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Pressemitteilung vom 24. März 2006

Frauen sind Schlüssel zur Modernisierung der arabischen Welt

Grünes Bundesvorstandsmitglied Omid Nouripour fordert bei Diskussion über "Multikulti und Kulturenkampf" einen Dialog auf Augenhöhe

 

Beachtliches Interesse angesichts aktueller Ereignisse - wie Karikaturenstreit und drohende Todesstrafe für einen zum christlichen Glauben konvertierten Afghanen - rief eine Diskussion hervor, zu der die Bamberger Grünen eingeladen hatten. "Multikulti, Kampf der Kulturen – oder was?" lautete der Titel der Veranstaltung und die Frage, die Ex-FT-Chefredakteur Siegfried Hännl als Moderator dem grünen Sprecher der "Bundesarbeitsgemeinschaft MigrantInnen und Flüchtlinge" Omid Nouripour stellte.

Die Antwort formulierte der gebürtige Iraner, der seit seinem 13. Lebensjahr in Deutschland lebt und seit drei Jahren Mitglied im Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen ist, denn auch ganz klar: "Es gibt keinen Kampf der Kulturen oder der Religionen. Hinter diesem vermeintlichen Kampf stecken politisch begründete Interessen." Nach seiner Meinung sind die arabischen Staaten in ihrer Entwicklung weit zurück, weil sie nicht weltoffen sind, sondern sich abschotten: "Es wurden bisher gerademal so viele Bücher in arabische Sprachen übersetzt, wie ins Spanische allein in einem Jahr." Diese Misere sieht Nouripour zwar durchaus in der Kolonialgeschichte der arabischen Welt historisch begründet, aber: "Diese Geschichte wird heute von den Regimen der islamischen Staaten missbraucht, um ein pauschales Feindbild eines noch immer imperialistischen Westens zu zeichnen." Doch den vielfach angeprangerten Kulturimperialismus gibt es nach Meinung des Grünen-Politikers nicht: "Es gibt nur Konsumverhalten. McDonald's und Cola schmeckt halt auch jungen Arabern gut."

Dennoch hält er es für wichtig, das Empfinden vieler Menschen in arabischen Staaten ernst zu nehmen, dass ihnen ihre Identität verloren geht. Der Karikaturenstreit, obwohl "zweifellos von Regierungen einzelner Staaten gezielt geschürt", drücke auch diese Ängste aus. "Aber der Graben verläuft nicht zwischen christlich-westlicher Welt und islamisch-arabischer Welt, nicht zwischen Nord und Süd oder Reich und Arm", so ist Omid Nouripour überzeugt, "der Graben verläuft zwischen Demokratie und Nicht-Demokratie."

Demokratie ist für ihn untrennbar mit den Menschenrechten verbunden. Dass diese von der westlichen Welt als "quasi eigene Erfindung" beansprucht, dann aber selbst nicht konsequent beachtet werden (Beispiel: Guantanamo), sei doppelmoralisch und vertiefe den Graben noch. "Wir müssen die Menschenrechte als universelle Werte sehen und vor allem uns selbst daran halten", forderte er, "und wir brauchen einen Dialog auf Augenhöhe."

Als den "Schlüssel zur Modernisierung der arabischen Welt" bezeichnete Nouripour die Gleichstellung der Frauen. Mehr Frauenrechte sind für ihn gleichbedeutend mit mehr Demokratie. Man dürfe aber nicht eine "Befreiung nach westlichem Vorbild" anstreben. Vielmehr müsse man den Input und die Orientierung der arabischen Frauen selbst fördern, die sich oft für ganz unterschiedliche Rechte und Ziele einsetzen. Kopftuchdebatten sind für ihn dabei ein Nebenkriegsschauplatz: Nicht der Islam stehe der Moderne im Weg, sondern korrupte und diktatorische Staatsformen.

Innenpolitisch sprach sich der Grünen-Politiker klar gegen Einbürgerungstests aus. "Das ist völlig absurd. Vor allem dann, wenn gleichzeitig auch noch Mittel für Integrationskurse gestrichen werden." Aktuell kürze die Bundesregierung die Bundeszuschüsse um ein Drittel. "Sollen die Migranten in den paar Kursstunden, die ihnen noch bleiben, etwa die Testfragen auswendig lernen?"

Für mehr Integration forderte Omid Nouripour ein kommunales Wahlrecht für alle hier lebenden Ausländer, ein Antidiskriminierungsgesetz und eine Öffnung unserer Gesellschaft: "Wir nehmen Ausländer als Fremde, bestenfalls als Gäste wahr, und sie selbst tun das auch – daran muss sich etwas ändern."