Rechtsfreier Raum in der U-Haft?
GAL diskutierte über Bedingungen in der
Untersuchungshaft – Gesetz von Ländern blockiert
Bei ihrem Diskussionsabend unter dem Titel
"U-Haft – Rechtsfreier Raum" näherten sich die
Bamberger Grünen (GAL) einem Thema, das an den Rande der
bundesdeutschen Gesellschaft gedrängt ist. Dass Untersuchungshaft
jeden Bürger und jede Bürgerin einmal treffen kann – sei es
direkt oder als Angehörige -, dennoch aber kaum jemand etwas
darüber weiß, war eine der bestürzenden Erkenntnisse des Abends.
Als Expertenrunde hatte die GAL den Richter Ralf
Dischinger, den ehemaligen Gefängnisseelsorger Johannes
Wagner-Friedrich sowie die Bamberger grüne Bundestagsabgeordnete
Ursula Sowa, die als eines ihrer Politikfelder den Strafvollzug
bearbeitet, eingeladen.
Johannes Wagner-Friedrich schilderte drastisch die
Isolation von U-Häftlingen. "Es ist eine abrupte komplette
Abgeschiedenheit, es gibt zunächst keinen Kontakt nach draußen,
auch nicht zur engsten Familie." Zwar habe der U-Inhaftierte
einen Mindestanspruch auf Besuche von Angehörigen von zweimal 30
Minuten im Monat. "Aber normalerweise geht diese geringe
Besuchszeit meist schon dafür drauf, die durch die U-Haft
entstandenen dringlichen Probleme des alltäglichen Lebens zu
besprechen und zu regeln." Briefkontakt sei zwar erlaubt, aber
zwischen Abschicken eines Briefs und Erhalten der Antwort lägen in
der Regel drei Wochen.
Aus seiner Erfahrung weiß Wagner-Friedrich:
"Die Menschen sind oft durch die Gefangennahme traumatisiert,
sie leiden unter der Langeweile, weil sie nicht arbeiten dürfen,
bekommen oft Depressionen." Als Seelsorger betonte er, dass die
derzeitigen Haftbedingungen angesichts des Rechtsgrundsatzes, dass
U-Häftlinge keine Strafgefangenen sind und für sie die
Unschuldsvermutung gelte, unzumutbar seien. Man dürfe nicht
vergessen, dass die U-Haft noch das Vorstadium der
Gerichtsverhandlung sei, eine Strafe also noch gar keine rechtliche
Grundlage habe.
Dass immerhin 15% der U-Häftlinge dies erdulden
müssen, obwohl sie bei ihrem Gerichtsverfahren dann gar nicht zu
einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, erläuterte Richter Ralf
Dischinger. Er kritisierte "politische Panikmache", z.B.
die Strafverschärfung bei Sexualstraftaten oder die Diskussion um
DNA-Feststellung bei allen Straffälligen. Besonders nachteilig ist
aus seiner Sicht, dass es seit 1977 zwar ein Strafvollzugsrecht
gebe, aber kein Gesetz, das die U-Haft-Bedingungen regele: "Die
Bedingungen sind für verurteilte Straftäter besser als für
Untersuchungsinhaftierte, die auf ihre Verhandlung warten. Aber die
politische Großwetterlage tendiert derzeit wohl eher zu noch mehr
Verschärfung als zu Verbesserung."
Die Bamberger Bundestagsabgeordnete Ursula Sowa
bestätigte dies und merkte an, dass ein Gesetzesentwurf der
rot-grünen Regierungskoalition seit 1999 auf dem Tisch liege. Darin
soll der Vollzug der U-Haft, die Rechte der Häftlinge, aber auch
ihr zeitweiliger Rechtsverlust genau und bundeseinheitlich geregelt
werden. "Leider aber ist der Vollzug Ländersache, und die
Länder blockieren, auch weil die Reform zusätzliches Geld und
Personal erfordert."
Hier stimmte auch der Leiter der Bamberger
Justizvollzugsanstalt Hans Lange zu, in der momentan 230
Inhaftierte, darunter 100 U-Häftlinge, einsitzen: Die
Gesetzesvorlage sei gut, umsetzbar und dringend nötig, um den
jetzigen aus rechtsstaatlicher Sicht kaum haltbaren Zustand zu
verbessern.
Ursula Sowa berichtete, dass die U-Haft-Reform zwar
noch immer auf der Agenda der bündnisgrünen Bundestagsfraktion
stehe, von der rot-grünen Koalition derzeit aber nicht
weiterverfolgt werde. Dass für Reformen in diesem politischen
Randbereich der gesellschaftliche Druck fehle, sah auch Pfarrer
Wagner-Friedrich so. Da die meisten erwarten, dass die U-Haft nicht
lange andauert, entwickle sich hier keine Lobby der Betroffenen und
ihrer Angehörigen: "Verständlicherweise will jeder nur, dass
es für ihn und seine Familie so schnell wie möglich vorbei
geht." Ursula Sowa nannte dennoch die Problemlage so
gravierend, "dass meine Fraktion jetzt unbedingt etwas tun
müssen." Mit den Engagierten aus der Region will sie deshalb
in engem Kontakt bleiben.
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