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Interview, erschienen im Fränkischen Tag vom 1. Juli 2006

Familie ist "Zukunft"

Interview   "Kinderfreundlichkeit wird immer mehr zum Standortfaktor für die Wirtschaft." Das sagt Gisela Filkorn, die neue Familienbeauftragte.

von Michael Wehner, FT

 

Bamberg - Seit Mittwoch gibt es in Bamberg ein neues Ehrenamt – das der Familienbeauftragten. Es wird bekleidet von Gisela Filkorn, Mutter von zwei Kindern. Die Diplom-Kauffrau entwickelte als Vorsitzende des Familienbeirats federführend das Instrument der Familienfreundlichkeitsprüfung, das künftig bei allen Entscheidungen in der Stadt Anwendung finden soll. Von der Frage nach gut geeigneten Spielplätzen bis hin zur Kinderwagen gerechten Gehsteigbreite enthält der Kriterienkatalog eine Vielfalt von Anforderungen, die künftig bei städtischen Entscheidungen berücksichtigt werden sollen

Frau Filkorn, Sie sind Mutter von zwei Kindern und leiden bestimmt nicht an Unterbeschäftigung. Der Job als Familienbeauftragte ist eine ehrenamtliche Tätigkeit. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?

Nun, mein jüngster Sohn hat gerade das Abitur geschafft, so dass ich zeitlich nicht mehr rund um die Uhr für meine Kinder präsent sein muss. Ich arbeite seit Anbeginn im Familienbeirat mit und mir ist immer klarer geworden, dass angesichts der erschreckend niedrigen Geburtenraten die Zukunft unserer Gesellschaft und auch unserer Stadt schon in absehbarer Zeit gefährdet ist. Ich halte es für eine unabdingbare Aufgabe, die Förderung der Familien in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen und politischen Aufmerksamkeit zu stellen – und dies nicht nur zu Wahlzeiten. Alles dafür zu tun, dass die junge Generation eine lebenswerte Zukunft hat, ist mein großes Anliegen.


Sie haben bei Ihrer Einführung im Stadtrat von Nachholbedarf gesprochen. Wo sehen Sie Defizite?

Ich fang' lieber mal auf der positiven Seite an: die Stadt Bamberg und insbesondere auch der alte OB Lauer und auch der neue OB Starke haben erkannt, dass Bamberg nicht ausschließlich mit dem Weltkulturerbesiegel werben kann, sondern dass es auch zukunftsorientiert und damit familienorientiert handeln muss. In diesem Zusammenhang haben die Entscheidungen, den Familienbeirat zu gründen, die Familienfreundlichkeitsprüfung einzuführen und eine Familienbeauftragte für die Stadt zu berufen, eindeutig Signale in die richtige Richtung gegeben. Bald wird auch ein informativer Ratgeber für Familien und Alleinerziehende erscheinen, der von der Stadt maßgeblich mitfinanziert wird. Defizite im einzelnen möchte ich erst noch aufspüren, aber sicherlich wäre der Ausbau der Krippenplätze und der Mittags- und Ferienbetreuung sehr wünschenswert. Darüber hinaus fehlt ein flexibles Betreuungsangebot in den sogenannten Betreuungsrandzeiten vor 8 Uhr, nach 17 Uhr und an Samstagen. Ganz besonders wünsche ich mir auch, dass die Stadt als Arbeitgeber Vorbildfunktion für die gelingende Vereinbarkeit von Familie und Beruf übernimmt. Und: Familienpolitik muss in der Stadt Bamberg zur Chefsache erklärt werden.

Die Geburtenquote der Bamberger Frauen ist mit 1,1 Kindern pro Kopf im Bundesvergleich rekordverdächtig niedrig. Welchen Gründe sehen dafür?
Einer der Gründe ist sicher, dass Bamberg nicht über genügend bezahlbaren Wohnraum für junge Familien verfügt, so dass viele Familien aufs Land abwandern. Zudem gibt es in Bamberg relativ wenige Unternehmen, die Arbeitsplätze zur Verfügung stellen können. Familien brauchen aber Arbeitsplätze zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Basis. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz: denn Unternehmen berücksichtigen bei ihren Standortentscheidungen immer öfter, ob genügend junge Menschen und Fachkräften vorhanden sind. Auch die miserable Ausbildungsplatzsituation für Schulabgänger in Bamberg trägt zur Abwanderung junger Leute bei. Deshalb wird Familienfreundlichkeit immer mehr zu einem entscheidenden Standortvorteil für die Städte.

Der Begriff Familienfreundlichkeitsprüfung klingt ein wenig nach mehr Bürokratie und neuen Vorschriften

Ja, der Begriff klingt wirklich umständlich, vielleicht haben Sie ja eine bessere Idee? Aber familienfreundlich sein will doch eigentlich jeder. Nur klingt das genau so gut wie es abstrakt ist. Es fragt sich, wie kann man Familienfreundlichkeit einforderbar und nachprüfbar machen? Dazu hat der Familienbeirat der Stadt Bamberg einen Kriterienkatalog und eine Checkliste entworfen, mit deren Hilfe die städtische Verwaltung Familienfreundlichkeit konkretisieren kann. Bei jedem größeren Planungsverfahren sollen in Zukunft Familienbelange überprüft werden, so wie das mit der Umweltverträglichkeitsprüfung seit Jahren der Fall ist. Natürlich ist kein schlichtes Abhaken gefragt, sondern die Checkliste soll die Verwaltung dazu anregen, bedarfsgerecht zu planen und auch eigene Verbesserungsvorschläge einzubringen.