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Pressemitteilung vom 13. Oktober 2005

"Wer Familien fördern will, macht Migrationspolitik"

Gesprächsrunde mit grünen MdBs Ekin Deligöz und Ursula Sowa im Känguruh

 

Als prominenten Gast durfte das Frauen- und Mütterzentrum Känguruh am vergangenen Freitag Ekin Deligöz, kinder- und familienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis '90/ Die Grünen, begrüßen. Im Rahmen der Interkulturellen Wochen der Stadt Bamberg fand dort eine offene Gesprächsrunde zum Thema Familie und Migration statt, an der auch viele VertreterInnen lokaler Migrantenorganisationen und die Bamberger Noch-Bundestagsabgeordnete und OB-Kandidatin Ursula Sowa teilnahmen.

Viel Lob bekam das Känguruh selbst bereits in der Vorstellungsrunde für seine gelungene Integrationsarbeit. Mitra Sharifi-Neystanak, stellvertretende Vorsitzende des Bamberger Ausländerbeirats, betonte, dass hier nicht von Deutschen etwas für MigrantInnen getan werde, sondern ausländische Frauen selbst Eigeninitiative zeigten und das Zusammenleben in Bamberg aktiv mitgestalteten. Patricia Schneider, Vorsitzende des Känguruh und selbst Kolumbianerin, erzählte, dass sich einige der Känguruhfrauen bereits im Migrationssozialdienst der AWO kennengelernt hätten. Nun ist das Känguruh ein Ort, an dem Kinder und Erwachsene lernen, in verschiedenen Kulturen zu leben, ihre persönlichen Fähigkeiten zu entfalten und auch ihre Chancen als GrenzgängerInnen zu nutzen, etwa durch zweisprachige Erziehung.

Schnell einig war man sich, dass der Schlüssel zu einer gelungenen Integration in der Kinder- und Jugendpolitik liegt. "Jedes vierte Kind in Deutschland hat Migrationshintergrund", bemerkte Ekin Deligöz, "wenn Herr Stoiber oder Frau von der Leyen von Familienpolitik reden, dann reden sie eigentlich von Migrationspolitik, ob sie es wollen oder nicht."

Das Wichtigste dabei: Investitionen im Bildungsbereich. Ekin Deligöz verwies auf das Ganztagsschulprogramm der rot-grünen Bundesregierung mit einem Investitionsvolumen von vier Milliarden Euro. "Leider wurde das Geld in Bayern fast ausschließlich zur Finanzierung des G8 ausgegeben." 78 Prozent des Geldes sei an die Gymnasien gegangen, obgleich Ganztageskonzepte an Grund- und Hauptschulen derzeit wesentlich nötiger wären, um eine optimale Förderung der Schüler unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund zu gewährleisten. "Versuche haben gezeigt, dass die Förderung in einer Ganztageshauptschule die Noten der SchülerInnen um zwei bis drei Notenstufen anheben kann." Entscheidend sei aber nicht allein die Organisationsform, sondern die individuelle Betreuung: "Vielleicht würde es schon reichen, die Klassenstärken klein zu halten."

Ekin Deligöz kennt die Probleme ausländischer Jugendlicher aus eigener Erfahrung. 1979, im Alter von acht Jahren, kam die heutige Diplom-Verwaltungswissenschaftlerin aus der Türkei in die Bundesrepublik. "Damals war Deutschlernen überhaupt nicht erwünscht." Schließlich sollten MigrantInnen unter sich bleiben, damit sie nicht etwa auf die Idee kämen, dauerhaft in Deutschland leben zu wollen.

Die Folgen dieser Antiintegrationspolitik sind noch heute zu spüren. Das größte Integrationsproblem sei heute die Jugendarbeitslosigkeit, und diese habe vor allem mit fehlender Sprachförderung zu tun, so Wolfgang Vetter vom Fachdienst für Integration und Migration des SKF.

Mitra Sharifi-Neystanaks Diagnose geht noch eine Ebene tiefer: "Vielfach fehlt ausländischen Kindern das Selbstbewusstsein. Sie glauben nicht an sich. Deshalb ist es wichtig, dass sie Vorbilder haben – wie etwa eine türkische Immigrantin, die es in den Bundestag schafft!"

Abschließend meinte Ursula Sowa, dass solche offenen Gespräche mit in Bamberg lebenden MigrantInnen sehr gewinnbringend seien. Es gäbe vieles, was wir voneinander lernen könnten und viele Anregungen werde sie in ihre politische Arbeit aufnehmen.