"Militär schafft keinen Frieden"
Der grüne Bundestagsabgeordnete Winfried
Nachtwei zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr
Zehn Jahre nach dem ersten Auslandseinsatz der
Bundeswehr im Jugoslawienkrieg wird nach Ansicht des
Grünen-Bundestagsabgeordneten Winfried Nachtwei eine Zwischenbilanz
deutscher Militärengagements jenseits deutscher Grenzen immer
notwendiger.
Seit den Anschlägen vom 11. September sei auch in
Deutschland eine "Entgrenzung von Militäreinsätzen"
festzustellen. Bei einer Diskussion zum Thema "Lassen sich
Demokratie und Frieden mit militärischen Mitteln herstellen?"
auf Einladung der Grünen/GAL in Bamberg und der Intitiative
"Bürger für den Frieden" warnte der
sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion vor
einem "ausufernden" Verteidigungsbegriff.
Obwohl Nachtwei selbst für eine Verlängerung des
Bundeswehreinsatzes im Rahmen der internationalen Friedenstruppe
ISAF in Afghanistan stimmte, mahnte er: "Deutschland wird nicht
am Hindukusch verteidigt." Dort stehe nicht das Existenzrecht
Deutschlands auf dem Spiel. Rechtfertigungen von Militäreinsätzen
wie diese oder etwa zur Terrorbekämpfung oder zur Sicherung von
Rohstoff- und Energieressourcen führten zu einer
"Chaotisierung des Völkerrechts". Krieg dürfe nicht
wieder ein Mittel der Politik werden.
Beispiel Afghanistan: Trotz der internationalen
Militärpräsenz der ISAF-Sicherheitsunterstützungstruppe sei in
dem zentralasiatischen Land eine "gefährliche
Zurückentwicklung" zu beobachten. Der zivile Aufbau, die
Etablierung eines Justizsystems seien ausgeblieben. "Und der
Schlafmohnabau stieg im Vergleich zu 2005 um 50 Prozent",
berichtete der Parlamentarier aus eigenen Reisen in das Land. Ein
Ausstieg der Bundeswehr zum jetzigen Zeitpunkt sei jedoch nicht
verantwortbar gewesen, verteidigte der Parlamentarier aus Münster
die Zustimmung seiner Fraktion für eine Verlängerung des Einsatzes
der Bundeswehr. "Deutschland war in Afghanistan das
verlässlichste Land. Aber insgesamt muss sich der Kurs ändern,
sonst ist in den nächsten Jahren in Afghanistan alles zu
spät", meinte Nachtwei.
"Brandbeschleuniger für Terrorismus"
Die bisherige Bilanz des US-geführten
Kriegseinsatzes im Irak nannte er dagegen "verheerend".
Der Irak sei der "Prototyp eines illegitimen
Militäreinsatzes" und zeige, dass eine Terrorbekämpfung mit
Krieg nicht möglich sei. Ganz im Gegenteil sei der Einsatz zum
"Brandbeschleuniger für Terrorismus" geworden.
Besorgt zeigte sich Nachtwei, der Mitglied im
Verteidigungsauschuss des Bundestags ist, dass zivile
Krisenprävention im Koalitonsvertrag der schwarz-roten
Bundesregierung einen deutlich geringeren Stellenwert habe als bei
der rot-grünen Vorgängerregierung. Wichtig wären im Gegenteil
mehr Unterstützung und Öffentlichkeit für nichtmilitärische
Kriegsverhinderungsstrategien.
Dabei müssten sich auch die Medien fragen, ob sie
in der Krisenberichterstattung nicht "zu militärfixiert"
seien und nur nach der Devise handelten "bad news are good
news" – schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten.
"Wenn eine präventive Strategie klappt, dann hat das Haus
nicht gebrannt - aber in den Medien ist dies kaum relevant",
kritisierte der Abgeordnete.
Militärische Auslandseinsätze könnten
grundsätzlich weder Demokratie noch Frieden schaffen, sondern im
besten Fall Friedensprozesse in Gang setzen und "Zeit
kaufen" für politische Lösungen, sagte Nachtwei weiter. So
hätte es nach seiner Ansicht im Libanon-Konflikt keinen
Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah ohne die
Unifil-Mission der Vereinten Nationen gegeben. Beide Seiten hätten
dafür Zugeständnisse gemacht. Nun gehe es darum, die
"schwache libanesische Staatlichkeit" zu stärken.
Entscheidendes Kriterium für Auslandseinsätze der
Bundeswehr sollte nach Meinung Nachtweis die vorherige Ausschöpfung
politischer Deeskalationsstrategien sein. Andernfalls drohten teure
und riskante Endloseinsätze. Außerdem brauche die
"Parlamentsarmee Bundeswehr" eine größere politische
Akzeptanz als bisher. Dazu gehörten nicht bloße Mehrheiten aus
Koalitionsdisziplin, sondern kontinuierliche und sorgfältige
Kontrolle durch den Bundestag und die Öffentlichkeit. Oberstes Ziel
von Auslandseinsätzen der Bundeswehr müsse die
Friedensunterstützung im Rahmen kollektiver Sicherheitssysteme
sein, die strikt an das Völkerrecht und die Menschenrechte gebunden
sein müsse.
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