hätten.