"Wer Familien fördern will, macht
Migrationspolitik"
Gesprächsrunde mit grünen MdBs Ekin
Deligöz und Ursula Sowa im Känguruh
Als prominenten Gast durfte das Frauen- und
Mütterzentrum Känguruh am vergangenen Freitag Ekin Deligöz,
kinder- und familienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von
Bündnis '90/ Die Grünen, begrüßen. Im Rahmen der
Interkulturellen Wochen der Stadt Bamberg fand dort eine offene
Gesprächsrunde zum Thema Familie und Migration statt, an der auch
viele VertreterInnen lokaler Migrantenorganisationen und die
Bamberger Noch-Bundestagsabgeordnete und OB-Kandidatin Ursula Sowa
teilnahmen.
Viel Lob bekam das Känguruh selbst bereits in der
Vorstellungsrunde für seine gelungene Integrationsarbeit. Mitra
Sharifi-Neystanak, stellvertretende Vorsitzende des Bamberger
Ausländerbeirats, betonte, dass hier nicht von Deutschen etwas für
MigrantInnen getan werde, sondern ausländische Frauen selbst
Eigeninitiative zeigten und das Zusammenleben in Bamberg aktiv
mitgestalteten. Patricia Schneider, Vorsitzende des Känguruh und
selbst Kolumbianerin, erzählte, dass sich einige der
Känguruhfrauen bereits im Migrationssozialdienst der AWO
kennengelernt hätten. Nun ist das Känguruh ein Ort, an dem Kinder
und Erwachsene lernen, in verschiedenen Kulturen zu leben, ihre
persönlichen Fähigkeiten zu entfalten und auch ihre Chancen als
GrenzgängerInnen zu nutzen, etwa durch zweisprachige Erziehung.
Schnell einig war man sich, dass der Schlüssel zu
einer gelungenen Integration in der Kinder- und Jugendpolitik liegt.
"Jedes vierte Kind in Deutschland hat
Migrationshintergrund", bemerkte Ekin Deligöz, "wenn Herr
Stoiber oder Frau von der Leyen von Familienpolitik reden, dann
reden sie eigentlich von Migrationspolitik, ob sie es wollen oder
nicht."
Das Wichtigste dabei: Investitionen im
Bildungsbereich. Ekin Deligöz verwies auf das Ganztagsschulprogramm
der rot-grünen Bundesregierung mit einem Investitionsvolumen von
vier Milliarden Euro. "Leider wurde das Geld in Bayern fast
ausschließlich zur Finanzierung des G8 ausgegeben." 78 Prozent
des Geldes sei an die Gymnasien gegangen, obgleich Ganztageskonzepte
an Grund- und Hauptschulen derzeit wesentlich nötiger wären, um
eine optimale Förderung der Schüler unabhängig von ihrem sozialen
Hintergrund zu gewährleisten. "Versuche haben gezeigt, dass
die Förderung in einer Ganztageshauptschule die Noten der
SchülerInnen um zwei bis drei Notenstufen anheben kann."
Entscheidend sei aber nicht allein die Organisationsform, sondern
die individuelle Betreuung: "Vielleicht würde es schon
reichen, die Klassenstärken klein zu halten."
Ekin Deligöz kennt die Probleme ausländischer
Jugendlicher aus eigener Erfahrung. 1979, im Alter von acht Jahren,
kam die heutige Diplom-Verwaltungswissenschaftlerin aus der Türkei
in die Bundesrepublik. "Damals war Deutschlernen überhaupt
nicht erwünscht." Schließlich sollten MigrantInnen unter sich
bleiben, damit sie nicht etwa auf die Idee kämen, dauerhaft in
Deutschland leben zu wollen.
Die Folgen dieser Antiintegrationspolitik sind noch
heute zu spüren. Das größte Integrationsproblem sei heute die
Jugendarbeitslosigkeit, und diese habe vor allem mit fehlender
Sprachförderung zu tun, so Wolfgang Vetter vom Fachdienst für
Integration und Migration des SKF.
Mitra Sharifi-Neystanaks Diagnose geht noch eine
Ebene tiefer: "Vielfach fehlt ausländischen Kindern das
Selbstbewusstsein. Sie glauben nicht an sich. Deshalb ist es
wichtig, dass sie Vorbilder haben – wie etwa eine türkische
Immigrantin, die es in den Bundestag schafft!"
Abschließend meinte Ursula Sowa, dass solche
offenen Gespräche mit in Bamberg lebenden MigrantInnen sehr
gewinnbringend seien. Es gäbe vieles, was wir voneinander lernen
könnten und viele Anregungen werde sie in ihre politische Arbeit
aufnehmen.
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