Familie ist "Zukunft"
Interview "Kinderfreundlichkeit
wird immer mehr zum Standortfaktor für die Wirtschaft." Das
sagt Gisela Filkorn, die neue Familienbeauftragte.
von Michael Wehner, FT
Bamberg - Seit Mittwoch gibt es in Bamberg ein neues
Ehrenamt – das der Familienbeauftragten. Es wird bekleidet von
Gisela Filkorn, Mutter von zwei Kindern. Die Diplom-Kauffrau
entwickelte als Vorsitzende des Familienbeirats federführend das
Instrument der Familienfreundlichkeitsprüfung, das künftig bei
allen Entscheidungen in der Stadt Anwendung finden soll. Von der
Frage nach gut geeigneten Spielplätzen bis hin zur Kinderwagen
gerechten Gehsteigbreite enthält der Kriterienkatalog eine Vielfalt
von Anforderungen, die künftig bei städtischen Entscheidungen
berücksichtigt werden sollen
Frau Filkorn, Sie sind Mutter von zwei Kindern und
leiden bestimmt nicht an Unterbeschäftigung. Der Job als
Familienbeauftragte ist eine ehrenamtliche Tätigkeit. Was reizt Sie
an dieser Aufgabe?
Nun, mein jüngster Sohn hat gerade das Abitur
geschafft, so dass ich zeitlich nicht mehr rund um die Uhr für
meine Kinder präsent sein muss. Ich arbeite seit Anbeginn im
Familienbeirat mit und mir ist immer klarer geworden, dass
angesichts der erschreckend niedrigen Geburtenraten die Zukunft
unserer Gesellschaft und auch unserer Stadt schon in absehbarer Zeit
gefährdet ist. Ich halte es für eine unabdingbare Aufgabe, die
Förderung der Familien in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen
und politischen Aufmerksamkeit zu stellen – und dies nicht nur zu
Wahlzeiten. Alles dafür zu tun, dass die junge Generation eine
lebenswerte Zukunft hat, ist mein großes Anliegen.
Sie haben bei Ihrer Einführung im Stadtrat von Nachholbedarf
gesprochen. Wo sehen Sie Defizite?
Ich fang' lieber mal auf der positiven Seite an: die Stadt Bamberg
und insbesondere auch der alte OB Lauer und auch der neue OB Starke
haben erkannt, dass Bamberg nicht ausschließlich mit dem
Weltkulturerbesiegel werben kann, sondern dass es auch
zukunftsorientiert und damit familienorientiert handeln muss. In
diesem Zusammenhang haben die Entscheidungen, den Familienbeirat zu
gründen, die Familienfreundlichkeitsprüfung einzuführen und eine
Familienbeauftragte für die Stadt zu berufen, eindeutig Signale in
die richtige Richtung gegeben. Bald wird auch ein informativer
Ratgeber für Familien und Alleinerziehende erscheinen, der von der
Stadt maßgeblich mitfinanziert wird. Defizite im einzelnen möchte
ich erst noch aufspüren, aber sicherlich wäre der Ausbau der
Krippenplätze und der Mittags- und Ferienbetreuung sehr
wünschenswert. Darüber hinaus fehlt ein flexibles
Betreuungsangebot in den sogenannten Betreuungsrandzeiten vor 8 Uhr,
nach 17 Uhr und an Samstagen. Ganz besonders wünsche ich mir auch,
dass die Stadt als Arbeitgeber Vorbildfunktion für die gelingende
Vereinbarkeit von Familie und Beruf übernimmt. Und: Familienpolitik
muss in der Stadt Bamberg zur Chefsache erklärt werden.
Die Geburtenquote der Bamberger Frauen ist mit 1,1
Kindern pro Kopf im Bundesvergleich rekordverdächtig niedrig.
Welchen Gründe sehen dafür?
Einer der Gründe ist sicher, dass Bamberg nicht über genügend
bezahlbaren Wohnraum für junge Familien verfügt, so dass viele
Familien aufs Land abwandern. Zudem gibt es in Bamberg relativ
wenige Unternehmen, die Arbeitsplätze zur Verfügung stellen
können. Familien brauchen aber Arbeitsplätze zur Sicherung ihrer
wirtschaftlichen Basis. Und hier beißt sich die Katze in den
Schwanz: denn Unternehmen berücksichtigen bei ihren
Standortentscheidungen immer öfter, ob genügend junge Menschen und
Fachkräften vorhanden sind. Auch die miserable
Ausbildungsplatzsituation für Schulabgänger in Bamberg trägt zur
Abwanderung junger Leute bei. Deshalb wird Familienfreundlichkeit
immer mehr zu einem entscheidenden Standortvorteil für die Städte.
Der Begriff Familienfreundlichkeitsprüfung klingt
ein wenig nach mehr Bürokratie und neuen Vorschriften
Ja, der Begriff klingt wirklich umständlich,
vielleicht haben Sie ja eine bessere Idee? Aber familienfreundlich
sein will doch eigentlich jeder. Nur klingt das genau so gut wie es
abstrakt ist. Es fragt sich, wie kann man Familienfreundlichkeit
einforderbar und nachprüfbar machen? Dazu hat der Familienbeirat
der Stadt Bamberg einen Kriterienkatalog und eine Checkliste
entworfen, mit deren Hilfe die städtische Verwaltung
Familienfreundlichkeit konkretisieren kann. Bei jedem größeren
Planungsverfahren sollen in Zukunft Familienbelange überprüft
werden, so wie das mit der Umweltverträglichkeitsprüfung seit
Jahren der Fall ist. Natürlich ist kein schlichtes Abhaken gefragt,
sondern die Checkliste soll die Verwaltung dazu anregen,
bedarfsgerecht zu planen und auch eigene Verbesserungsvorschläge
einzubringen.
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