"Sozialreformen sind erste Stufe"
Diskussion mit MdB Ursula Sowa über Agenda
2010 bei Grünen-Plenum
"Wir sind eine Stufe weiter gekommen, aber der
große Wurf sind die aktuellen Sozialreformen nicht", diese
Einschätzung formulierte die Bamberger Bundestagsabgeordnete Ursula
Sowa bei einem gut besuchten öffentlichen Plenum, zu dem die
Kreisverbände Bamberg-Stadt und –Land von Bündnis 90/Die Grünen
nach Hallstadt eingeladen hatten.
Sowa gab einen Überblick über die zahlreichen
Reformdetails, für die noch vor Jahresende ein Kompromiss gefunden
werden soll, damit sie ab 1.1.2004 wirksam werden. "Das ist ein
unglaublicher Kraftakt", berichtete Sowa und kritisierte dabei
die Haltung der Oppositionsparteien: Alle Reformen hätten ihr
zufolge schon direkt nach der Sommerpause in Kraft treten können.
"Aber aus rein parteitaktischen Gründen, unter anderem wegen
der Landtagswahl in Bayern, hat die Union die Verhandlungen immer
wieder verzögert, so dass jetzt ein enormer Zeitdruck herrscht, der
auf dem Rücken der Bürger und Bürgerinnen ausgetragen wird."
Eine Grundsatzdikussion entzündete sich unter den
Plenums-TeilnehmerInnen in Bezug auf die Reichweite der Reformen.
Kritisiert wurde, dass trotz Neuregelungen auf nahezu allen Gebieten
wieder nur um "Stückwerk gemacht" werde. Sowa räumte
ein, dass viele weitreichende Entwürfe der Koalitionsfraktionen
aufgrund der Machtverhältnisse zwischen Bundestag und Bundesrat
inzwischen stark verwässert seien. Als Beispiel nannte sie die von
den Grünen geforderte Bürgerversicherung, bei der alle Bürger und
Bürgerinnen krankenversichert sein sollen.
Sie kritisierte aber auch den eigenen
Koalitionspartner, insbesondere Bundeskanzler Gerhard Schröder, der
durch Alleingänge wie kürzlich mit seiner Subventionszusage an den
Kohlebergbau immer wieder bestehende Abmachungen breche. "Damit
werden die guten Ansätze, ökologisch schädliche Subventionen
abzubauen – die mit der SPD ohnehin schwer verhandelt wurden -,
mit einem Schlag zunichte gemacht", kommentierte Ursula Sowa.
Von Seiten des Plenums kam Kritik am
Gesundheitssystem und daran, dass die Politik es seit Jahrzehnten
nicht schaffe, Systemfehler zu beheben. Ein Plenumsteilnehmer
brachte es auf den Punkt: "Vom System her können heute
eigentlich kein Arzt, kein Psychotherapeut, kein Krankengymnast und
keine Klinik ein Interesse daran haben, Patienten gesund zu machen,
denn verdient wird nur an kranken Patienten, die immer wieder in die
Praxis kommen." Ursula Sowa äußerte sich zuversichtlich, dass
sich das durch die in der Gesundheitsreform vorgesehene
Qualitätssicherung und durch mehr Transparenz für die Versicherten
teilsweise verbessern werde. Sie gab aber auch zu, dass der
vorliegende Reform-Kompromiss aller Fraktionen keine Systemänderung
darstelle, weil die Lobby in diesem Bereich extrem stark darauf
bedacht sei, ihre jetzigen Pfünde zu sichern.
Sowas nüchternes Urtiel: "In der Sozialpolitik
steht eine grundlegende Reform noch aus. Eine Reform, wie sie
Rot-Grün etwa im Bereich der Erneuerbaren Energien gelungen ist, wo
wir die Basis für eine echte Energiewende legen konnten."
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