"Nicht das Kind mit dem Bade
ausschütten!"
Politologe referierte über
Welthandelsbedingungen im Agrarbereich
"Hunger ist das Ergebnis vieler komplexer
interner und externer Faktoren, von daher gibt es auch keine
einfachen Lösungen!" Dies war eine der Hauptaussagen des
Diplom-Politologen Frank Holtmeier, der auf Einladung der GAL und
der Grünen Hochschulgruppe Bamberg über die Welthandelsbedingungen
der Entwicklungsländer im Agrarbereich referierte.
Holtmeier, der zuletzt zwei Jahre für den Deutschen
Entwicklungsdienst (ded) in Kenia gearbeitet hat, zeigte am Beispiel
des südafrikanischen Staates Malawi, wie das Zusammenkommen von
Fehlplanung, Korruption, internationalen Handelsbedingungen und
widrigen natürlichen Umständen zu Hungerkatastrophen führen kann.
Laut Angaben des UN-Welternährungsprogramms (WFP) sind 14 Millionen
Menschen im südlichen Afrika vom Hungertod bedroht.
Der Referent wies aber darauf hin, daß nur rund 10
Prozent aller Hungertoten durch solche akuten Krisen umkomme.
"Die Mehrzahl der 100.000 Menschen, davon 31.000 Kinder, die
jeden Tag durch Hunger sterben, stirbt an chronischer
Unterernährung." Der eigentliche Skandal dabei sei, daß es
weltweit genügend Nahrung gebe und das meist auch in den von Hunger
betroffenen Staaten. 80 Prozent aller von Hunger bedrohten Kinder
lebten in Ländern, die Nahrungsüberschüsse produzierten.
"Hunger ist in erster Linie ein Verteilungsproblem", so
Holtmeier. In Krisensituationen sei es aus humanitären Gründen
notwendig Nahrungsmittelhilfe zu leisten. Allerdings müßten einer
solchen Hilfe immer langfristige Maßnahmen zur künftigen
eigenständigen Ernährungssicherung folgen.
"Zudem sollten keine Agrarüberschüsse aus den
Industrieländern als Nahrungsmittelhilfe verwendet werden, sondern
die notwendige Nahrung sollte im Land selbst oder zumindest in der
Region gekauft werden, um die lokalen Märkte nicht noch weiter zu
zerstören."
Um die Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern
sicherzustellen sei auch eine Reform der Welthandelsbedingungen
notwendig. Zwar habe es mit der Welthandelsorganisation WTO durchaus
auch Verbesserungen für Entwicklungsländer im Vergleich zum alten
GATT-System gegeben, so Holtmeier. "Problematisch sind aber
insbesondere die massiven Unterschiede in der Verhandlungsmacht der
einzelnen Staaten." Außerdem fehlten vielen Staaten schlicht
die personellen Kapazitäten um ihre Interessen innerhalb der WTO
angemessen zu vertreten.
Für die im Herbst anstehenden WTO-Verhandlungen
befürwortete Holtmeier die Einrichtung eines internationalen Funds,
mit dem Kleinbauern und die Produktion von Grundnahrungsmitteln in
den Entwicklungsländern vor weitgehenden Liberalisierungsmaßnahmen
geschützt werden könnten. "Genau wie die EU jahrzehntelang
ihren Agrarmarkt geschützt hat, muß auch den Entwicklungsländern
Zeit und die Möglichkeit gegeben werden, ihre Agrarmärkte zu
schützen." Von daher sei es sinnvoll diesen Staaten zunächst
höhere Schutzmaßnahmen einzuräumen als den Industrieländern.
Auch für die Industrieländer sei das derzeitige System äußerst
kostspielig: 300 Milliarden US-Dollar koste der Agrarprotektionismus
deren Steuerzahler jedes Jahr.
Holtmeier befürwortete aber ein System
internationaler Handelsregeln. "Welthandel ist grundsätzlich
für Entwicklung förderlich." Bei aller berechtigten Kritik an
den massiven sozialen und ökologischen Defiziten der derzeitigen
WTO-Verträge warnte der Referent davor "das Kind mit dem Bade
auszuschütten." Die WTO sei bilateralen Einigungen
vorzuziehen, bei denen die Länder des Südens eine noch schwächere
Verhandlungsposition hätten. Insbesondere in den USA gebe es
zunehmende Bestrebungen multilaterale Vereinbarungen zu umgehen.
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