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Pressemitteilung vom 11. Oktober 2006

"Militär schafft keinen Frieden"

Der grüne Bundestagsabgeordnete Winfried Nachtwei zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr

 

Zehn Jahre nach dem ersten Auslandseinsatz der Bundeswehr im Jugoslawienkrieg wird nach Ansicht des Grünen-Bundestagsabgeordneten Winfried Nachtwei eine Zwischenbilanz deutscher Militärengagements jenseits deutscher Grenzen immer notwendiger.

Seit den Anschlägen vom 11. September sei auch in Deutschland eine "Entgrenzung von Militäreinsätzen" festzustellen. Bei einer Diskussion zum Thema "Lassen sich Demokratie und Frieden mit militärischen Mitteln herstellen?" auf Einladung der Grünen/GAL in Bamberg und der Intitiative "Bürger für den Frieden" warnte der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion vor einem "ausufernden" Verteidigungsbegriff.

Obwohl Nachtwei selbst für eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Rahmen der internationalen Friedenstruppe ISAF in Afghanistan stimmte, mahnte er: "Deutschland wird nicht am Hindukusch verteidigt." Dort stehe nicht das Existenzrecht Deutschlands auf dem Spiel. Rechtfertigungen von Militäreinsätzen wie diese oder etwa zur Terrorbekämpfung oder zur Sicherung von Rohstoff- und Energieressourcen führten zu einer "Chaotisierung des Völkerrechts". Krieg dürfe nicht wieder ein Mittel der Politik werden.

Beispiel Afghanistan: Trotz der internationalen Militärpräsenz der ISAF-Sicherheitsunterstützungstruppe sei in dem zentralasiatischen Land eine "gefährliche Zurückentwicklung" zu beobachten. Der zivile Aufbau, die Etablierung eines Justizsystems seien ausgeblieben. "Und der Schlafmohnabau stieg im Vergleich zu 2005 um 50 Prozent", berichtete der Parlamentarier aus eigenen Reisen in das Land. Ein Ausstieg der Bundeswehr zum jetzigen Zeitpunkt sei jedoch nicht verantwortbar gewesen, verteidigte der Parlamentarier aus Münster die Zustimmung seiner Fraktion für eine Verlängerung des Einsatzes der Bundeswehr. "Deutschland war in Afghanistan das verlässlichste Land. Aber insgesamt muss sich der Kurs ändern, sonst ist in den nächsten Jahren in Afghanistan alles zu spät", meinte Nachtwei.

"Brandbeschleuniger für Terrorismus"

Die bisherige Bilanz des US-geführten Kriegseinsatzes im Irak nannte er dagegen "verheerend". Der Irak sei der "Prototyp eines illegitimen Militäreinsatzes" und zeige, dass eine Terrorbekämpfung mit Krieg nicht möglich sei. Ganz im Gegenteil sei der Einsatz zum "Brandbeschleuniger für Terrorismus" geworden.

Besorgt zeigte sich Nachtwei, der Mitglied im Verteidigungsauschuss des Bundestags ist, dass zivile Krisenprävention im Koalitonsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung einen deutlich geringeren Stellenwert habe als bei der rot-grünen Vorgängerregierung. Wichtig wären im Gegenteil mehr Unterstützung und Öffentlichkeit für nichtmilitärische Kriegsverhinderungsstrategien.

Dabei müssten sich auch die Medien fragen, ob sie in der Krisenberichterstattung nicht "zu militärfixiert" seien und nur nach der Devise handelten "bad news are good news" – schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. "Wenn eine präventive Strategie klappt, dann hat das Haus nicht gebrannt - aber in den Medien ist dies kaum relevant", kritisierte der Abgeordnete.

Militärische Auslandseinsätze könnten grundsätzlich weder Demokratie noch Frieden schaffen, sondern im besten Fall Friedensprozesse in Gang setzen und "Zeit kaufen" für politische Lösungen, sagte Nachtwei weiter. So hätte es nach seiner Ansicht im Libanon-Konflikt keinen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah ohne die Unifil-Mission der Vereinten Nationen gegeben. Beide Seiten hätten dafür Zugeständnisse gemacht. Nun gehe es darum, die "schwache libanesische Staatlichkeit" zu stärken.

Entscheidendes Kriterium für Auslandseinsätze der Bundeswehr sollte nach Meinung Nachtweis die vorherige Ausschöpfung politischer Deeskalationsstrategien sein. Andernfalls drohten teure und riskante Endloseinsätze. Außerdem brauche die "Parlamentsarmee Bundeswehr" eine größere politische Akzeptanz als bisher. Dazu gehörten nicht bloße Mehrheiten aus Koalitionsdisziplin, sondern kontinuierliche und sorgfältige Kontrolle durch den Bundestag und die Öffentlichkeit. Oberstes Ziel von Auslandseinsätzen der Bundeswehr müsse die Friedensunterstützung im Rahmen kollektiver Sicherheitssysteme sein, die strikt an das Völkerrecht und die Menschenrechte gebunden sein müsse.