Kann das G8 noch gekippt werden?
Bei Grünen-Infoabend machten viele ihrem
Ärger Luft – MdL Tolle fordert Moratorium
Das Thema "achtjähriges Gymnasium" löst
bei den Betroffenen noch immer eine Woge der Empörung aus. Das
bekam man auch beim Informationsabend von GAL und Grünen
Bamberg-Land im Neuen Palais zu spüren, wo zahlreiche Lehrkräfte,
Eltern sowie Schüler und Schülerinnen mit der Grünen-Abgeordneten
Simone Tolle und dem oberfränkischen GEW-Vorsitzenden Ernst Wilhelm
diskutierten.
"Was können wir dagegen tun, dass die
bayerische Regierung nach der Wahl ihr Versprechen beiseite schiebt
und die Schulzeit am Gymnasium nun völlig überstürzt auf acht
Jahre verkürzt?" fragte GAL-Stadtrat Wolfgang Grader als
Diskussionsleiter. Dabei kam bei der Diskussion immer wieder die
Möglichkeit eines Volksbegehrens zur Sprache. Zwar war allen
Wortmeldungen zu entnehmen, dass es keine grundsätzliche Ablehnung
des achtjährigen Gymnasiums gibt. Die Anwesenden forderten aber
einhellig durchdachte Lösungen und angemessene Rahmenbedingungen.
Vor allem waren Eltern der jetzigen vierten und fünften Klassen
verunsichert, weil sie keine Ahnung haben, was auf sie zukommt. Zu
Wort meldeten sich auch Eltern, die um die Zukunft ihrer Kinder
fürchten, wenn in neun Jahren zwei Jahrgänge auf einmal in den
Berufsmarkt und an die Hochschulen drängen. Eine Mutter vermisste
eine klare Auskunft darüber, wie denn die Kinder über Mittag
verpflegt werden sollen: "Ich würde nicht wollen, dass meine
Kinder mittags regelmäßig an der Imbissbude stehen."
Deshalb hofften die Anwesenden, von der
bildungspolitischen Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion genaue
und konkrete Pläne zu erfahren. Doch Simone Tolle musste weitgehend
passen: "Die Staatsregierung arbeitet offenbar nach dem Motto:
Nichts genaues weiß man nicht!" Der Bildungsausschuss des
Landtags sei überhaupt erst am 22. Januar 2004 über die Pläne der
Regierung informiert worden, nachdem laut Tolle noch in der Woche
vorher eine Sitzung offiziell mangels besprechungsreifer
Tagesordnungspunkte abgesagt wurde. Die Informationen, die sie und
ihre KollegInnen dann im Ausschuss erhielten, seien mehr als
"dürftig, vage und schwammig" gewesen: Bis zum
Frühsommer wolle das Kultusministerium den Lehrplan für das G8
erarbeiten – allerdings nur bis zur siebten Klasse. Die Kommunen
sollen angeblich nur mit 10% der Kosten belastet werden, wobei
genaue Kosten nicht beziffert wurden. Und auf Nachfragen wegen der
Mittagsverpflegung für die Schüler und Schülerinnen habe der
Vertreter des Ministeriums lapidar erwidert, dass sich dafür vor
Ort schon Lösungen finden werden. Tolles Urteil: "Die
Regierung hat keine Antworten. Stoiber treibt weiterhin eine
bildungspolitische Sau nach der anderen durch Bayern – ohne
Konzept und ohne Plan."
Auch die verschiedenen G8-Schulversuche in Bayern
haben nach Tolles Informationen bisher keine verwertbaren Ergebnisse
geliefert. "Natürlich hört man Einiges – positiv und
negativ -, man muss aber bedenken, dass alle diese Modelle unter
besonderen Bedingungen ablaufen." Außerdem hätten sich die
Eltern bisher bewusst für diese Schulform entscheiden können, wenn
sie ihren Kindern den erhöhten Leistungsdruck im G8 zutrauten,
ergänzte Ernst Wilhelm von der Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft (GEW). Den anwesenden Eltern und dem
Elternbeiratsvorsitzenden des Bamberger Clavius-Gymnasiums, wo es
bekanntlich derzeit eine G8-Klasse gibt, war ebensowenig etwas von
einer strukturellen Auswertung des Schulversuchs bekannt.
Ernst Wilhelm zitierte aus Stoibers
Regierungserklärung, wo lediglich ein längeres Einzahlen in die
Rentenversicherung und der angebliche Vorsprung jüngerer
Absolventen bei der Berufswahl als Gründe für das G8 und eine
geplante frühere Einschulung der Kinder genannt werden. Als
Gewerkschafter wandte er sich strikt gegen jede Arbeitsverdichtung,
die bei der generellen Einführung des G8 zu erwarten sei.
"Schon jetzt sind viele Schüler wie auch Lehrer durch den
schulischen Leistungsdruck und hohe Erwartungshaltungen
überfordert", so Wilhelm. Eine Verkürzung der Schulzeit kann
sich der Gewerkschafter nur dann vorstellen, wenn Schulen nach
skandinavischem Vorbild völlig neu gestaltet und der Lehrstoff von
Grund auf reformiert werde.
Was ein Volksbegehren angeht, äußerte er sich
durchaus zuversichtlich. Schon jetzt hätten in ungewohnter
Zusammenarbeit alle Verbände eine gemeinsame Erklärung gegen die
aktuellen Pläne Stoibers abgegeben. Vorstellbar ist ein
Volksbegehren auch für Simone Tolle. Konkrete Hoffnung legt sie
allerdings eher auf ein Moratorium, also dass das G8 zumindest nicht
ab kommenden Schuljahr für alle verpflichtend eingeführt wird. Aus
ihrer Sicht ist ein G8 nur in der Ganztagsform machbar, "und
zwar parallel zum G9, damit die Eltern und Kinder freie Wahl
haben." Zuvor hält sie eine gesellschaftliche Debatte über
den Lehrplan für unbedingt notwendig, die außerdem auch die
Grundschule und den Kindergarten mit einbeziehen sollte.
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