Frauen sind Schlüssel zur Modernisierung der
arabischen Welt
Grünes Bundesvorstandsmitglied Omid
Nouripour fordert bei Diskussion über "Multikulti und
Kulturenkampf" einen Dialog auf Augenhöhe
Beachtliches Interesse angesichts aktueller
Ereignisse - wie Karikaturenstreit und drohende Todesstrafe für
einen zum christlichen Glauben konvertierten Afghanen - rief eine
Diskussion hervor, zu der die Bamberger Grünen eingeladen hatten.
"Multikulti, Kampf der Kulturen – oder was?" lautete der
Titel der Veranstaltung und die Frage, die Ex-FT-Chefredakteur
Siegfried Hännl als Moderator dem grünen Sprecher der
"Bundesarbeitsgemeinschaft MigrantInnen und Flüchtlinge"
Omid Nouripour stellte.
Die Antwort formulierte der gebürtige Iraner, der
seit seinem 13. Lebensjahr in Deutschland lebt und seit drei Jahren
Mitglied im Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen ist, denn
auch ganz klar: "Es gibt keinen Kampf der Kulturen oder der
Religionen. Hinter diesem vermeintlichen Kampf stecken politisch
begründete Interessen." Nach seiner Meinung sind die
arabischen Staaten in ihrer Entwicklung weit zurück, weil sie nicht
weltoffen sind, sondern sich abschotten: "Es wurden bisher
gerademal so viele Bücher in arabische Sprachen übersetzt, wie ins
Spanische allein in einem Jahr." Diese Misere sieht Nouripour
zwar durchaus in der Kolonialgeschichte der arabischen Welt
historisch begründet, aber: "Diese Geschichte wird heute von
den Regimen der islamischen Staaten missbraucht, um ein pauschales
Feindbild eines noch immer imperialistischen Westens zu
zeichnen." Doch den vielfach angeprangerten Kulturimperialismus
gibt es nach Meinung des Grünen-Politikers nicht: "Es gibt nur
Konsumverhalten. McDonald's und Cola schmeckt halt auch jungen
Arabern gut."
Dennoch hält er es für wichtig, das Empfinden
vieler Menschen in arabischen Staaten ernst zu nehmen, dass ihnen
ihre Identität verloren geht. Der Karikaturenstreit, obwohl
"zweifellos von Regierungen einzelner Staaten gezielt
geschürt", drücke auch diese Ängste aus. "Aber der
Graben verläuft nicht zwischen christlich-westlicher Welt und
islamisch-arabischer Welt, nicht zwischen Nord und Süd oder Reich
und Arm", so ist Omid Nouripour überzeugt, "der Graben
verläuft zwischen Demokratie und Nicht-Demokratie."
Demokratie ist für ihn untrennbar mit den
Menschenrechten verbunden. Dass diese von der westlichen Welt als
"quasi eigene Erfindung" beansprucht, dann aber selbst
nicht konsequent beachtet werden (Beispiel: Guantanamo), sei
doppelmoralisch und vertiefe den Graben noch. "Wir müssen die
Menschenrechte als universelle Werte sehen und vor allem uns selbst
daran halten", forderte er, "und wir brauchen einen Dialog
auf Augenhöhe."
Als den "Schlüssel zur Modernisierung der
arabischen Welt" bezeichnete Nouripour die Gleichstellung der
Frauen. Mehr Frauenrechte sind für ihn gleichbedeutend mit mehr
Demokratie. Man dürfe aber nicht eine "Befreiung nach
westlichem Vorbild" anstreben. Vielmehr müsse man den Input
und die Orientierung der arabischen Frauen selbst fördern, die sich
oft für ganz unterschiedliche Rechte und Ziele einsetzen.
Kopftuchdebatten sind für ihn dabei ein Nebenkriegsschauplatz:
Nicht der Islam stehe der Moderne im Weg, sondern korrupte und
diktatorische Staatsformen.
Innenpolitisch sprach sich der Grünen-Politiker
klar gegen Einbürgerungstests aus. "Das ist völlig absurd.
Vor allem dann, wenn gleichzeitig auch noch Mittel für
Integrationskurse gestrichen werden." Aktuell kürze die
Bundesregierung die Bundeszuschüsse um ein Drittel. "Sollen
die Migranten in den paar Kursstunden, die ihnen noch bleiben, etwa
die Testfragen auswendig lernen?"
Für mehr Integration forderte Omid Nouripour ein
kommunales Wahlrecht für alle hier lebenden Ausländer, ein
Antidiskriminierungsgesetz und eine Öffnung unserer Gesellschaft:
"Wir nehmen Ausländer als Fremde, bestenfalls als Gäste wahr,
und sie selbst tun das auch – daran muss sich etwas ändern."
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