Pressemitteilung vom 24.5.2003 „Nicht das Kind mit dem Bade ausschütten!“ Politologe referierte über Welthandelsbedingungen im Agrarbereich „Hunger ist das Ergebnis vieler komplexer interner und externer Faktoren, von daher gibt es auch keine einfachen Lösungen!“ Dies war eine der Hauptaussagen des Diplom-Politologen Frank Holtmeier, der auf Einladung der GAL und der Grünen Hochschulgruppe Bamberg über die Welthandelsbedingungen der Entwicklungsländer im Agrarbereich referierte. Holtmeier, der zuletzt zwei Jahre für den Deutschen Entwicklungsdienst (ded) in Kenia gearbeitet hat, zeigte am Beispiel des südafrikanischen Staates Malawi, wie das Zusammenkommen von Fehlplanung, Korruption, internationalen Handelsbedingungen und widrigen natürlichen Umständen zu Hungerkatastrophen führen kann. Laut Angaben des UN- Welternährungsprogramms (WFP) sind 14 Millionen Menschen im südlichen Afrika vom Hungertod bedroht. Der Referent wies aber darauf hin, daß nur rund 10 Prozent aller Hungertoten durch solche akuten Krisen umkomme. „Die Mehrzahl der 100.000 Menschen, davon 31.000 Kinder, die jeden Tag durch Hunger sterben, stirbt an chronischer Unterernährung.“ Der eigentliche Skandal dabei sei, daß es weltweit genügend Nahrung gebe und das meist auch in den von Hunger betroffenen Staaten. 80 Prozent aller von Hunger bedrohten Kinder lebten in Ländern, die Nahrungsüberschüsse produzierten. „Hunger ist in erster Linie ein Verteilungsproblem“, so Holtmeier. In Krisensituationen sei es aus humanitären Gründen notwendig Nahrungsmittelhilfe zu leisten. Allerdings müßten einer solchen Hilfe immer langfristige Maßnahmen zur künftigen eigenständigen Ernährungssicherung folgen. „Zudem sollten keine Agrarüberschüsse aus den Industrieländern als Nahrungsmittelhilfe verwendet werden, sondern die notwendige Nahrung sollte im Land selbst oder zumindest in der Region gekauft werden, um die lokalen Märkte nicht noch weiter zu zerstören.“ Um die Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern sicherzustellen sei auch eine Reform der Welthandelsbedingungen notwendig. Zwar habe es mit der Welthandelsorganisation WTO durchaus auch Verbesserungen für Entwicklungsländer im Vergleich zum alten GATT-System gegeben, so Holtmeier. „Problematisch sind aber insbesondere die massiven Unterschiede in der Verhandlungsmacht der einzelnen Staaten.“ Außerdem fehlten vielen Staaten schlicht die personellen Kapazitäten um ihre Interessen innerhalb der WTO angemessen zu vertreten. Für die im Herbst anstehenden WTO-Verhandlungen befürwortete Holtmeier die Einrichtung eines internationalen Funds, mit dem Kleinbauern und die Produktion von Grundnahrungsmitteln in den Entwicklungsländern vor weitgehenden Liberalisierungsmaßnahmen geschützt werden könnten. „Genau wie die EU jahrzehntelang ihren Agrarmarkt geschützt hat, muß auch den Entwicklungsländern Zeit und die Möglichkeit gegeben werden, ihre Agrarmärkte zu schützen.“ Von daher sei es sinnvoll diesen Staaten zunächst höhere Schutzmaßnahmen einzuräumen als den Industrieländern. Auch für die Industrieländer sei das derzeitige System äußerst kostspielig: 300 Milliarden US-Dollar koste der Agrarprotektionismus deren Steuerzahler jedes Jahr. Holtmeier befürwortete aber ein System internationaler Handelsregeln. „Welthandel ist grundsätzlich für Entwicklung förderlich.“ Bei aller berechtigten Kritik an den massiven sozialen und ökologischen Defiziten der derzeitigen WTO-Verträge warnte der Referent davor „das Kind mit dem Bade auszuschütten.“ Die WTO sei bilateralen Einigungen vorzuziehen, bei denen die Länder des Südens eine noch schwächere Verhandlungsposition hätten. Insbesondere in den USA gebe es zunehmende Bestrebungen multilaterale Vereinbarungen zu umgehen.